Die Mode der Fashion Week Berlin: Überraschungen, Newcomer und politische No-Gos

Die Mode der Fashion Week Berlin: Überraschungen, Newcomer und politische No-Gos

Wie viel Berlin steckt eigentlich in der Mode der Fashion Week

Wie viel Berlin steckt eigentlich in der Mode der Fashion Week

Die Fashion Week Berlin ist vorbei und diesen Januar wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, wie winzig diese Veranstaltung doch ist, vergleicht man sie mit ihren Schwestern in den internationalen Modemetropolen. Berlin ist nicht Paris, das ist an anderen Stellen schon oft genug betont worden und in diese Kerbe möchte ich nicht auch noch hineinschlagen. Warum das im Gegenteil sogar ganz gut so ist, dazu wird euch Marie noch ein Wörtchen sagen. Außerdem wird der Vergleich auch irgendwann langweilig.

Lieber möchte ich also auf das blicken, was uns geboten wurde in der vergangenen Woche. Berlin hat schon viele Schauplätze für die Präsentation seiner Mode verschlissen. Bebelplatz, Erika-Hess-Stadion, Kaufhaus Jandorf, Brandenburger Tor, Kronprinzenpalais, Schinkelpavillon, E-Werk ... von dem Theater um die B2B-Messe Bread & Butter fange ich an dieser Stelle gar nicht erst an. Berlin ist eine chaotische und launische Stadt und das spiegelt sich eben auch jede Saison erneut in der Organisation und Ausrichtung der Modewoche wider.

Nach dem „Warum“ fragt schon lange keiner der Gäste mehr, man nimmt es hin und arbeitet eben alle sechs Monate von neuen As zu neuen Bs, immer mit der großen Frage im Kopf, was der heutige Tag wohl bereithalten wird.

Wie viel Berlin steckt eigentlich in der Fashion Week Berlin?

Dass Berlin international keine allzu große Rolle spielt, spielt für meinen Artikel wiederum keine allzu große Rolle. Dennoch möchte ich den Versuch wagen und herausfinden, wie sehr die Modewoche der deutschen Hauptstadt im Hier und Jetzt angekommen ist. Man kann schließlich auch im Kleinen Visionär sein und oftmals wird Authentizität und Innovation dadurch geschützt, dass keine Unmengen an Sponsorengeldern fließen und zig Werbepartner ihre Finger im Spiel haben. Wie divers, bunt und inklusiv war die Fashion Week im Januar 2019 in Berlin? Welche Rolle spielten Vielseitigkeit und Mut und wer hat uns diesmal wirklich überrascht? Wie viel Berlin steckt eigentlich in der Fashion Week Berlin? Ich kenne schließlich keine Stadt, in der man freier und ungestörter dem persönlichen Wahnsinn nachgehen kann. In Berlin ist alles möglich und gefühlt auch alles erlaubt. Die Not wird hier zur Tugend gemacht, es wird protestiert, füreinander gekämpft, gegeneinander gewettert und miteinander gefeiert. Gegen diese Realität wirkt die Berliner Modewoche seit einiger Zeit eher wie eine verpennte Kaffeefahrt. Aber wer weiß, vielleicht überrascht meine kleine Analyse mich am Ende ja selbst.

Die bunte Realität Berlins muss in der Mode noch ankommen

In Berlin leben Menschen aus über 190 Ländern - diese Vielfalt spiegelt sich in den Runway-Castings indes leider noch nicht wider. Der saisonale Diversity Report, wie ihn The Fashion Spot immer für die New York Fashion Week aufsetzt, würde, auf Berlin bezogen, desaströs ausfallen. Ja, es sind viele Models of Colour mitgelaufen und im Januar ist mir erstmal auch eine bemerkbare Age Diversity aufgefallen. Ordentlich verpennt sind wir hier in jedem Fall aber noch, wenn es um die Repräsentation von Plus-Size und Transgender-Models geht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass wir in Deutschland in vielen Bereichen nicht so forsch sind wie unsere amerikanischen Freunde. Wir sind kein traditionelles Einwanderungsland, doch die Globalisierung und der Informationsfluss in Jetztzeit dank Internet und Social Media machen auch uns mehr und mehr zu Weltenbürger*innen und es wird Zeit, dass eine umfassende Darstellung unserer bunten Realität in allen Bereichen unseres Lebens Einzug hält. Auch auf den Laufstegen, so unwichtig das manche finden möchten.

Positiv herausgestochen ist der gefeierte Newcomer-Designer Amesh Wijesekera aus London, der mit einem vielseitigen Casting, unisex Mode und einem Hauch Pride internationales Flair nach Berlin brachte.

Amesh Wijesekera

Bei Lou de Bétoly wurde das Défilée gar zur Performance. Eine in sich zusammen gesunkene Hüpfburg bildete das Zentrum der Show in der altehrwürdigen Villa Elisabeth in Mitte. Die Models schritten selbstbewusst durch den mit einer Galerie gesäumten Lichthof, gekleidet in dekonstruierten Denim-Ensembles, patchworkartig zusammengefügten Materialien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Löchriger Strick, verwoben mit Angora und Plastik. „Ethno-Dada“ nennt es die Designerin Odély Teboul und ich finde, dieser Begriff trifft den Nagel auf den Kopf. Gleichzeitig hinterfragt Lou de Bétoly unseren Schönheitsbegriff, indem sie Models jeden Alters und mit ordentlich Botox im Gesicht über den Laufsteg schickt. Einzig: Sie sind alle wirklich sehr dünn, diese Models. Hier wurde eine Chance vertan, der Thematik noch eine weitere Ebene zu geben.

Die Hüpfburg stand schlussendlich übrigens in all ihrer Pracht in der Mitte des Raumes. Gehüpft wurde aber leider nicht, dafür waren wir wohl alle zu alt ... oder falsch gekleidet.

Lou de Bétoly

Wer wollte zu viel und wer hat danebengegriffen?

Es gab sie, diese Fremdschäm-Momente während der Fashion Week. Momente, in denen ich mich plötzlich sehr unwohl gefühlt habe oder ein großes Fragezeichen über meinem Kopf schwebte. Da waren zum einen die Statement-T-Shirts bei Kilian Kerner, der sich jetzt KXXK nennt und auf der Fashion Week sein Comeback feierte, die ein ganz klarer Fall für „gut gemeint heißt nicht gut gemacht“ waren. Ein schwarzes Model indirekt als „anders“ zu bezeichnen ist schon sehr problematisch. Immerhin weist der Druck aber darauf hin, dass der Träger des T-Shirts nicht kriminell ist. Ich vermute, dass hier auf das Thema Geflüchtete angespielt wird. Das Statement trägt zu Toleranz und einem Miteinander auf Augenhöhe leider nichts bei.

Ganz abgesehen von der Formulierung „Bro“, störe ich persönlich mich beim nächsten Print daran, dass vor die Aussage, dass man jemanden lieb hat, erst mal die Information geschoben wird, dass diese Person „gay“, also schwul, ist. Das grenzt schon ein bisschen an Framing, da man indirekt statt eines „und“ ein „doch“ erwartet. Anders kann man diese beiden Informationen in einem Satz nicht verstehen, da sie keinen inhaltlichen Zusammenhang haben oder sich bedingen. Warum ist es besonders, jemanden liebzuhaben, der gay ist? Weil unsere Gesellschaft noch immer Menschen benachteiligt, deren Sexualität nicht der vorgeschriebenen „Norm“ entsprechen. Das Statement grenzt durch seine Formulierung leider Schwule wieder als eigene Gruppe aus, die parallel steht zu der der „Heteros“ existiert. Und vergisst darüber hinaus die restliche Community. Wer A sagt, sollte auch LGBTQIA+ sagen, oder?

Das Rassismus-Statement bekomme ich gar nicht rein, vielleicht kann mir das jemand noch mal genau erklären. Denn leider sind Rassisten weder immer von minderer Intelligenz, noch tolerante Menschen auf jeden Fall immer sehr klug. Schade, denn ich denke mir, dass es in der Tat alles so nicht gemeint war.

KXXK

Ein bisschen Nineties, ein bisschen Cowboy, ein bisschen Wonder Woman, ein bisschen Folklore. Und ein Setting, das wohl ein DDR-Wohnzimmer darstellen soll. Marina Hoermanseder wollte alles auf einmal und hinterließ mich komplett Farb-, Struktur-, Material- und Stil-übersättigt – und ratlos. Die perfekt verarbeiteten Showpieces haben auch diesmal nicht gefehlt – doch ist von dem originellen Handwerk, das der Designerin zu internationalem Ruhm verholfen hat, diesmal wenig übrig geblieben. Über Geschmack lässt sich nicht streiten, das ist mir bewusst, dennoch hat mir hier schlicht ein roter Faden gefehlt, der diese Kollektion stimmig und in sich geschlossen zu Ende erzählt.

Marina Hoermanseder

Wer hat alles richtig gemacht?

Ich möchte jetzt nicht sagen, dass man auf der rechten Spur immer am sichersten fährt. Schön konstant mit 120 Km/h, keine wilden Überholmanöver und mit eingeschaltetem Tempomat. Es fällt jedoch auf, dass die Designer*innen, die eine konsequente Strategie verfolgen und darauf Wert legen, dass ihre Mode nicht nur tragbar, sondern auch verlässlich ist, vor allem in Berlin die größten (und längsten) Erfolge feiern. Da wären zum Beispiel Malaikaraiss und William Fan, die seit vielen Saisons schon mit unaufgeregten, aber technisch und modisch ausgefuchsten Schnitten und Designs überzeugen – im Übrigen nicht nur die Gäste, sondern auch die Einkäufer*innen. Und darauf kommt es am Ende an. Beide haben zudem den Mut, auch mal unkonventionell zu werden, wenn es um die Präsentation der eigenen Mode geht. So lud William Fan seine Gäste dieses Mal unter dem Motto „It's Your Time to Shine“ in die Karaoke-Bar Knutschfleck am Alexanderplatz und ließ die Models forsch über den Tresen laufend seine neuen Entwürfe präsentieren.

Malaika hingegen machte ihre Präsentation zu einem freundschaftlichen Brunch, in dem jeder in der ersten Reihe saß und dessen warme Atmosphäre Attitüden oder Befindlichkeiten, die der Branche gerne nachgesagt werden, gar nicht erst aufkommen ließen. Sie wären auch recht fehl am Platz gewesen. Mehr hierzu könnt ihr auch Maries Artikel entnehmen.

William Fan

Was waren die großen Überraschungen der Fashion Week Berlin?

Vor allem drei Newcomer sind mir im Gedächtnis haften geblieben. Da wäre zum einen die deutsche Designerin Regina Weber, deren Mode so gar nichts mit ihrem alltäglichen Namen gemein hat. Weber war 2018 die Finalistin des Fashion Festivals in Hyères und ist der spannendste Neuzugang im Vogue Salon. Ihre mit echten in Silikon getauchten Blüten gefertigten Kleider und Mäntel sind wirklich unvergesslich!

Regina Weber

Und dann wäre da noch das nachhaltige Label Working Title. Das im vergangenen Jahr gegründete Berliner Brand ist ebenfalls ein Neuzugang im Vogue Salon und wurde gerade in das neue Förderprogramm für nachhaltige Mode des Fashion Council Germany aufgenommen (mehr dazu morgen in unseren News). Die Gründer Bjoern Kubeja und Antonia Goy haben sich bereits mit ebenfalls Label Antonia Goy benannten Label einen Namen in der Branche gemacht und möchten mit Working Title nun ihre Vision von nachhaltiger Mode realisieren, die die Träger*innen lange begleitet. Klingt vielversprechend und sieht sehr gut aus!

Working Title

  • Fotos William Fan & Header:
    Janine Sametzky
  • Fotos Runway:
    Stefan Knauer / Getty Images for MBFW
  • Fotos Lou de Bétoly:
    Getty Images for DER BERLINER SALON
  • Fotos Marina Hoermanseder:
    Stefan Kraul

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