Faszination Pony

Faszination Pony

Ob neuer Lebensabschnitt oder aus der Laune heraus, die Hassliebe zum Pony scheinen alle zu kennen

So richtig sicher kann man sich nie sein, wenn man (mal wieder) beim Friseur sitzt und sich einen Pony schneiden lassen will. Und danach? (Freuden)tränen scheinen vorprogrammiert zu sein

Jede*r hat sie. Die berühmt-berüchtigten Bilder, mit denen man zum Friseur oder zur Friseurin seines Vertrauens geht und sie mit erwartungsvollen, großen Augen zeigt. Meistens habe ich Fotos von Sienna Miller, Alexa Chung und Margot Robbie dabei. Alle haben keinerlei Ähnlichkeit mit mir – und vor allem mit meiner Haarstruktur, trotzdem erwarte ich jedes Mal wieder, dass ich am Ende des 6-Stunden-Termins genauso aussehe. Und das jeden Morgen nach dem Aufstehen, ohne mir irgendwie die Haare zu stylen. Kennt ihr? Na klar! Ich entschuldige mich an dieser Stelle offiziell bei allen Friseur*innen, die tagtäglich mit unseren unrealistischen Erwartungshaltungen arbeiten müssen.

Aber es ist nun mal so: Auf jeder Party, bei jedem Meeting und bei jedem Wein mit Freund*innen kommt das Thema Haare einmal kurz auf. Meistens ist jemand in der Runde mit seiner aktuellen Frisur unzufrieden, glatte Haare wünschen sich Locken, lockige Haare wollen glatte Haare. Und irgendjemand hadert immer mit DER Frage: Pony oder nicht?

To Fringe or not to Fringe?

Das ist hier die Frage. Doch woher kommt unsere Obsession mit den kurzen Haarsträhnen auf unserer Stirn, die anscheinend Leben verändern, Trennungsschmerzen heilen und unseren kompletten Style von 0 auf 100 pushen können? Diese Frage hat sich schon 2008 Jetzt.de gestellt: „Mädchen, erklärt mal das Geheimnis der Pony-Frisur!“ lautet der Titel des nicht mehr ganz so zeitgemäßen Artikels in Sachen Gender-Stereotype. „Warum immer wieder die Frage ‚Würde mir ein Pony stehen?‘. Ihr sprecht davon, als wäre es irgendwie mehr als die Summe der einzelnen Haarteile. Pony als Lebenseinstellung?“

Ja, lieber Autor des Artikels, Pony ist eine Lebenseinstellung. Genauso wie Yoga am Morgen, Journaling oder ein Tattoo. Denn ganz ehrlich, wie lange dauert eine Tattooentfernung? Ich glaube, so lange dauert es ungefähr auch, bis das Pony wieder rausgewachsen ist – wenn nicht sogar noch länger.

Trotzdem machen wir es immer wieder! Warum? Weil ein Pony die Möglichkeit ist, seine Persönlichkeit visuell schnell zu verändern. Ein Pony scheint die Chance auf eine neue Identität zu sein, ohne trotzdem bedingungslos das Langhaarmädchen (ich hasse das Wort selbst) zu verabschieden. Frisuren gehen (anders als bei Kurzhaarschnitten) immer noch, Pferdeschwanz und Dutt sind drin und die Veränderung scheint stark, aber nicht zu drastisch zu sein.

Bis man sie dann im Spiegel sieht, jeden Morgen genervt mit Rundbürste und Glätteisen hantiert, nach dem Absetzen der Mütze prüfend in die Handykamera blickt, die Hautpflege auf „unrein im Stirnbereich“ umstellen muss und vor dem Sport verzweifelt überlegt, welche Frisur den herabschauenden Hund am besten mitmacht. Wir alle wissen, dass uns das bevorsteht, wenn man sich für ein Pony entscheidet. Und tun es immer wieder!

Ein Pony verspricht das Je-ne-sais-quoi von Brigitte Bardot, den Bohème Chic von Sienna Miller, das Sixties Flair von Alexa Chung, eine Zeitreise in die Siebziger mit Farah Fawcett oder Abba oder auch den Zeitgeist von Dakota Johnson in Gucci oder Margot Robbie in Chanel. Wenn er richtig geschnitten und gestylt ist, dann ist ein Pony nun mal DIE ultimative Frisur: Verführerisch, intellektuell, lässig und vor allem très parisienne – eigentlich alles Attribute, die nicht an Äußerlichkeiten gebunden sein sollten, aber der Pony scheint sie auf magische Art und Weise zu verbinden.

Ey, wir haben 2022, hast du das gehört, Pony?

Jetzt haben wir aber nun mal nicht mehr 2008, nicht 1970, sondern eben 2022. Und das verändert die Pony-Situation: Nun, am Hin- und Herüberlegen hat sich nichts geändert, aber die Tools, die sind seitdem eindeutig besser geworden:

  • Apps sind unsere Freunde. Klar, Retuschieren ist nicht cool, aber eine Künstliche Intelligenz darum zu bitten, dir mal eben schnell ein Pony virtuell zu schneiden, das ist ziemlich praktisch. Auch Instagram - oder TikTok-Filter gibt es mittlerweile zuhauf, also kann man den ersten spontanen Impuls vielleicht damit schon etwas beruhigen.
  • Ebenso kann man den sozialen Medien danken, wenn man auf der Suche nach Frisuren ist, wenn das Pony gerade wieder herauswächst. Sleeke Buns sind gerade ja eh angesagt, vielleicht kann man damit also das nächste Jahr überbrücken?
  • Trockenshampoo. Eine Erfindung aus dem Haar-Himmel und für mich öfters der letzte Retter an müden Morgen. Auch beim Pony ist es mehr als hilfreich, denn früher musste man es nach jeder Nacht waschen, um es erneut in Form zu bringen. Jetzt kann man sich zumindest mit dem Puderwölkchen abends das morgendliche Shampoonieren unter dem Wasserhahn und die Nackenschmerzen sparen.
  • Der Dyson Airwrap! Halleluja. Ja, 500 Euro für ein Haar-Styling-Tool sind die Kirsche der Privilegien, aber wenn man sich die Lebenszeit von Pony-Trägerinnen ausrechnet, die dadurch gespart wird (und die Nervenzusammenbrüche mit der Rundbürste und dem Föhn in beiden Händen), dann erscheint es mir ernsthaft eine Überlegung wert.

Warum ich den Text gerade jetzt verfasse? Nun, natürlich überlege ich (seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren) wieder, ob ich mir nicht einen Pony schneiden soll. Die Antwort von allen Personen, mit denen ich darüber diskutiert habe: „Lass es!“ Einzig und allein mein Freund stärkt mir noch den Rücken, mein letzter Pony war aber auch vor unserer Beziehung und damit kennt er die seelischen Folgen noch nicht, die mir (und ihm) danach blühen könnten. Ein bisschen Meckern wird's auf jeden Fall geben!

Also liefere ich für euch (und mich) mit ein paar aktuellen Pony-Inspirationen den Tropfen, der das Fass vielleicht zum Überlaufen bringt? Wir werden sehen!

Der Pony-Zyklus

Und wer weiß: Vielleicht es dieses Mal ja auch genau die richtige Entscheidung, sich das Pony zu schneiden! Denn wenn ein Spruch zutrifft, dann: Hinterher ist man immer schlauer – und vielleicht eben auch ausnahmsweise glücklich damit!

In welcher Phase des Pony-Zyklus seid ihr gerade? Eher so Periode (das Drama danach) oder fruchtbare Tage (die Euphorie davor)?

Weitere Artikel werden geladen...