1 Jahr Muttersein
Wird aus einem Baby ein Kleinkind und aus einer Anfängerin ein Vollprofi?
Teaser: Natürlich ändert sich mit dem 1. Geburtstag nichts schlagartig. Trotzdem ist es ein guter Zeitpunkt als Mutter, das vergangene Jahr und die Veränderungen im Leben zu reflektieren
Theo hat an seinem ersten Geburtstag seine ersten Schritte gemacht. Mila hat auf ihre Torte gezeigt und „Kuchen“ gesagt. Der erste Geburtstag scheint im Leben eines Kindes vieles zu bewirken: Laufen, Zähne, Sprechen, Verstehen, Abstillen. Jede*r hat eine gute Story von der ersten Geburtstagsfeier parat. Spoiler: wir nicht. Bei uns war der erste Geburtstag unseres Sohnes zwar auch ein emotionaler und besonderer Tag, mit Geschenken, ganz viel Schaukeln und jeder Menge Luftballons, aber es wurde nicht gelaufen, gesprochen oder sonst ein erstes Mal begonnen. Es war einfach ein schöner Tag.
Und das fasst mein erstes Jahr Muttersein eigentlich auch ziemlich gut zusammen. Nach einem Jahr ist alles zur Routine geworden: Windeln werden in 1,2 Sekunden gewechselt, Snacks bereitet man irgendwie nebenbei vor und hat in jeder Jacken- und Handtasche immer etwas parat, das Buddelzeug wird endlich nicht mehr vergessen und generell hat man sich daran gewöhnt, dass da einfach immer ein kleiner Mensch bei allem dabei ist – und soll er nicht dabei sein, dann braucht es dafür jede Menge Organisation.
Ganz am Anfang, als ich frisch im Wochenbett lag, meine Nase an der Fensterscheibe beim Blick auf die Menschen auf der Straße wie ein Goldfisch im Glas plattdrückte und darauf hoffte, dass mein „altes Leben“ irgendwann zu mir zurückkehren würde und ich jemals wieder ohne Wochenbetteinlagen und Still-BH das Haus verlassen könnte, hätte ich mir das nicht vorstellen können.
Obwohl ich mir immer Kinder gewünscht und die ganze Schwangerschaft keine Sekunde an meiner Entscheidung gezweifelt hatte, war der Schock nach der Geburt groß: Das ist jetzt also mein Leben?!
Spätestens mit der ersten beruflichen Reise mit Maxi-Cosi und Freund im Gepäck wusste ich: Es geht weiter. Ich werde irgendwann wieder ich sein. Nach meiner Rückkehr aus dem Mutterschutz kehrte mit meiner Arbeit auch ein großer Teil meiner Selbstsicherheit zurück. Mein Körper heilte, meine Gelassenheit wuchs und damit ließ auch der Schock der Wochenbettzeit langsam nach.
Und truth be told, der Spruch „Die Tage sind lang, die Jahre sind kurz“, stimmt leider – auch wenn es mir an manchen Tagen genau andersherum vorkam, wenn ich um 17 Uhr immer noch im Schlafanzug auf der Couch saß und mich fragte, wann eigentlich das Frühstück an mir vorbeigezogen war. Andere Tage wiederum zogen sich zäher als der begehrte glitzernde Schleim und fühlten sich wie ein nie enden wollender Marathon aus Stillen, Windelnwechseln, Tragen, Vorlesen und in den Schlaf begleiten an.
Vor ein paar Wochen auf einem großen Geburtstag fragte mich eine Bekannte: „Wie hat das Muttersein dich verändert? Es hat aus mir einen anderen Menschen gemacht und meine ganze Welt einmal durcheinandergewirbelt.“ Diese Frage hat mich zum Grübeln gebracht. Denn ganz ehrlich? Ich fühle mich nicht verändert, meine Welt fühlt sich nicht komplett durcheinander gewirbelt an und mein Leben ist in großen Teilen ähnlich wie es vorher war – und eben doch komplett anders.
Dass ich direkt nach dem Mutterschutz wieder in Teilzeit angefangen habe zu arbeiten und mir mit meinem Freund die Carearbeit gerecht aufgeteilt habe, hat dazu sicherlich den größten Teil beigetragen. Dadurch hatten wir schnell wieder einen Tagesrhythmus, ich war im Austausch mit Kolleg*innen, meinem Team, war mental (manchmal zu sehr) gefordert und vier Stunden am Tag – wenn es gut lief – eben einfach wieder die Person, die ich vor der Geburt auch war.
Trotzdem hat Muttersein mich verändert: Neben dem Fakt, dass ich mindestens zweimal in der Woche bei DM bin, bin ich stärker und mutiger geworden. Ich stehe nicht mehr nur für mich und meine Bedürfnisse ein, sondern eben auch für die meines Kindes, beschütze es vor ungestümen Kindern auf dem Spielplatz, fremden Händen und dem ein oder anderen blöden Spruch, Erziehungsartefakt anderer Generationen oder Gender-Vorurteil. Ich lerne Neues, überkomme eigene veraltete Denk- oder Handlungsweisen und versuche einfach, ihm in meinem Handel ein Vorbild zu sein. Ach ja, und ich kann die Playlist „Kita-Hits“ auf Spotify jetzt auswendig.
Apropos Kita, die fängt bald an und mein Herz blutet. Auf der einen Seite merke ich, wie ich beruflich mehr Luft zum Atmen und Zeit zum Arbeiten brauche, auf der anderen Seite möchte ich meinen Sohn immer bei mir haben – und von früh bis spät mit ihm Zeit verbringen. In der Selbstständigkeit ist Fremdbetreuung aber nun mal unabdingbar, damit die Miete bezahlt werden kann. Gleichzeitig freue ich mich für ihn, dass er mehr Kontakt mit Gleichaltrigen hat und neue Dinge lernen wird.
Und während er neue Dinge lernt, werde auch ich das tun: Loslassen, Zeit für mich haben, neue Projekte verwirklichen, E-Mails wieder zeitnah beantworten, Freundschaften pflegen, Bücher über zeitgeistige, bedürfnisorientierte Erziehung lesen und heißen Kaffee in Ruhe trinken. Und in einem Jahr sprechen wir uns dann spätestens wieder, wenn ich den ersten Winter mit Kitaviren überlebt habe!