Kleiderschrank Katharsis

Kleiderschrank Katharsis

Auf dem Weg vom Winter zu Sommer, von Schwangerschaft zur Normalität

Beim Kleiderschrank-Aussortieren stellt Marie fest: Stilkrisen als Mutter kommen in Phasen daher und ein voller Kleiderschrank ist nichts, wofür man sich schämen muss

Am Wochenende war es wieder so weit und ich habe mich meinem persönlichen Mammut-Projekt gewidmet: den Kleiderschrank von Winter auf Sommer umsortieren. Dieser Saisonwechsel fühlt sich jedes Mal an, wie meine Fashion Katharsis (griechisch für Reinigung, Sühnung) und damit der Inbegriff von Marie Kondos Aussortieren, das mir meinen Konsum mal wieder schreckhaft vor Augen geführt hat. 

Dabei fragte ich mich jedoch dieses Jahr nicht wie Kondo bei jedem Teil: „Does it spark joy?“, sondern nach einer Schwangerschaft eher: „Does it fit my body?“ Dem After-Baby-Body-Druck gebe ich erst gar keinen Raum in meine Gedanken, stattdessen habe ich erkannt, dass Kleidung nur dann Sinn macht, wenn sie nicht zwickt, nicht auf dem Boden schleift, Schuhe keine Blasen machen und man sich frei bewegen kann – den Status Quo meines Körpers akzeptieren, das hat mir gedanklich und in Sachen Outfits wieder die Freiheit gegeben. 

Und trotzdem: Ein Kind zu bekommen, stellt den eigenen Stil komplett auf den Kopf. Warum? Weil nicht nur die Schwangerschaft alles im Kleiderschrank fast alles nutzlos macht, man durchläuft auch noch Monate (und sogar Jahre) danach eine Veränderung:

Phase 1: Mit Babybauch passt a) nichts mehr und b) legt man den Fokus auf einmal ganz anders. Nämlich meistens auf den Bauch. 

Phase 2: Nach der Geburt ist der Babybauch noch da. Was man gerade noch betont hat, möchte man jetzt verstecken (um doofen Fragen wie „Bist du sicher, dass da nicht noch ein Baby drin ist?“ aus dem Weg zu gehen). 

Phase 3: Die Erkenntnis, dass mit dem Verschwinden des Babybauchs noch lange nicht alles wieder „normal“ ist. Die Rippen sind immer noch weiter, die Arme stärker, das Gewebe überall weicher — und das ist ok. Trotzdem passt keine alte Jeans. Und von Stillmode fange ich hier gar nicht erst an!

Phase 4: Endlich fühlt man sich wieder wie man selbst – die ersten alten Sachen passen wieder. Doch alles, was man da anzieht, hat man seit fast zwei Jahren nicht mehr getragen. Bin das noch ich???

Phase 5: Die Neuerfindung beginnt: Wer bin ich? Was ist mein Stil? Was kann ich noch mit Kind tragen (aka man kann alles tragen, aber sich im Minirock ständig zu bücken ist eher mäh). Der Wunsch nach neuen Sachen wächst. 

Phase 6: Die Erkenntnis: Die Wunschliste ist lang, das Elterngeld aber richtig knapp. Schön, wenn man das Bedürfnis hat, sich endlich wieder jeden Tag richtig zu stylen, aber man weiß, dass große Investitionen gerade nicht mehr drin sind …

Phase 7: Man ist zurück! Fühlt sich wohl, liebt seine Sachen, denkt nicht mehr jeden Tag darüber nach, wer man ist oder was man anzieht.

An welchem Punkt der Phasen befindet ihr euch gerade? Ich würde sagen, ich ordne mich selbst bei Phase 4 ein. Mitten in der Stilkrise, aber zurück in den ersten Lieblingsjeans. Beim Durchsortieren meines Kleiderschranks vor zwei Tagen wurde mir das Ausmaß meiner modischen Existenzkrise bewusst. Mir fällt es gerade schwer, zu sagen: Was ist mein Stil? Was mag ich? Wovon trenne ich mich? Was fehlt noch in meinem Kleiderschrank? Und was ziehe ich eigentlich an? Während ich mich die letzten Jahre in den Sommermonaten immer so wohl in meiner Haut und in meinen Outfits gefühlt habe, habe ich jetzt gut 70 Prozent meiner Sommergarderobe gar nicht erst entvakuumiert. Der Grund? Ich trage meistens Kleider im Sommer — aber mit dem Stillen möchte ich dann doch nicht im hautfarbenen Schlüppi in den Cafés dieser Welt sitzen und zwölf Lagen Stoff hochhalten, damit mein Baby satt werden kann. Und jetzt? Leinenhosen und Tanktops it is, schätze ich mal. 

Und die Erkenntnis: Jeder Kauf muss gerade äußerst vorsichtig getätigt werden. Seit der Geburt bin ich noch wählerischer geworden beim Shopping. Auch wenn ich noch nicht an dem Punkt oder gewillt bin, an dem ich an der Shopping-Challenge meiner Freundin Kristina teilnehmen kann (sie kauft dieses Jahr nur 5 Teile!), so halte ich mich doch größtenteils an meine eigenen kleinen Regeln, die Fehlkäufe und damit auch Geldverschwendung vermeiden sollen: 

  1. Beim Anprobieren müssen mir gleich mehrere Outfits einfallen, wie ich das Teil kombinieren kann. Wenn ich erst groß nachdenken muss – oder sogar auf Instagram nach Outfit Inspos recherchieren – trage ich es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht – oder viel zu selten. 
  2. One in, one out. Ich liebe alle meine Kleidungsstücke in meinem Schrank. Aber die Summe des Sortiments soll aus platztechnischen Gründen nicht mehr wachsen. Deswegen gilt besonders für Teile, die man in ähnlichen Varianten schon hat: Eins kommt, eins geht. 
  3. Mittlerweile habe ich viele Pieces, die ich schon seit Jahren haben möchte. Bei jedem Kauf frage ich mich also, ob ich nicht lieber eines meiner Wunschlisten Wardrobe Staples dafür kaufen wollen würde – egal, ob der Preis ähnlich ist oder nicht. 

Diese drei Fragen führen dazu, dass meine Fehlkäufe von Jahr zu Jahr, von Saison zu Saison immer weniger werden – und die Anzahl meiner Kleidungsstücke bei jedem Kleiderschrank-Saison-Wechsel massiv weniger wird. 

Was ich allerdings auch erkannt habe: Früher hatte ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich online Capsule Wardrobes oder die Kleiderschränke minimalistischer Freund*innen gesehen habe. Bin ich shoppingsüchtig? Warum kann ich nicht so wenig besitzen? Das waren Fragen, die mir durch den Kopf gingen und ein flaues Gefühl in meiner Magengrube verursachten. Mittlerweile weiß ich, dass jede*r anders ist – manche brauchen Ordnung und Minimalismus im Kleiderschrank, manche lieben Experimente, Farben und Trends nun mal mehr und haben somit auch ein größeres Repertoire. 

Ich liebe liebe liebe Mode – wage gerne Experimente, lasse mich bei vielen Trends hinreißen und wechsle mit meinen Outfits auch mal meine Persönlichkeit – und das ist OKAY! Es ist okay, einen großen Kleiderschrank zu haben, wenn man alle Teile darin liebt und lange trägt – und wenn man nicht wahllos bei Fast Fashion Brands kauft.  

Gegenteilig zu Kristinas Konzept – 5 things I did'nt buy this week – habe ich euch aber trotzdem eine kleine Wunschliste in Form von Outfits aufgestellt. Denn wer viel verkauft und aussortiert, der darf sich auch mal etwas gönnen. Und manche Pieces davon sind schon lange lange lange in meinen Handy-Notizen ...

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