Montana oder Memphis?
Montana oder Memphis?
Montana oder Memphis?

Montana oder Memphis?

Zusammen mit der Künstlerin Walala geht Montana das Grau der Stadt an

Denn ihre Fabrik in Dänemark erstrahlt ab sofort in einem Wandbild der Künstlerin

Montana kann Farbe. Das haben sie 2019 bewiesen, als sie ihre neue Farbpalette von 42 Farben gemeinsam mit der Farbexpertin Margrethe Odgaard launchten. Seitdem kommt keine Langeweile bei dem dänischen Unternehmen auf: Mit 42 Farben scheinen sich unendlich viele Kombinationen und Möbelstücke erstellen zu lassen, das wird immer wieder klar, wenn Saison für Saison neue Zusammenstellungen gelauncht werden – die allesamt andere Themen wie „Playful Optimism“, „Anything goes“ und „Less is calm“ haben.

Diese Saison widmet sich Montana mit ihrem ikonischen Modulsystem dem Thema „Maximum Memphis“. Und hat dazu nicht nur die schönsten Möbel zusammengestellt – sondern auch gleich einer Stadt mit einem sehr bunten Gebäude einen neuen Anstrich verliehen.

It's playful, it's Memphis

Doch kommen wir erstmal zum Thema „Memphis“. Das Design der postmodernen Mailänder Gruppe ist gerade wieder überall zu sehen: Schwarz-weiße Elemente clashen mit jeder Menge Farbe, Maximalismus kommt vor Minimalismus und Formen und Kontraste werden eher verspielt als ernst eingesetzt. Ettore Sottsass, Architekt, Designer und Vorreiter der Bewegung, gab ihr den Namen bei einem Treffen, zum einen aus Anlehnung an die ägyptische Stadt, zum anderen als Hommage an den Wohnort von Elvis Presley. Ihr merkt, der Mann hatte keine Angst vor Kitsch – und seine Werke wie das berühmte Regal Carlton überstehen seitdem jede Minimalismus-Trendwelle bestens.

Zurück zu Montana

Was hat Montana nun mit den 80er-Jahren und der Memphis-Design-Bewegung zu tun? Nun, vieles! Denn den saisonalen Fokus legt das Brand jetzt auf kräftige Farben, gepaart mit schwarz-weißen Elementen und Akzenten. Eine andere Künstlerin, die mit ihren Farben und Mustern regelmäßige Zeitreisen in die wilden Achtziger unternimmt, ist Camille Walala.

Die Französin ist für ihre Wandmalereien und riesengroßen Installationen bekannt. Geboren in Frankreich aber mit Sitz in London ist sie die Expertin für eklektische Farbgestaltungen, postmoderne Relief-Muster und vor allem für dreidimensionale Elemente. Mit klaren Linien und Farbflächen verpasst sie Gebäuden neue Gesichter, einer Fassade eine ganz neue Form und vor allem grauen Städten jede Menge gute Laune und Buntheit.

Den Hauptsitz von Montana, der im ländlichen Haarby auf der Insel Fünen, die rund zwei Stunden entfernt von Kopenhagen, gelegen ist, ist eine typische Kleinstadt: Familienhäuser, viel Grün, ein kleiner Supermarkt – und eine große Fabrik, in der seit 1982 nicht mehr Marmelade, sondern das Modulsystem von Gründer Peter J. Lassen hergestellt wird.

Hier werden immer noch alle (!) Sideboards, Kommoden und alle anderen Stücke, die sich aus dem System kreieren lassen, produziert, das Material kommt ebenfalls aus Europa, die Farben und Lacke werden mit einem niederländischen Unternehmen gemeinsam hergestellt, sie alle sind auf Wasserbasis und somit nicht gesundheits- oder umweltgefährdend.

Dass es drinnen also bunt ist, davon konnte ich mich auf der Pressereise mit Montana nach Kopenhagen und Haarby vor einem Monat selbst überzeugen. Obwohl die meisten Bestellungen immer noch in sehr neutralen Farben eingehen und Weiß immer noch der Bestseller ist. Doch dass sich Menschen immer mehr Farbe in ihren Büros, Wohnungen und Häusern zutrauen, das merkt Montana auch anhand steigender Bestellungen in knalligeren Farbtönen.

Also wurde es höchste Zeit, die Farbe auch in den Außenraum zu holen, oder? Und genau das hat Montana mit Camille Walala getan!

Die Walala World

Anlässlich des 40. Geburtstages des Unternehmens wurde die Künstlerin damit beauftragt, die Fabrik im ländlichen Haarby in eines ihrer Werke zu verwandeln. Mit jeder Menge Montana-Farben (denn nur die durfte sie verwenden) und viel Fantasie wurde auch der vorher grauen Fabrik ein Wunderland, bei dem auch Willy Wonka wohl ein bisschen neidisch werden würde.

Doch Camille Walala will mit ihrer Kunst viel mehr schaffen, als nur dekorativ zu sein. Als Künstlerin hat sie einen langen Weg hinter sich, mit ihren farbenfrohen Räumen und Gebäuden verfolgt sie ein klares Ziel. Und genau darüber habe ich mit ihr im Interview (im Reisebus auf dem Weg zur Fabrik) gesprochen.

Weise Worte, davon hatte die lebensfrohe Französin im knallbunten Outfit mit riesigem Hut und großen Ohrringen jede Menge. Wenn ihr also gerne und viel kreativ seid – und das vielleicht auch noch beruflich – dann solltet ihr das Interview bis zum Ende lesen. Da sind viele Tipps und Erfahrungen dabei, die ich mir nochmal in mein Notizbuch geschrieben habe und seitdem öfters darüber nachdenke:

Kannst du dich an den Moment erinnern, in dem du deine eigene Designsprache gefunden hast?

Ich glaube, das war, als ich das Studium abgeschlossen hatte. Ich bin in den 80er-Jahren aufgewachsen und kannte das Memphis-Design, weil mein Vater Architekt war und er einige Design-Elemente in unserem Haus hatte, die ziemlich bunt waren. Als ich zur Universität ging, wurde ich von Memphis inspiriert. Was mich am meisten inspirierte, war, etwas Fröhliches zu machen, mit Mustern und bunt, verspielt, ohne sich selbst so ernst zu nehmen. Das war also meine anfängliche Arbeitsweise, und dann entwickelte sich langsam mein Stil. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich ihn wirklich mochte.

Fielst du in der Universität mit deinem super bunten Design auf?



Ich war ein bisschen älter als die anderen, als ich mit dem Studium begann. Davor habe ich Literatur studiert und das hat mir nicht so gut gefallen. Als ich dann zurück an die Uni ging, war ich 28 Jahre alt und wusste schon ein bisschen mehr, was ich machen wollte. Mein Stil war da. Wenn man sein Studium abschließt und sein finales Projekt macht, muss man ein Thema wählen. Meines war natürlich Memphis. Und ich war die Erste, die das an der Universität gemacht hat.

Ich habe auch gelesen, dass du lange darum kämpfen musstest, für deine Arbeit bezahlt zu werden.

Ich wusste, ich möchte nicht von Montag bis Freitag in einem Büro arbeiten. Ich wusste einfach nicht, was ich mal werden sollte. Es hat lange gedauert, bis ich bezahlt wurde, und ich habe viele Dinge umsonst gemacht. Und es geht dabei nicht um das Geld, sondern um den eigenen Wert. Du willst wissen, dass die Leute dich nicht nur wählen, weil du es umsonst machst, sondern weil sie bereit sind, für dich und deine Arbeit zu bezahlen. Das gab mir damals Selbstvertrauen.

Glaubst du, dass dieser Weg schwieriger oder einfacher geworden ist für aufstrebende Künstler*innen? Jetzt ist Instagram ja auch ein wichtiges Medium, um bekannt zu werden ...

Das hat sich sehr verändert. Ich liebe und hasse Instagram. Am Anfang war es für mich ein visuelles Tagebuch. Ich habe es einfach geliebt, Fotos von irgendwelchen Details zu machen. Aber dann gingen meine ersten Arbeiten viral. Instagram war eine Art Agentur für mich, ich hatte damals noch keinen Agenten. Jetzt ist es zu viel, jeder versucht, sich zu verkaufen. Wenn ich zu viel Zeit auf Instagram verbringe, fange ich an zu kopieren. Ich fange an, die gleichen Farben wie alle anderen zu verwenden, lasse mich von Trends beeinflussen. Du musst mehr Zeit in deiner eigenen kreativen Bubble verbringen. Vergleiche dich auf Instagram nicht zu sehr.

Was ist deiner Meinung nach so zeitlos an Memphis?

Dass es nicht sehr beliebt ist. Damals, als ich studierte, war es nicht so populär wie heute. Wahrscheinlich ist es jetzt so populär, weil die Menschen gerade jetzt mehr Farben und Freude in ihrem Leben brauchen. Man kann wirklich sehen, was Farben bewirken können, sie bringen sofort Freude.

Die Städte werden größer und größer und immer grauer. War das auch der Grund dafür, dass du Häuser bunt streichen wolltest?

Ich komme aus der Provence und dort ist es wirklich bunt. Vor allem die Häuser. Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Marseille. Mein Vater war Architekt in Paris und er war sehr minimalistisch, sehr grau und hatte nur ein bisschen Memphis in seinem Haus, aber nicht zu viel. Meine Mutter lebte in einem kleinen, gemütlichen Haus, jedes Zimmer eine andere Farbe, also habe ich keine Angst vor Farben, das habe ich dort gelernt. Also habe ich beides kombiniert. Als ich nach London ging, habe ich diese Farben vermisst. Oh mein Gott, die Winterzeit dort ist hart. Kommt schon, Leute, warum mögt ihr keine Farben? Das versuche ich zu ändern!

In London wollen die Leute, dass ich ihren Gebäuden ein neues Leben einhauche. Das Erste, das ich gemacht habe, war wirklich kein schönes Gebäude, aber durch das Einbringen von Mustern und Farben in einer dynamischen Art und Weise wurde es komplett zum Leben erweckt.

Was glaubst du, warum die Menschen so viel Angst vor Farben haben?



Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste es. Als Designerin ist es eine große Herausforderung, es mit Farben richtigzumachen. Es ist knifflig, weißt du. Man braucht auf jeden Fall mehr Wissen, als wenn man alles nur Beige Beige Beige einrichtet. Das ist eine sichere Variante, bei der nicht viel schiefgehen kann. Vielleicht trauen die Leute ihrem eigenen Geschmack nicht. Selbst ich frage mich, ob mein Outfit heute Morgen eine gute Wahl war: Ich habe versucht, mit meinem Outfit die Farben von Montana nachzubilden, dann kamen Zweifel: zu viel? Aber mit einem Gebäude oder Inneneinrichtung ist es nicht wie mit einem Outfit, das man am nächsten Tag wechseln kann.

Gibt es eine Möglichkeit, den Umgang mit Farben zu lernen?

Als ich mich mit Margrethe unterhielt, sagte sie, dass genau das jetzt ihr Job ist und sie Farben für verschiedene Kunden einsetzt, aber ursprünglich vertraute sie ihrem Instinkt. Man lernt man einfach, was die Leute erwarten oder wollen. Wenn ich mich morgens anziehe, frage ich mich als Erstes: Was passt von den Farben und Mustern her zusammen? Man muss einfach auf seinen Instinkt vertrauen. Ich wünschte, es gäbe eine Farbschule.

Was ist so faszinierend an Schwarz und Weiß?

Es bringt die Farben so viel mehr zur Geltung, als würde man dem Design eine weitere Dimension hinzufügen. Bei dem Entwurf für Montana habe ich alle ihrer Farben verwendet, und normalerweise setze ich zwischen jede Farbe Schwarz, damit sie noch mehr zur Geltung kommt, kontrastreicher wird. Die schwarze Linie zwischen den einzelnen Farben ist von afrikanischen Stämmen inspiriert, die schwarzen und weißen Streifen hat Memphis gemacht.

„ Ein paar Jahre lang hatte ich eine Art Formel, die jeder wollte, damit wurde ich berühmt. Und dann wurde mir langweilig. “

Was ist die größte Herausforderung bei überdimensionalen Wandbildern wie bei Gebäuden?

Nehmen wir mal das Gebäude von Montana. Es ist riesig und massiv. Normalerweise mag ich es, mit der Architektur zu arbeiten, mit den Einschränkungen der Fenster, aber dieses hat nicht so viele Fenster, sodass es sich wie eine weiße Leinwand angefühlt hat, was mir Angst gemacht hat. Es ging viel darum, Balance und Ruhe in die verschiedenen Gebäuden und Höhen hereinzubringen.

Wie kann ich mir den Prozess deiner Arbeit vorstellen? Du hast gesagt, es fühlt sich an wie eine weiße Leinwand. Beginnst du mit Farben oder einem Muster?

Ich arbeite gerne mit den Einschränkungen, ein Fenster kann ein möglicher Ausgangspunkt sein. Bei der weißen Wand des Montana-Gebäudes habe ich an die modularen Formen gedacht. Es geht um Montana, um ihr modulares System, mit dem man seine eigenen Möbel kreieren kann. Also dachte ich, es wäre schön, Formen zu stapeln, und ich habe auch mein eigenes Formenlexikon, das ich gerne verwende.

Hast du als Künstler*in Angst, dass du deiner Arbeit irgendwann müde wirst oder sie nicht mehr magst?

Ah ja, das passiert gerade jetzt! Ich glaube, es ist eher so, dass ich lange gebraucht habe, um meinen Stil zu finden, und dann ist man immer sehr selbstkritisch: Ah, das ist nicht gut genug. Vor allem als Frauen sind wir, glaube ich, selbstkritischer als Männer. Ein paar Jahre lang hatte ich eine Art Formel, die jeder wollte, damit wurde ich berühmt. Und dann wurde mir langweilig. Ich war verloren. Ich habe mir ein Stück Papier genommen und einfach drauflos gekritzelt. Ich wusste nicht mehr, was ich tue, und ich habe eine Zeit lang gar nicht gearbeitet. Ich war verloren, aber ich habe es geliebt. Man muss dem Prozess vertrauen und sich selbst treu bleiben. Manche Leute wollen ihr ganzes Leben lang das Gleiche machen. Aber ich brauchte eine Veränderung. Natürlich war es riskant, aber solange ich glücklich bin ... ist es eine Reise. Sogar bei der Farbwahl: Ich führe neue Farben ein, zum Beispiel ein Braun. Und ich weiß nicht, ob die Leute das mögen werden, aber das wir werden sehen.

Was tust du, wenn du mit einer Idee nicht weiterkommst?



Ich merke mehr und mehr, dass man als kreativer Mensch echte Pausen braucht. Im Urlaub habe ich immer mein Skizzenbuch dabei. Und dann hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich es nicht benutze. Ich hatte ein Burnout. Jetzt mache ich viele verschiedene Dinge, die nichts mit der Arbeit zu tun haben: ins Kino gehen, spazieren gehen – und irgendwie wird man inspiriert, wenn man nicht so viel Druck hat. Weniger Arbeit. Ausgeglichenheit. Mir Zeit nehmen. Früher habe ich viel mit dem Computer gearbeitet, jetzt mache ich es viel mehr auf dem Papier. Das ist nicht so produktiv, aber es macht mir einfach Spaß.

Vielen Dank, liebe Camille, für das tolle Interview und deine offenen Worte!

Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.

Weitere Artikel werden geladen...