Frischer Wind in alten Gemäuern
In Deutschland ist Monies noch ein Geheimtipp. Bis jetzt!
Karl Monies übernimmt als Kreativdirektor das Schmucklabel seiner Eltern. Jetzt wird dort einiges anders: Diversität, Einzigartigkeit und vor allem ein Feingefühl für die Natur charakterisieren die Brand
Es ist windig und kalt an einem Juni-Tag, an dem ich mit schnellem Schritt zum Kopenhagener Kastell am Hafen eile, einer sternförmigen Festungsanlage aus dem 17. Jahrhundert. Zur rechten Seite liegt ein großes Militärschiff, zur linken Seite ein schwarzes Banner mit weißen Buchstaben: „Monies 1973“ steht darauf. Das Headquarter des gleichnamigen Schmucklabels hätte sich kaum einen geschichtsträchtigeren Ort aussuchen können. Und obwohl man meinen könnte, dass in den alten Gemäuern die Luft steht, weht dort ein frischer Wind.
Denn als Karl Monies, der neue Creative Director und Sohn des Gründerpaares Gerda und Nikolai Monies, zur Tür hineineilt, ist klar: Hier wird sich einiges ändern. An den Füßen die Trend-Schuhe Kopenhagens, Salomon Sneaker, die Arme komplett tätowiert, ein schlichtes weißes T-Shirt und mit einer silbernen Kette um den Hals, entschuldigt er sich erstmal für sein Zuspätkommen: Zwei der drei Kinder sind krank, er musste zum Kinderarzt.
Ich verneige mich innerlich (na gut, auch äußerlich) vor ihm, gönne ihm noch einen Schluck Wasser und beginne dann ihn mit meinen Fragen zu löchern, umgeben von 12 Millionen Jahre alten Geoden aus Südamerika, 40 Millionen Jahre altem Bernstein aus Osteuropa und prähistorischen Haifisch- und Mammutzähnen. Hier wird Geschichte geschrieben – oder zumindest aufgefädelt. Wer Monies trägt, der will ein Statement setzen, wer die Marke, die bisher nur wahre Schmuck-Connaisseur*innen kannten, neu branden will, muss einiges verändern. Und genau davon erzählt mir Karl im Interview:
Wie fühlt es sich an, nach 50 Jahren das Erbe seiner Eltern zu übernehmen?
Es ist erfüllend und eine große Ehre, ich fühle mich demütig. Ich habe immer mein eigenes Ding gemacht – und ich respektiere das Erbe, aber muss ihm auch gerecht werden. Da ist eine Grundlage, viele Entscheidungen, z.B. die Ästhetik, wurden in gewisser Weise bereits getroffen.
Trotzdem bist du nach dem Studium ja eben nicht direkt ins Familienunternehmen eingestiegen. Dafür gibt es einen Grund, oder?
Meine Eltern haben mich schon sehr früh gefragt und ich dachte: „Nein, das mache ich nicht, das ist nicht mein Ding, ich will Kunst machen.“ Und als ich mein erstes Kind bekommen habe, fing ich an, mich mit funktionaler Kunst zu beschäftigen. Auf einmal hat alles Sinn gemacht. Ich habe auch gemerkt, dass meine Eltern älter werden und Monies nicht für immer weiterführen können. Corona war dann der perfekte Sturm, ich bin ein paar Jahre lang Teilzeit ins Unternehmen eingestiegen und haben hier im Design gearbeitet.
Da habe ich es dann gesehen, das Potenzial, das nie wirklich ausgeschöpft wurde, denn meine Eltern sind wirklich exzellente Designer und Handwerker, aber sie haben sich nie auf die Zahlen konzentriert. Zusammen mit Sarah, die jetzt Geschäftsführerin ist, habe ich die große Chance gesehen, das Unternehmen in gewisser Weise noch besser zu machen.
Wolltest du sofort etwas drastisch verändern?
Nicht drastisch, aber es gibt eine Menge Dinge, die ich klarer gestalten werde. Wir lassen ein paar Dinge weg – und werden so für Menschen leichter zu verstehen.
Manchmal hängen deine Eltern hier ja noch herum. Für manche Menschen wäre das sicherlich ein Albtraum, mit den Eltern zu arbeiten. Denkst du manchmal: „Lasst mich hier einfach in Ruhe mein Ding machen!“?
Es war nicht immer einfach, in Familien rutscht man ja oft in Verhaltensmuster ab. Es fiel ihnen auf jeden Fall schwer, sie sind älter, da ist es eben nicht mehr leicht, eine neue Sichtweise auf Dinge zu bekommen. Ich habe es mir also selbst zur Aufgabe gemacht, damit umgehen zu können. Es gab auch Zeiten, in denen ich mich gefragt habe, ob ich das Richtige tue. Aber ich bin froh, dass wir es alle gemeinsam durchgezogen haben. Jetzt habe ich eine bessere Beziehung zu ihnen als vorher, weil wir viele Diskussionen hatten, die dafür gesorgt haben, dass wir ehrlich zueinander sind. Jetzt kann ich ihnen auch sagen: „Das ist nicht mehr dein Aufgabenbereich, bitte misch dich nicht ein.“ Ich wurde ihr Boss und das war, glaube ich, auch für sie ein befreiender Moment, diese Verantwortung endlich abgeben zu können.
Ja, jetzt kümmert sich jemand um ihr Baby.
Oh ja, ich sage ja immer, dass Monies ihr erstes Kind war. Schließlich ist das Unternehmen zehn Jahre älter als ich – und es war in unserer Familie immer präsent. Beim Abendessen wurde über das Geschäft geredet, Familie und Business immer vermischt. Ich setze zwischen Beruflichem und Privaten viel striktere Grenzen.
Wie willst du es denn schaffen, Monies zu verändern, ohne seine DNA zu verlieren?
Hm, ich glaube, die Entwicklung ist ganz natürlich, sie ist organisch und wächst wie eine Pflanze. Wir lassen die Natur in vielerlei Hinsicht sprechen, wir kontrollieren die Materialien nicht. Das ist für mich das Rückgrat der Firma und unsere DNA, das werde ich nie ändern.
Also wirst du nicht wie andere Kreativdirektoren in der High Fashion Welt das Archiv platt machen und den Instagram-Account löschen, um mit einem leeren weißen Blatt zu starten.
Nein, ich stehe auf den Schultern meiner Eltern. Ich habe es am Anfang in Sachen Zahlen wie ein Start-up betrachtet und gesagt: „Wir werden alles auf eine neue Art und Weise betrachten als früher und überlegen, was bleibt und was geht.“ Das hat aber überhaupt nichts mit der Designästhetik zu tun.
Was bleibt und was geht?
Wir brauchen einfach mehr Ordnung in Sachen Verträge oder B2B-Business. Und etwas, das meine Eltern nie gemacht haben, ist Marketing oder PR. Sie haben sich nie promotet oder ein richtiges Profil für die Brand erstellt. Monies ist einfach organisch entstanden. Und das ist das, was ich bis heute für den vielleicht größten Fehler halte. Jetzt versuchen wir, unsere Geschichte zu erzählen. Viele unserer Kund*innen sind an uns interessiert, weil sie gar nicht wussten, was hinter Monies steckt.
Ja, da hast du recht. Andere dänische Brands sind präsenter, man denke nur an das Modeschlachtschiff Ganni, das sich einen internationalen Ruf erarbeitet hat. Monies kennen meine Freundinnen allerdings (noch) nicht.
Nein, ich will nicht Ganni werden. Ich bin nicht daran interessiert, ein riesiges kommerzielles Business aufzubauen, das nur auf Konsum basiert. Ich stelle lieber die Qualität über die Quantität und möchte unser Produkt immer verbessern, aber ich will auf gar keinen Fall in die Massenproduktion einsteigen.
Ich denke, das, was wir tun, kann man eher mit Kunst vergleichen als mit der Modebranche. Wir stellen Unikate her, das ist also in vielerlei Hinsicht nicht zu vergleichen.
Ja, aber ihr macht auch „bezahlbare“ Kollektionen und nicht nur Einzelstücke. Oder willst du das ändern?!
Nein, das will ich nicht. Aber bei den Unikaten kann ich mich als Künstler und Bildhauer austoben, damit spielen. In den Kollektionen simulieren wir dann die Materialien und die Ästhetik, dort ist der Takt viel stärker vorgegeben. Gerade besteht Monies aus 50 Prozent Kollektion und 50 Prozent Einzelstücken. Und so möchte ich das beibehalten.
Wer kauft denn die Einzelstücke und wer die Kollektion?
Das ist eine ökonomische Frage, die damit zusammenhängt, wie viel Geld man hat. Klar, die jungen Menschen kaufen mehr Kollektion, die Frauen über 40 die Einzelstücke. Sie sehen sie als eine Art Investition, aber auch, weil sie ein größeres Verständnis von Qualität haben. Ihnen ist wichtig, dass sie ein Stück tragen, das kein anderer besitzt. Die jüngere Generation hingegen spiegelt sich gegenseitig lieber.
Eben hast du es schon gesagt, für dich ist Monies mehr Kunst als Mode. Gilt das für Schmuck generell?
Gute Frage, ich habe die Antwort darauf nicht. Es ist, denke ich, beides.
Aber was ist Kunst und was ist Design? Der Unterschied ist wichtig, wahrscheinlich ist das der Dreh- und Angelpunkt meiner Praxis, denn ich komme aus der Malerei. Ich hatte immer das Gefühl, dass Kunst und Design Geschwister sind, aber in unserer Kultur haben wir entschieden, dass es sich dabei um zwei verschiedene Schubladen handelt. Wenn man ein Rothko-Gemälde hat und es auf ein Handtuch druckt, dann verliert es seinen Wert als Kunst.
Mit diesem Denken kann ich nichts anfangen, ich kann es nicht verstehen. Ich glaube, es steigert den Wert. Es ist nicht nur wertvoll, weil es eine einzige Aufgabe hat. Man kann Kunst aktivieren.
Das ist ja auch der Grund, warum so viele Luxuslabels mit Künstler*innen kooperieren.
Ja, das kann ich mir auch für Monies vorstellen. Wir warten nur auf das richtige Momentum. Ich würde viel lieber mit Künstler*innen zusammenarbeiten als mit anderen Brands.
Wozu trägt man Schmuck?
Er hat keine Funktion so wie Schuhe oder eine Tasche, aber er eröffnet Gespräche, zeigt einen gewissen Status, Reichtum, Haltung. Und genau diese Aussagen sollte man eben nicht nur mit Mode machen. Schmuck war früher mehr, ein Talisman, etwas super Persönliches.
Und was sagt man als Person aus, die Monies trägt?
Man zeigt Bewusstsein für die Welt – auch für eine Welt ohne Menschen. Man zeigt ein Verständnis für Ästhetik und was schön ist. Viele unsere Kund*innen haben einen kreativen Background. Jede*r kann sich einen Diamanten kaufen – aber wenn man sich entscheidet, ein Monies-Piece zu tragen, dann wagt man etwas. Bei uns sucht sich das Schmuckstück meist seine Träger*in aus, denn es spricht zu den Kund*innen. Klar, es gibt bei den Einzelstücken ja auch nichts Vergleichbares. Es ist wie bei Harry Potter: Der Zauberstab sucht dich aus, nicht andersherum.
Du hast es ja schon erwähnt, die Materialien sind ein Großteil deiner Arbeit. Inwiefern greifst du da in die Natur ein? Inwiefern werden beispielsweise Steine geschliffen?
Auf jeden Fall verändern wir, manchmal ist das auch eine Frage der Vorliebe der Kundin. Einige Steine polieren wir, aber wir schneiden z.B. nie kleine Quadrate aus ihnen. Sie müssen immer natürlich aussehen, aber wir bohren, machen haltbar, verbinden. Wir machen die Natur ein bisschen robuster, würde ich sagen. Kurzum: Wir erleichtern es der Natur, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.
Gibt es Materialien, die du aus der heutigen Sicht nicht mehr verwenden würdest?
Seit meine Eltern aufgehört haben, verzichten wir komplett auf Polyester und nutzen nur noch recyceltes Acryl, man nennt es Green Cast.
Wie sieht es denn zum Beispiel mit Korallen aus?
Oh Korallen, die verwenden wir nicht. Klar, wenn man es so betrachtet, nehmen wir Dinge aus der Natur. Aber uns geht es auch darum, die Natur neu zu bewerten. Klar, Bergbau ist nicht gut für unseren Planeten, Mineralien kann man nicht nachwachsen lassen wie andere Rohstoffe. Deswegen sind die Schmuckstücke, die wir machen, auch für die Ewigkeit gemacht. Wenn etwas kaputtgeht, reparieren wir es für immer kostenlos. Das ist unser Anspruch.
Also lebenslange Garantie.
Nein, ewigliche Garantie. Das ist wichtig für mich. Es gibt auch Dinge, die umstritten sind: Mammutknochen und Stoßzähne zum Beispiel, sie sind dem Elfenbein von Elefanten sehr ähnlich. Das ist eine richtig knifflige Situation, denn das Schmelzen des Permafrosts sorgt dafür, dass es davon immer mehr auf dem Markt geben wird. Also denke ich, wir können Mammut verwenden. Aber diese Diskussion führe ich ständig mit mir selbst – und auch mit unseren Kund*innen.
Klar, die Kund*innen setzen sich ja auch mehr und mehr mit Nachhaltigkeit auseinander. Gibt es denn zertifizierte Quellen, wo ihr eure Materialien bezieht?
Darin ist die Bergbauindustrie extrem schlecht und wir wollen das ändern. Wir haben gerade am Copenhagen Fashion Summit teilgenommen, es ist uns also wichtig. Aber wir sind eben auch nur ein kleines Nischenunternehmen in einer riesigen Modewelt, in der sich alles um Textilien, Plastik und Fischernetze dreht.
Das, was wir machen, macht niemand, daher müssen wir uns unseren Weg selbst ebnen. Ich beschäftige mich gerade intensiv mit der ethischen Beschaffung von Holz, weil wir eine Menge davon verwenden. Ich möchte dafür das FSC-Siegel.
Du warst ja aber zuerst nicht Kreativdirektor, sondern Künstler. Das machst du ja auch noch, ziemlich erfolgreich!
Ich würde sagen, ich arbeite als Künstler sehr intuitiv – und sporadisch. Ich bin eigentlich jeden Tag hier, die meiste Zeit. Aber im August habe ich eine Ausstellung, für die brauche ich dann ein paar Wochen im Sommer zur Vorbereitung. Ich gehe oft ins Atelier, wenn die Kinder schlafen und an den Wochenenden. Ich brauche das, ich tanke dort auf, um hierherzukommen – und andersherum.
Hier mache ich viel praktischere Dinge und ich arbeite mit Menschen, ich liebe es Kolleg*innen zu haben. Im Studio bin ich frei, ich kann tun, was ich will. Es geht nicht um Kund*innen oder ein Brand. Ich glaube, beides befruchtet sich gegenseitig auf eine gute Art und Weise.
Meine letzte Frage. Du hast drei Kinder, an die du in 50 Jahren vielleicht Monies vererben wirst. Was für eine Art Unternehmen möchtest du weitergeben?
Ich möchte eine Firma mit einer guten Geschichte weitergeben, mit guten Werten. Ein Unternehmen, was im Einklang mit der Natur ist und nicht versucht, sie auszunutzen. Aber wer weiß, vielleicht wollen sie es auch nicht erben. Das Wichtigste ist, dass ich im Hier und Jetzt mein Bestes gebe.
Danke für das Interview, Karl, und deine Zeit. Jetzt aber schnell zurück zu den kranken Kindern!
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.
-
Fotograf: