Das Beauty-Verhör mit Jamal Musa

Das Beauty-Verhör mit Jamal Musa

Er ist Make-up-Artist und besitzt genau ein Skincare-Produkt. Willkommen zu dem etwas anderen Beauty-Interview!

Er ist Make-up-Artist und besitzt genau ein Skincare-Produkt. Willkommen zu dem etwas anderen Beauty-Interview!

Ich gebe zu, dieses Interview hat mich überrascht. Ich kannte Jamal Musa nämlich nicht persönlich, als ich ihn für das Interview angefragt habe. Über mehrere Umwege hatte ich sein Profil auf Instagram gefunden und war sooo aufgeregt: Seine Arbeit, sein Stil, seine Entspanntheit. Es war klar: Er ist der perfekte nächste Kandidat für das Beauty-Verhör und ich muss ihn kennenlernen.

Und Jamal war auch gleich dabei. Wir telefonierten an einem sonnigen (in Hamburg, wo Jamal wohnt, regnerischen Tag) am Morgen. Jamal war noch nicht so lange wach, denn während unseres Gesprächs gähnte er ein paar Mal. Sehr sympathisch! Generell war alles, worüber wir sprachen, sympathisch. Aber auch ganz anders, als ich es von einem Make-up-Artist erwartet hätte. In vielerlei Hinsicht werden auch euch die Aussagen von Jamal, der eine ausgiebige Beauty-Routine mit gerade mal einem Produkt hat, überraschen. Ehrlichkeit, Nahbarkeit und vor allem einen Sinn für die Realität, dieses Gefühl hat das Gespräch mit Jamal bei mir hinterlassen. Aber lest doch selbst:

Wie bist du zu deinem Job gekommen? Wolltest du schon immer Hair- und Make-up-Artist werden oder hattest du eigentlich etwas ganz anderes geplant?

Ich habe lange getanzt und wollte eigentlich professioneller Tänzer werden und Tanz studieren. Aber dann hat meine Mama gesagt: „Mach erst etwas Vernünftiges!“ Also habe ich eine Friseurausbildung gemacht und nur nebenbei getanzt. Nach meiner Ausbildung musste ich mich dann entscheiden: Will ich als Friseur arbeiten oder tanzen? Ich habe mich für den Friseur entschieden, bin von Essen nach Hamburg gezogen und habe dann ein Jahr dort gearbeitet.

Dann dachte ich: Boah, ist das langweilig. Ich habe meine Mama gefragt: „Ist das jetzt alles?“ Ich habe ein Praktikum bei Mac angefangen, ein Stipendium an einer Make-up-Schule bekommen und dann meine Ausbildung als Make-up-Artist gemacht. Ich bin da irgendwie reingerutscht und habe echt Glück gehabt.

Was gefällt dir an deinem Beruf? Was unterscheidet ihn vom Friseurdasein von davor?

Man arbeitet internationaler, mit internationalen Leuten. Man ist nie am gleichen Ort, hat immer andere Umstände. Manchmal ist es total heiß, manchmal total kalt. Das ist die Herausforderung und es macht mir sehr viel Spaß.

Wenn du sagst, man ist nie am gleichen Ort und reist sehr viel, fällt dir da auch gleich eine Produktion ein, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Ja, ich habe sieben Jahre lang für „Germanys Next Topmodel“ gearbeitet und vor zwei Jahren waren wir in Costa Rica. Das war einfach der Wahnsinn. Diese Gruppendynamik, das Austauschen von Ideen und Kreativität, das war richtig toll. Und der Rahmen vor Ort, das Meer, alles ist so bunt und kräftig. Wir sind abends zusammen ins Meer gesprungen, waren alle zusammen feiern. Ich bin zurück nach Deutschland gekommen und habe gedacht: „Der Traum ist vorbei.“ Auf guten Produktionen ist man wie in einer Blase, für dich gibt es dann keinen Freund, keine Familie, kein Deutschland. Du bist in einer anderen Welt.

„ „Aber klar, auch ich denke oft: Es ist so sinnlos, was ich mache. Mein Freund ist Lehrer. Er bildet Menschen! Und ich? Ich schminke ein Model.“ “

Was ist der Unterschied, wenn man Make-up und Haare fürs Fernsehen macht anstatt für Magazine?

Fernsehen ist eine einzige Show. Für ein Foto kannst du einen Moment perfekt inszenieren, kannst das Licht regeln, den Wind zufächeln, das Model bewegt sich nicht. Im Fernsehen bewegen sie sich die ganze Zeit, geben Interviews, moderieren. Da ist es nicht so einfach, denen ständig hinterherzurennen und zu schauen, dass die eine Strähne perfekt liegt.

Mit welchen Brands arbeitest du besonders gerne in deinem professionellen Kit?

Ich gucke immer, dass alles auch hochwertig aussieht, für Models und Celebrities ist das wichtig. Das verbindet man dann natürlich auch mit Luxusmarken. Der Trend gerade geht ja zu nachhaltig und vegan, auch dort versuche ich mitzuziehen. Ich habe auch gerne Brands im Portfolio, die normale Endkonsument*innen nicht im Badezimmer stehen haben, wie z.B. Glossier oder Tom Ford. Charlotte Tilbury hat auch tolle Produkte, Fenty mag ich auch. Ich habe aber nicht dieses EINE Produkt, das ich unbedingt brauche.

Von außen betrachtet denken ja viele, dass die Arbeit eines Make-up-Artists sehr oberflächlich ist. Was entgegnest du ihnen? Warum ist dein Job wichtig, warum bedeutet er dir so viel?

Ich mag die Kreativität meines Jobs. Aber klar, auch ich denke oft: Es ist so sinnlos, was ich mache. Mein Freund ist Lehrer. Er bildet Menschen! Und ich? Ich schminke ein Model. Was man aber nicht vergessen darf, ist, was mein Job bei Frauen bewirken kann. Wenn ich zum Beispiel eine Braut schminke und sie sich so noch nie gesehen hat und sich unfassbar schön findet und dann weint. Make-up kann Frauen das Gefühl von Sicherheit und Schönheit geben.

Viele Frauen kämpfen mit den Schönheitsidealen unserer Gesellschaft. Sie denken, sie müssen dünn sein, sie müssen curvy-juicy sein, sie müssen lange Haare haben, dicke Lippen, große, mandelförmige Augen, große Brüste. Wenn eine Frau das nicht verkörpert, dann fühlen sich manche Frauen einfach alles andere als schön. Mit Make-up und Haar-Styling kann man Frauen etwas für den Moment schenken. Das ist meine Herausforderung: Ich will Frauen glücklich machen und so schön, dass sie vom Glauben und vom Stuhl (ab)fallen!

Macht dir deshalb die Arbeit mit Endverbraucher*innen mehr Spaß?

Nein, das sind schon die Produktionen. Ich kann dort kreieren und eine Person komplett verwandeln. Bei den Endverbraucher*innen hört man dann eher schon mal Sätze wie „Also die Augenbrauen da oben so, ich weiß nicht. Die Lippenstiftfarbe steht mir nicht. Ich fühle mich nicht wohl.“ Ein bis zweimal im Jahr macht mir das auch sehr viel Spaß, aber mein Steckenpferd sind und bleiben professionelle Produktionen und der Modebereich. Models werden für den Moment bezahlt und ich kann sie dann verwandeln.

Models müssen ihren persönlichen Geschmack ja auch komplett ablegen, bei Endkonsument*innen geht es ja genau darum.

Also wenn ich ehrlich bin, muss ich meinen Sinn für Ästhetik manchmal auch ablegen. Kunden auf Produktionen haben oft Wünsche, wo ich mir denke: „Boah, ne“, aber ich muss es dann trotzdem machen. Die Schwierigkeit ist nämlich gar nicht das Handwerk, sondern die Umstände. Manchmal ist es zu warm, zu kalt, zu windig. Und dann hast du einen Kunden, der ein Jahr lang die Produktion für den Katalog oder die Strecke in seinem Büro mit seinem Team vorbereitet hat, mit Moods und allem Drumherum. Wenn dann etwas in der Umsetzung nicht so klappt, wie sie es sich vorgestellt haben, muss man herausfiltern: Lohnt es sich hier jetzt etwas anderes vorzuschlagen? Es gibt Kunden, denen ist deine Meinung wichtig und manchen eben nicht.

Egal ob Model oder Endverbraucher*in – du hast es ja schon gesagt, Frauen unterliegen enormen Schönheitsidealen. Wie geht man damit als Hair- und Make-up-Artist um?

Ich versuche den Frauen zu vermitteln, dass das ja nur ein beliebiges Ideal der Gesellschaft ist. Wer sagt denn, was schön ist?! Versuch dich auszuklinken. Wenn du dich selbst wohl und gut fühlst, dann strahlst du das auch aus.

„ „Ich wünsche mir, dass sich in der Beautybranche alle mal ein bisschen entspannen.“ “

Sich jeden Tag mit Schönheit zu beschäftigen, ist das Fluch oder Segen?

Dadurch, dass ich ein Mann bin, beschäftige ich mich privat gar nicht mit Schönheit und privat bin ich überhaupt nicht Beauty-affin. Ich habe eine einzige Creme im Badezimmer, knipse mir die Nägel ab, wenn sie zu lang sind und rasiere mich, wenn mein Bart zu lang wird. Ich stehe nicht mit Peelings und tausend Cremes im Badezimmer und bin auch nicht der Typ, der sich mit den neuesten Shoppingtrends auseinandersetzt. Ich beschäftige mich damit auf der Arbeit, privat habe ich dazu keine Lust.

Aber klar, ich versuche auch mal, meine Nägel zu feilen, damit sie für die Arbeit schön aussehen oder ich merke, ich brauche mal wieder neue Schuhe oder neue Klamotten für die Arbeit, sodass ich wieder vernünftig aussehe. Aber auch vom Kleidungsstil bin ich eher schlicht, dunkelblau, schwarz, weißes T-Shirt, blaue Jeans. Ganz entspannt.

Das klingt nach einer gesunden Distanz zu deinem Job. Was ist dein Ausgleich?

Da habe ich letztens auch lange mit einer Freundin drüber gesprochen und eigentlich glaube ich, dass mein Job trotzdem mein Hobby ist. In meiner Freizeit mache ich viele Testshootings für mein Portfolio und Social Media, um potenziellen Kunden zu zeigen, was mein Stilempfinden ist. Das ist mein Hobby.

Als Ausgleich würde ich meine Freunde, meine Familie und meine Beziehung bezeichnen. Die kommen alle aus anderen Bereichen und mein Job interessiert die gar nicht. Auch wenn ich mal Beauty-Produkte übrig habe oder aussortiere, dann wollen meine Freunde und meine Familie gar nichts davon: „Oh ne, das brauch ich nicht, schenk das lieber jemanden, der sich darüber freut.“ Also habe ich neulich Tüten fertig gemacht und habe die unter meinen Nachbar*innen verteilt, die haben sich natürlich mega gefreut.

Stört dich das oder findest du diese Einstellung zur Beauty-Industrie gut?

Ich wünsche mir, dass sich in der Beautybranche alle mal ein bisschen entspannen. Wenn man kurze Haare hat, ist die Welt nicht vorbei, wenn die Follower*innen weniger sind, muss ich nicht gleich mit meinem Auto gegen die Wand fahren und auch nicht alle paar Sekunden checken, was für Kommentare ich unter meinem Bild bekommen habe. Man sollte das alles nicht so ernst nehmen. Ich mag meinen Job, er macht Spaß, er ist artsy und cool und ich bin froh, dass ich ihn machen darf, aber ein bisschen Zwinker-Smiley muss auch dabei sein.

Dann lass uns doch jetzt über deine sehr aufwendige, komplizierte Pflegeroutine sprechen. Kannst du mir wenigstens die paar Produkte verraten, die du regelmäßig benutzt?

Ich benutze von Drunk Elephant die „Lala Retro Whipped Cream“, das ist eine ganz normale, vegane Feuchtigkeitscreme. Ich habe zum Glück gute Haut. Das war's. Mehr mache ich nicht. Ich benutze noch eine Handcreme von Weleda und das Duschgel, was mir gerade in die Finger kommt. Manchmal auch eine Seife, die ich schön finde und die gut riecht.

Dann ist meine nächste Frage bestimmt hinfällig: Benutzt du selbst auch manchmal Make-up?

Nein, gar nicht. Ich habe mich in der Make-up-Schule mal schminken lassen und habe ein paar Sachen an mir versucht. Funktioniert überhaupt nicht.

Wie findest du es denn dann, dass immer mehr Brands wie z.B. Chanel auch Make-up-Produkte speziell für Männer lancieren?

Die Beauty-Welt und die Schönheitsideale beziehen die Männer ja genauso ein wie die Frauen. Männer denken ja auch: Ich muss groß sein, ich brauche breite Schultern, ich muss schlank sein, ich brauche Muskeln und volles Haar, am besten noch einen Dreitagebart. Wenn man auf Instagram scrollt, sieht man ja diese ganzen Sixpack-Männer.

Wenn Männer sich mit Make-up wohlfühlen, dann finde ich das vollkommen in Ordnung. Tatsächlich tut es ja manchmal auch was, wenn man die Augenbrauen hochbürstet, die Augenringe kaschiert oder Lippenpflege aufträgt. Dann sieht ein Mann ja auch frischer aus. Ich persönliche mache das aber nicht, sondern nur, wenn ich für ein Foto will, dass ein Mann fit und fresh aussieht. Mehr ist vom Kunden meist auch nicht gewünscht.

Und zur letzten Frage: Mit welchem Beauty-Brand würdest du für dein Leben gerne zusammenarbeiten?

Hm, darüber habe ich wirklich noch nie nachgedacht. Spontan würde ich sagen: Tom Ford Beauty. Oder Gucci Beauty Oder Chanel?

Jamals ausgiebige Beauty-Routine:

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  • Fotos:
    via Jamal Musa

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