Zu 57 Prozent nachhaltig – H&Ms Pläne für die Zukunft und die neue Conscious Spring Kollektion

Zu 57 Prozent nachhaltig – H&Ms Pläne für die Zukunft und die neue Conscious Spring Kollektion

Wir haben mit Maria Östblom, Head of Design für Womenswear bei H&M, über Nachhaltigkeit und die neue faire Kollektion für den Frühling gesprochen

Wie sieht H&M in zehn Jahren aus und wie macht man Nachhaltigkeit für alle zugänglich? Wir haben mit Maria Östblom, Head of Design bei H&M, über Ziele, Ansprüche und die Realität gesprochen

57 Prozent. Das ist der Anteil an nachhaltigen Materialien, die H&M gerade benutzt, um seine Kollektionen herzustellen. Ob Biobaumwolle, Tencel, recyceltes Polyester oder experimentelle Stoffe wie Ananasleder, Schaum aus Algen-Biomasse oder Orange Fiber – der Wille ist da! H&M hat sich feste Ziele gesetzt und ist motiviert, diese auch wirklich zu erreichen: 2020 soll es nur noch komplett nachhaltige Baumwolle aus ökologischer Herkunft in den Kollektionen geben. 2030 sollen ALLE Materialien nachhaltig oder recycelt sein und 2040 möchte H&M klimaneutral sein. Ziemlich große Worte. Ziemlich große Erwartungen, denen das Unternehmen aus Schweden gerecht werden muss.

Und noch immer muss sich H&M regelmäßig wegen Skandalen rechtfertigen. So erschien zuletzt das Buch „Modesklaven“ der schwedischen Journalisten Tobias Andersson Åkerblom und Moa Kärnstrand, in dem die beiden über die Arbeitsbedingungen des Moderiesen berichteten. Denn wegen der Produktion von Kleidung, die aufwendig ist und nicht komplett von Maschinen übernommen werden kann, verlegen große Modekonzerne ihre Fertigung schon seit Jahrzehnten in Länder, die kostengünstiger sind – aufgrund von niedrigen Arbeitslöhnen.

Doch seit dem Fabrikeinsturz in Bangladesch 2013, bei dem 1135 Arbeiter*innen ums Leben kamen, und der die gesamte Branche in Sachen Arbeitsbedingungen noch einmal wachrüttelte, steht H&M neben zahlreichen anderen Produzenten in der Kritik. Seitdem hat sich beim Unternehmen noch viel getan. Der Wille, Dinge zu ändern, ist da. Das merkt man nicht zuletzt an vielen Programmpunkten, die H&M seit dem Unglück fährt.

„ „At H&M Group, we consider the needs of present and future generations and are aware that our entire business must be conducted in a way that is economically, socially and environmentally sustainable. This is why we have set up clear ambitions and bold goals.“ “

Auszug aus der Übersicht der Nachhaltigkeitsziele

Der erste Schritt in die richtige Richtung ist somit gemacht: „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung“, das sagte schon meine Mama immer zu mir. Letzte Woche fand in Berlin das H&M Change Makers Lab 2019 statt, ein Kongress, von H&M ins Leben gerufen, der sich rund um das Thema Nachhaltigkeit dreht. Dort gab es einen ganzen Tag lang Panels zu Themen wie „How do we build an inclusive and diverse fashion industry“ oder „Fair Living Wages in supply chains – how hard can it be?“, bei denen sich Experten aus der ganzen Welt und von allen Unternehmen versammelten. Voneinander lernen und austauschen, das war eines der Mottos, unter dem der Tag stand. Außerdem konnte man die nachhaltigen Kollektionen von H&M sowie von anderen Labels ansehen, anfassen und anprobieren und viele H&M Mitarbeiter standen Rede und Antwort. So auch Maria Östblom, die Head of Design für Womenswear, die alle (!) Kollektionen für Frauen verantwortet, die bei H&M in den Läden und online verfügbar sind.

Ich habe mich mit ihr über die neue Conscious Spring Kollektion unterhalten und versucht einen Blick hinter die Kulissen des Modegiganten zu werfen:

Hallo Maria, schön dich in Berlin anzutreffen. Hier dreht sich ja alles um Nachhaltigkeit, was bedeutet dir das persönlich?

Nachhaltigkeit bedeutet, bewusst zu leben. Du musst in deinem Leben bewusste Entscheidungen treffen, egal was du tust. Man hat nun mal Verantwortung, egal ob es darum geht, wie man Menschen behandelt oder wie man einkauft. Und natürlich auch, wie ich bei H&M als Designer Produkte entwickle. Verantwortung, ja, das ist ein gutes Wort dafür.

Wie lebst du das in deinem privaten Leben?

Ich kann mir über solche Dinge natürlich nur Gedanken machen, weil ich in einer sicheren Umgebung lebe, in Stockholm. Aber ich versuche mich selbst immer wieder herauszufordern, z.B. weniger einzukaufen. Aber klar, ich liebe Mode und kaufe gerne, aber dann verkaufe ich die Sachen halt wieder, gebe sie Freunden oder tausche sie. Und ich habe meine Tochter, die 19 Jahre alt ist und mich immer auf dem Laufenden hält. Aber ich bin auch nur ein Mensch und habe Fehler. Ich trinke zum Beispiel immer noch Coffee to go. Dabei frage ich mich selbst, warum ich das mache. Ich brauche gar nicht zu jeder Uhrzeit Kaffee. Das ist nur eine neumodische Angewohnheit. Aber es hat sich einfach in meinem Hirn festgesetzt und ist schwer abzulegen.

Du bist nicht nur die Chefdesignerin für die neue Conscious Kollektion, sondern auch für alle anderen Damen-Kollektionen bei H&M. Was ist der größte Unterschied, wenn man eine nachhaltige Kollektion entwirft?

Ich glaube nicht, dass es da große Unterschiede gibt. Bei allen Kollektionen ist der Grundgedanke gleich: Wir wollen Mode machen. Wir wollen Kleidung designen, die wiedergibt, wie du dich fühlst, egal ob feminin, romantisch oder souverän. Danach kommt der Anspruch der Nachhaltigkeit und dann sucht man nach den passenden Materialien. 57 Prozent aller Stoffe sind jetzt schon fair produziert und in zehn Jahren werden es 100 Prozent sein. Momentan haben wir die Conscious Exclusive Collection, bei der wir experimentelle Materialien einsetzen können, z.B. die Jacke aus Ananasleder. Die ist so cool. Die Kollektion ist noch auf eine kleinere Stückzahl limitiert, aber in der Zukunft können wir das vielleicht für alle Kollektionen einsetzen. Genauso war das schließlich bei Organic Cotton, da haben wir auch klein angefangen und jetzt setzen wir es überall ein.

Also muss man Design-technisch keine Abstriche machen, wenn es um nachhaltige Mode geht?

Nein, nicht wirklich. Klar, mit den neuen Materialien muss man manchmal härter arbeiten, um ein tolles Ergebnis zu erzielen, aber das versuchen wir. Hast du die flachen Sandalen aus der Exclusive Kollektion gesehen? Die sind aus Algenmasse. Schuhe sind hier viel schwerer herzustellen als Kleidung, aber wir lernen immer dazu. Und gerade bei Stoffen sind wir sehr an Innovationen interessiert.

Wann glaubst du werden diese speziellen, ganz neuen nachhaltigen Stoffe auch in normalen Kollektionen verwendet werden können?

Ich weiß es nicht genau, aber das gleiche Thema hatten wir damals mit ökologischer Baumwolle, dann kam recyceltes Polyester. Da haben wir auch erstmal ganz klein angefangen, mit Sportjacken aus PET-Flaschen. Mittlerweile ist der Stoff qualitativ so gut, er ist weich fließend.

Apropos Polyester, das hat ja einen ganz schön schlechten Ruf. Warum verwendet ihr es so viel?

Das Gute an Polyester ist, dass man es jahrelang tragen kann, ohne, dass es sich verändert. Man kann Kunststoffe auch einfacher waschen und wenn man es gut behandelt, bleibt es immer makellos. Wenn man es mit Seide vergleicht, merkt man, dass diese nach einer gewissen Zeit anfängt zu leben und irgendwann kaputtgeht. Aber klar, manche Leute mögen einfach kein Polyester an ihrem Körper. Das ist einer der Gründe, warum wir bei der Conscious Collection viel mit fließenden Silhouetten gearbeitet haben.

An welche Zielgruppe richtet sich die Conscious Collection?

Als wir die Kollektion designt haben, haben wir an starke Frauen gedacht. Deswegen haben wir sie auch an Influencern geshootet. Aber auch im Alltag, mit Sneakern oder Jeans, kann man die Kollektion easy stylen. Klar, sie ist sehr feminin. Aber Leute würden von mir beispielsweise nie behaupten, dass ich romantisch oder feminin bin, ich bin sonst eher Typ Tomboy mit Blazer. Trotzdem trage ich die Rüschenbluse. Den Midi-Volantrock trage ich einfach mit T-Shirt und Jeans und sogar meine Tochter fand die Kombi cool, das will was heißen. Wir haben sie für die unterschiedlichsten Frauen in den unterschiedlichsten Lebensabschnitten.

Ja, du sagst es. Die nachhaltigen Kollektionen finde ich immer sehr verspielt. Woran liegt das?

Findest du? Ich glaube, das hat gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, sondern mit dem Frühling. Klar, wir haben auch andere Kollektionen bei H&M, die mehr Streetwear oder minimalistischer sind. Aber ich glaube die romantischen Designs liegen nur an unserem frühlingshaften Mindset. Ich lebe in Stockholm, klar will ich nach dem langen Winter endlich meine Strickpullover, Jeans und Wollmäntel loswerden (lacht). Die floralen Prints waren also mehr Zufall als nachhaltiger Ausdruck.

Warum habt ihr euch für Influencer als Kampagnenmodels entschieden?

Wir wollten aus jedem Land jemanden aussuchen, der stolz ist, die Conscious Collection zu tragen. Klar, sie sollten Spaß an der Mode haben und zu unseren Entwürfen passen, aber vor allem sollten sie eine bewusste Haltung als Influencer vermitteln und für sie stehen. Außerdem sind wir ein globales Unternehmen und mit den verschiedenen Frauen aus verschiedenen Ländern werden wir auf einmal auch lokal. Die Leute können sich damit identifizieren.

Was ist wichtiger: nachhaltige Materialien oder faire Arbeitsbedingungen?

Das geht Hand in Hand und ist ein geschlossener Kreis. Alles muss zusammenpassen und das ist der einzige nachhaltige Weg, den es gibt und den wir gehen wollen. Wir sind eine wahnsinnig große Firma. Aber genau das ist unsere Chance, denn so können wir wirklich einen Unterschied machen. Wir entwickeln uns rasant und arbeiten gerade an vielen Dingen gleichzeitig.

Deswegen auch diese Konferenz. Warum sind solche Veranstaltungen für H&M so wichtig?

Wenn wir uns weiterentwickeln wollen, müssen wir eine Sache tun: Zusammenarbeiten. Wir müssen miteinander reden und voneinander lernen.

Macht ihr das auch in Stockholm im Unternehmen? Voneinander lernen?

Klar, wir lernen alle voneinander. Wir sind unterschiedlich alt, jeder kommt woanders her. Der eine kann das besser, die andere das, wir nehmen das Beste von allen zusammen. Ein Jahr vor Kollektionslaunch sprechen wir darüber, was wir in der Vergangenheit gemacht haben und was wir in der Zukunft ändern wollen. Farben, Prints, Timing. Welche Richtung soll eine Kollektion gehen? Sportlich? Preppy? Romantisch? Minimalistisch? Es hat noch nie so Spaß gemacht, Designerin zu sein. Wir sind emanzipiert und kennen keine Grenzen. Wir probieren einfach Sachen aus.

Was möchtest du mit deiner Position im Unternehmen H&M bewirken und welche Ziele hast du?

Ich möchte, dass wir zu 100 Prozent nachhaltig werden. Das ist mein Hauptziel und seitdem ich jung bin, möchte ich auch einfach tolle Mode machen, die mir und vielen anderen Frauen gefällt. Mode soll für alle sein, ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Herkunft oder Geld. Das ist doch das großartige daran, man kann sie überall kaufen!

Mit diesem Gedanken bist du bei dem Weltunternehmen H&M bestimmt richtig. Danke, liebe Maria, für das Interview!

10 Dinge, die H&M 2018 erreicht hat:

  1. Der Austausch der CO2 Emissionen der H&M Group wurde um 11 Prozent gesenkt.
  2. Deswegen wurden weitere neue Ziele gesetzt. Der Ausstoß soll bis 2030 um weitere 40 Prozent gesenkt werden, was zum großen Plan gehört bis 2040 klimaneutral zu sein.
  3. Das Take Care Konzept wurde von einer Initiative zu einem Projekt, was jetzt in vier weiteren Märkten gelauncht wurde. Darin enthalten sind Richtlinien für die Kund*innen, wie sie ihre Kleidung richtig pflegen und reparieren können, damit sie länger hält.
  4. Ein neues Ziel, das 2018 gesetzt wurde: bis 2030 sollen alle verwendeten Verpackungen recycelt oder nachhaltig sein.
  5. Eine neue Water Roadmap wurde mit der Unterstützung des WWF entwickelt, mit dem Plan, den Wasserverbrauch bei der Produktion um 22 Prozent zu senken und 15 Prozent Abwasser in die Produktion zu integrieren. Das alles soll bis 2022 passieren.
  6. Im Juni launchte H&M Afound. Damit geht das Unternehmen das Problem der unverkauften Kleidung an und hat hierfürein neuartiges Outlet erschaffen.
  7. 95 Prozent der ganzen Baumwolle, die von der H&M Group verwendet wird, kam vom Recycling oder nachhaltigem Anbau.
  8. 57 Prozent aller Materialien waren nachhaltig oder recycelt.
  9. 655 Fabriken und 930.000 Arbeiter sind im Programm für bessere Arbeitsplätze und faire Bezahlung. Das entspricht 84 Prozent der gesamten Fertigung.
  10. Die Zusammenarbeit mit einer Künstlichen Intelligenz wurde vorangetrieben, damit es für H&M in Zukunft einfacher wird, eine faire Produktion, Kundennachfragen, Energieeinsparung, Logistik und Ressourcen unter einen Hut zu bringen.

„ „This report is our opportunity to share an honest and transparent account of the positive steps that we have taken so far as well as the complex challenges we continue to face.” “

Karl-Johan Persson, CEO, H&M Group

Wie die Arbeit in den Fabriken wirklich aussieht, kann ich euch natürlich ohne Reise dorthin nicht beschreiben. Trotzdem ist es wichtig, das Licht auf die Bemühungen zu richten, die so ein Weltunternehmen wie die H&M Group nach den massiven Problemen in der Vergangenheit an den Tag legt. Den kompletten Sustainability Report von H&M findet ihr hier.

Das ist die neue Conscious Spring Collection:

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