Das Mom-Impostor-Syndrom

Das Mom-Impostor-Syndrom

Der persönliche Nicht-Guide für die Schwangerschaft

Marie startet ihre Preggo-Kolumne mit einem Statement: Auch werdende Mütter haben ein Recht auf Meinung

Trigger-Warnung: In folgendem Text geht es um das Thema Schwangerschaft, Babys und Familie. Bei manchen Menschen können diese Themen negative Reaktionen auslösen. Bitte pass auf dich auf, wenn das bei dir der Fall ist.

Lange habe ich darüber nachgedacht, ob ich eine Kolumne über meine Schwangerschaft – oder eher den gesamten Prozess des Elternwerdens – schreiben möchte. Was mir dabei im Weg stand? Mein Impostor-Syndrom. Ja, das Phänomen, sich wie ein Hochstapler zu fühlen, kann man anscheinend nicht nur im beruflichen Kontext haben, sondern auch im privaten. Das Mutter-Thema scheint sich ganz besonders für Unsicherheiten zu eignen – und ja, auch für das Gefühl, dass man perfekt sein muss.

Kein Wunder, denn wenn ich so darüber nachdenke, dann gibt es ja auch keine Schule, die Mütter ausbildet, geschweige denn eine Universität, wo man den Mom-Bachelor absolvieren könnte. Um Mutter zu werden, muss man weder etwas können, noch etwas haben – Sex, künstliche Befruchtung, Adoption, die Natur, wenige Sekunden Glück oder jahrelanges Leid – oder eben auch soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten – machen es in den vielen Fällen (nicht) möglich.

Wer bin ich also, dass ich über meine Schwangerschaft oder das Mutterwerden schreiben kann? Genau das Gefühl begleitet mich nun seit Tag 1 meiner Schwangerschaft. Vor mir waren Milliarden Menschen schwanger, mit mir sind es auch Millionen, Milliarden werden es nach mir sein. Wen interessiert da meine Meinung, meine Erfahrung, meine Gefühle? Euch vielleicht. Vielleicht noch nicht jetzt, weil ihr noch gar nicht ans Schwanger-Sein denkt. Vielleicht nicht jetzt, weil es gerade zu schmerzhaft ist, diese Zeilen zu lesen. Vielleicht nicht mehr, weil ihr mit dem Thema schon abgeschlossen habt. Vielleicht auch nie, weil ihr keine Kinder möchtet. Doch vielleicht auch genau jetzt, weil ihr auch schwanger seid oder ihr euch für das Thema interessiert. Für euch ist diese Kolumne.

Der Feind: Die Alleskenner*innen

Denn BEIGE ist nun mal eine Mischung aus Onlinemagazin und Blog, aus News und Kolumnen, aus Gefühlen und Fakten. Und das soll auch so bleiben. Und damit ich euch nicht bei einem momentan sehr großen Bereich meines Lebens komplett außen vor lassen muss, schreibe ich ab sofort einfach über meine Gefühle und Erfahrungen, aber in einem hoffentlich auch für Nicht-Eltern erträglichem Maß.

Was zu meiner Unsicherheit in den letzten Monaten enorm beigetragen hat? Andere Mütter. Obwohl ich nie nach einem Ratschlag gefragt habe, habe ich in den letzten Monaten unzählig viele bekommen. „Deine Kinder dürfen auf gar keinen Fall fernsehen, nicht bevor sie in die Schule gehen“, „Schlaf jetzt schon mal aus, danach wirst du jahrelang nicht mehr schlafen“, „Geht ganz viel ins Restaurant, danach wird das nicht mehr gehen“ und „Kauf dir keinen Kinderwagen, du wirst dein Kind eh nur tragen“, sind nur einige Auszüge aus dem Repertoire, die mir von Freund*innen und Familie in den letzten Wochen entgegenschlugen. Meistens sage ich dann nichts. Weil ich nicht unfreundlich sein will. Weil ich die Erfahrungen von ihnen nicht kleinreden möchte. Weil Schweigen leichter ist als zu diskutieren.

Mit dieser Art von Ratschlägen hatte ich allerdings schon von Anfang an gerechnet – deswegen kann ich auch besser mit ihnen umgehen. Was allerdings ungefiltert und nicht vorhersehbar auf mich einprasselte, waren Kommentare, die meine eigenen Gefühle und Erfahrungen nichtig reden wollen. Beispiel gefällig?

Freundin: Wie geht es dir denn?

Ich: Super, ich bin nur müde und habe seit ein paar Wochen extreme Rückenschmerzen und ein taubes Bein.

Freundin: Ach ja? Das ist ganz normal. Das hatte ich auch. Das geht wieder weg.

Vermisst ihr in diesem Gespräch etwas? Mitgefühl, Emotionen, Hilfe oder das Anerkennen meiner Schmerzen? Ja, ich auch! Und von genau diesen Unterhaltungen hatte ich sehr viele. „Das hatte ich auch“, macht eine schwere Zeit nämlich nicht weniger schwer. „Das ging mir genauso“ hilft in dem Moment oft nicht. Zumal danach meistens keinerlei Nachfragen mehr kommen. Das Thema ist damit abgehakt. Ob ich noch Redebedarf hatte oder nicht. Schluss. Ende.

Meine Frauenärztin ist, obwohl sie bis jetzt sehr kompetent und höflich ist, übrigens vom gleichen Schlag: „Das ist ganz normal in einer Schwangerschaft“ antwortet sie mir eigentlich auf jede meiner Fragen und versucht, mich nach jeder Untersuchung in neuer Rekordgeschwindigkeit aus ihrem Zimmer zu scheuchen.

In den ersten Monaten meiner Schwangerschaft hat genau das dazu geführt, dass ich mir meine Emotionen und Symptome oft selbst abgesprochen habe: „Stell dich nicht so an, das haben viele Menschen auch schon vor dir durchgemacht.“ „Wenn sie das auch hatte und so locker darüber spricht, dann kann es ja nicht so schlimm gewesen sein.“ „Was weißt du schon, du bist ganz neu in diesem Feld.“

Das Recht auf die eigene Meinung und die eigenen Gefühle

Ja, ich weiß viele Sachen nicht, weil ich es noch nie gemacht habe, da habt ihr recht, ihr allwissenden Eltern da draußen. Aber ich weiß, wie ich mir viele Sachen wünsche oder vorstelle. Und deswegen kann ich auch darüber sprechen, darf eine Meinung haben und Ratschläge dankend ablehnen oder eben auch annehmen – wenn ich nach ihnen gefragt habe.

Meine besten Freundinnen und engsten Vertrauten, die übrigens alle im gleichen Alter sind wie ich, wissen das und stärken mir immer den Rücken. Sie sind für mich da, wenn ich eine Frage habe. Sie fragen, bevor sie Tipps geben. Sie bieten Hilfe an. Sie teilen Geheimtipps und Adressen. Sie hören manchmal auch einfach nur zu. Und vor allem geben sie mir auch schon ohne Baby im Arm (dafür aber eben im Bauch) das Gefühl, bereits jetzt schon eine von ihnen zu sein. Mama zu sein. Ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft, mit dem man sich austauschen kann.

Und das sind dann die Gespräche, die mich all die Sprüche und ungefragten Tipps vergessen lassen. Und die mir das Selbstbewusstsein geben, diese Kolumne zu schreiben.

Vorschläge oder Wünsche für den nächsten Teil? Immer her damit! Kommentiert einfach auf Insta oder schreibt mir oder BEIGE eine DM. Ansonsten hab ich noch viele Ideen: Wie wäre es zum Beispiel mit dem Gefühl, dass ein Baby realer war, als man noch nicht schwanger war? Oder der Suche nach einer Wickeltasche, die sowohl meine Ästhetik als auch alle Funktionen vereint? Und natürlich habe ich auch noch den Evergreen in petto: Selbstständigkeit und Schwangerschaft/Kind! Wie machen wir das?!

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