A (fair) kind of jewelry

A (fair) kind of jewelry

Das Stockholmer Brand Akind hat sich auf nachhaltigen Schmuck spezialisiert

Die Diamanten wachsen im Labor, die Perlen in regulierten Farmen in Australien und Japan – Im Gespräch mit Akind Gründerin Anna Wallander wird klar, warum auch Schmuck nachhaltig produziert werden muss

Lange arbeiten wir an diesem Interview. Ein Jahr hat es gedauert, bis Anna Wallander, die Gründerin vom Schmuckbrand Akind, und ich endlich einen Zeitpunkt gefunden haben, der bei uns beiden in den vollen Terminkalender passt – denn mit einem schnellen Zoom-Call ist dieses Interview nicht getan. Ich steige dafür im Januar in den Flieger und besuche Anna und ihr Team in Stockholm, wo sie erst kürzlich in ein wunderschönes Office gezogen sind.

Als ich Anna zum ersten Mal die Hand schüttele, ist mir sofort klar: Anna macht Akind nicht, um reich zu werden. Sondern um etwas zu verändern. Dabei hat sie sich nur ein „kleines“ Ziel gesetzt: Nämlich den Blutdiamanten und dem schmutzigen Bergbau den Gar auszumachen und nur nachhaltigen Schmuck aus verantwortungsbewussten Materialien herzustellen – und damit eine ganze Industrie für immer zu verändern. Ich meine, diese Frau muss man einfach mögen, oder?!

Bevor ich mich mit ihr in den Konferenzraum setze, der komplett im unverwechselbaren dunklen Akind-Rosenholz gestrichen ist, durchlaufe ich im Office nochmal alle Stationen: Besuche das Marketing-Team, den Kundenservice und packe ein paar Bestellungen für euch ein, die dann nach Schweden, Deutschland, Frankreich und den Rest der Welt gehen.

Sollte ich also mal auf etwas anderes als BEIGE Lust haben, dann komme ich gerne wieder und mache ein Praktikum bei Anna und ihrem Team. Davor lernt ihr aber noch, was ich lernen durfte: Muscheln haben zwar keine Gefühle, für Perlen töten sollte man sie aber trotzdem nicht. Das und vieles mehr erzählt Anna uns im Interview:

Anna Wallander, Mitgründerin von Akind

Wie bist du darauf gekommen, ein Schmucklabel zu gründen? Schließlich hast du beruflich ja einen ganz anderen Hintergrund.

Ich bin eigentlich Anwältin, habe also keinen Hintergrund in Design oder Schmuck. Ich habe die Juristerei aufgegeben und kam mit dem Schmuckgeschäft in Kontakt, weil mein Mitbegründer hier, der auch mein Partner und Vater meiner Kinder ist, meinte: „Schau dir diese Schmuckmarke in den USA an. Sie arbeiten total transparent, sie sind eine digitale Brand und ausschließlich mit nachhaltigen Materialien“. Ich war gerade eh in der Phase, in der ich meine Karriere aufgeben wollte und gleichzeitig hatte ich viele Modeschmuck-Ringe gekauft, die mit der Zeit einfach verblassten oder meine Finger grün gefärbt hatten.

Ich habe angefangen zu recherchieren, Monate damit verbracht, die Schmuckbranche zu verstehen und wie wichtig Nachhaltigkeit ist.

Was macht die Schmuckindustrie denn so schmutzig und gefährlich?

Blutdiamanten, darüber sprechen die Menschen aber nicht gerne. Es ist eine dreckige Bergbauindustrie, in der Gold und Diamanten geschürft werden. Sie ist wirklich verheerend für das Klima. Und dann dachte ich: Schmuck ist ein Produkt, das nur auf dem Bergbau basiert. Wie kann ich hier etwas anderes machen? Mir wurde klar, dass ich mein eigenes Brand gründen muss, weil ich sonst nichts ändern kann. Denn es fängt damit an, woher man etwas bezieht, wie es produziert wird, bis hin zum Endprodukt und wie man es präsentiert.

Dann war ich 2018 auf einer Messe in München. Ich erinnere mich, dass ich gerade von einem Freund aus San Francisco über Labordiamanten erfahren hatte und das war ein Thema, über das die Leute ein wenig zu sprechen begannen. Ich besuchte also einen Workshop auf der Messe, bei dem 99 Prozent alte weiße Männer für den traditionellen Diamantenabbau eintraten und dem Publikum, das hauptsächlich aus Einzelhändler*innen bestand, Angst machten. Es handele sich um gefälschte Diamanten, und die könne man nicht im selben Geschäft anbieten, das sei nicht gut für den Ruf und die Exklusivität usw. Und ich war gerade dabei, etwas über im Labor gezüchtete Diamanten zu lernen, und ich dachte: Wie kann man sie nicht verwenden?! Ich bin sogar nach San Francisco gereist, um das erste Unternehmen zu besuchen, das im Labor gezüchtete Diamanten herstellt. Man muss nicht schürfen, man verbraucht kein Wasser. Man verbraucht Energie, ja. Die Menschen, die dort arbeiten, sind hauptsächlich hochqualifizierte Ingenieur*innen, sodass der ethische Aspekt keine Rolle spielt. Das Ganze findet unter extrem kontrollierten Bedingungen statt. Und vom chemischen Verfahren her gibt es keinen Unterschied zwischen einem im Bergbau gewonnenen und einem im Labor hergestellten Diamanten. Es ist Kohle.

„ Vom chemischen Verfahren her gibt es keinen Unterschied zwischen einem im Bergbau gewonnenen und einem im Labor hergestellten Diamanten. Es ist Kohle. “

Hörst du auch jetzt, in 2024 noch oft, dass Labordiamanten nicht echt sind?

Menschen müssen über das Thema noch viel lernen. Wenn man „Labordiamanten“ googelt, findet man nur Artikel, in denen die eine Seite dafür und die andere Seite dagegen ist. In der Regel endet der Artikel mit dem Fazit, dass Minendiamanten besser sind. Diese Artikel sind von der Bergbauindustrie bezahlt und beworben.

Minendiamanten sind nicht selten. Es gibt unendlich viele von ihnen, nur ist es wahnsinnig anstrengend, dreckig und schwer, so tief in der Erde zu graben und sie zu schürfen. Eine Diamanten-Knappheit gibt es aber nicht.

Die Geschichte wird aber ganz anders dargestellt. „Ist das der letzte Diamant?“

Ja, so treibt man natürlich den Preis künstlich in die Höhe. Die Bergbau-Industrie hat gerade ein großes Problem, weil im Labor gezüchtete Diamanten immer mehr akzeptiert werden. Außerdem ist Russland eines der größten Minenländer – und exportiert gerade nicht. Gleichzeitig gründen die größten Diamantunternehmen, wie z.B. südafrikanischen De Beers (Anm. d. Redaktion: De Beers liefert gerade ein Drittel der Weltproduktion von Rohdiamanten), die seit Jahrzehnten gegen im Labor gezüchtete Diamanten sind, jetzt ihre eigenen Fabriken für im Labor gewonnene Diamanten.

Diamanten sind ein so emotionales Thema, irgendwie auch ein bisschen magisch. Findest du, dass es für die Magie egal ist, ob es ein Labordiamant oder ein „natürlicher“ Diamant ist?

Ich finde, es ist die gleiche Magie, zu 100 Prozent. Ich verstehe, dass es ein wenig Zeit braucht, sich daran zu gewöhnen. Aber es ist einfach eine neue Art der Herstellung. Die Qualität der Diamanten wird in vier Kategorien gemessen: Farbe, Schliff, Reinheit und Karat. Wenn man die Diamanten im Labor herstellt, erreicht man die gleiche Qualität, die im Labor gezüchteten Diamanten sind sogar oft viel besser als die aus den Minen. In den Minen gibt es Einschlüsse, also werden 85 Prozent weggeworfen. Im Labor ist es umgekehrt, 90 Prozent werden verwendet. Aber trotzdem ist jeder Diamant, der herauskommt, einzigartig.

Die Technologie muss sehr fortschrittlich sein, es geht darum, den Druck und die wirklich hohe Temperatur über einen Zeitraum von etwa 6 Wochen zu halten. Das sind verrückte Entwicklungen. In den 1940er und -50er-Jahren begann man, diese Dinge zu testen. Für diese Magie muss ich nicht gleich die Umwelt zerstören. Es ist nicht nur ein Loch in der Erde, wenn Diamanten in Minen geschürft werden, es gibt so viele Katastrophen, z.B. mit Quecksilber im Grundwasser.

Wo wachsen eure Diamanten denn gerade?

Das ist eine gute Frage. Sie wachsen in den USA und China. Einige auch in Dubai. Wir arbeiten mit einem Unternehmen aus Belgien zusammen, das diese Labore streng zertifiziert verwaltet. Er ist extrem auf Nachhaltigkeit bedacht. Bald werden wir endlich in der Lage sein, den Kund*innen über ihre Diamanten transparent zu berichten, woher sie kommen, wie viel Energie sie verbraucht haben und alles, was damit zusammenhängt. Wir sind auch im Gespräch mit einem neuen Partner, das Tolle an ihm ist, dass er alles von A bis Z anbietet, was wirklich ungewöhnlich ist. Das erfordert enorme Investitionen, um die Infrastruktur und die Maschinen aufzubauen.

Man könnte auch in Europa Diamanten anbauen, aber man muss einen Diamantsamen kaufen, um die Diamanten zu züchten, denn das ist die DNA des Diamanten. Nach der Zucht wird er zum Schleifen nach Indien geschickt. 90 Prozent der Diamanten weltweit werden in Indien geschliffen (Labor und Mine), dann werden sie dort poliert und kommen dann zurück nach Europa.

Was waren die ersten Schritte, als du Akind gegründet hast? Hast du eben diese Lieferanten, die Hersteller, das Design überlegt und recherchiert?



Ich habe zuerst über das Design nachgedacht, aber es wurde sehr schnell klar, dass ich es einfach, klassisch, zeitlos und modern haben wollte.

Weil es der nachhaltigste Weg ist oder weil du gerne solchen Schmuck trägst?

Ich mag ihn und er verkauft sich eben auch. Und ich dachte, wenn ich etwas verändern will, muss ich etwas machen, das viele Leute kaufen und mögen, ich muss ein kommerzielles Produkt herstellen. Ich bin keine Designerin, ich habe nicht den Wunsch, mein eigenes Kunstwerk zu realisieren. Auch das Recherchieren der Fabriken hat lange gedauert. Google, Reisen und die Erkenntnis, dass es schwer ist, Fabriken zu googeln, weil die meisten immer noch keine guten Websites haben.

Auch, weil keine andere Marke diese Informationen weitergeben will, oder?

Ja, niemand will sie teilen, also bin ich auf Messen gegangen. Dort habe ich unseren Lieferanten in Andalusien durch einige Umwege gefunden. Ich arbeite seit über fünf Jahren mit ihnen zusammen. Und dann haben wir vor etwa einem Jahr in eine italienische Fabrik expandiert, und wir haben auch einen deutschen Hersteller akquiriert.

Neben laborgezüchteten Diamanten verwendet ihr außerdem nur recyceltes Gold. Was kann man sich darunter vorstellen?

Es ist eine Mischung aus altem Schmuck, Zahngold und technischem Material. Die Scheideanstalten sind von der LBMA zertifiziert und nehmen das Gold gezielt unter die Lupe. Die LBMA schaut nach, woher das Gold ursprünglich stammt. Sie können es nicht bis in alle Ewigkeit zurückverfolgen, aber das bedeutet, dass die Raffinerie verspricht, dass sie kein Gold von unethischen Orten kauft. Die Raffinerien können z.B. das Gold nicht aus Dubai kaufen, weil viel Gold in Dubai aus Konfliktgebieten in Südafrika stammt. Aber zum Großteil ist es alter Schmuck. Dann schmelzen sie ihn ein und trennen die verschiedenen Metalle voneinander, das Gold wird zu einem neuen Barren geschmolzen, der dann einer Qualitätskontrolle unterzogen wird.

Okay, jetzt lass uns noch über das dritte Material sprechen, das ihr verwendet: Perlen! Wie sieht es da mit der Nachhaltigkeit aus? Warum sind Farmen so viel nachhaltiger als „wilde“ Perlen?

Wenn man taucht und versucht, eine Perle zu finden, muss man wahrscheinlich 10.000 Austern öffnen und töten. Die Austernzucht ist nicht unbedingt nachhaltiger. In China ist es ziemlich grausam. Chinesische Perlen, wie man sie bei allen fast allen anderen Brands sieht, werden schrecklich behandelt. Sie spritzen den Austern Hormone und Anabolika, sodass ihre Muskeln wachsen und sie anfangen, mehrere Perlen zu produzieren, etwa 7-8 Perlen auf einmal. Das ist kein Tier, dem es gut geht. Außerdem haben sie die Gewässer, in denen die Muscheln leben, verseucht. Wissenschaftlich gesehen haben Muscheln keine Gefühle, aber es bleibt ein Lebewesen!

Woher bezieht ihr eure Perlen?

Wir beziehen die Barockperlen aus Australien. Es gibt ein australisches Unternehmen, das in Australien und teilweise in Indonesien züchtet. Sie werden von den australischen Behörden streng reguliert. In Australien ist die Perlenfischerei ein ziemlich großes Geschäft und es gibt strenge Vorschriften darüber, wie die Perlen und die Umwelt zu behandeln sind. Die Akoya-Perlen in Japan haben nicht die gleichen Regeln, aber sie haben eine ganz andere Kultur mit Perlen, eine völlig andere Herangehensweise bei der Zucht, dem Feiern und der Erhaltung der Perlen über mehrere Generationen hinweg. Das heißt, wenn man eine Perle extrahiert, möchte man die Auster auch wieder verwenden können. Deshalb muss man bei der Gewinnung der Perlen äußerst vorsichtig sein, um sie nicht zu beschädigen.

Merkst du, dass eure Kund*innen eher wegen des Designs oder wegen eurer Nachhaltigkeit zu euch kommen?

Es gibt vor allem zwei Frauentypen: Die eine, die sehr modisch ist und vor allem wegen unserer Styles zu uns kommt – für sie ist die Nachhaltigkeit nur ein positives Add-on, eben ein gutes Gefühl, dass man nach dem Kauf hat. Unsere andere Kundin kauft unseren Schmuck vor allem, weil er fair produziert ist. Sie lebt das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich.

Du trägst gerade viele Ringe an deinen Fingern. Wie stylst du deinen Schmuck am liebsten?

Ich mag es, viel zarten Schmuck zu kombinieren, aber manchmal mische ich auch etwas, das ein bisschen größer und mehr ein Statement ist damit. Ich trage immer zwei Ketten und Creolen. Ich nehme sie nie ab, auch zum Schlafen nicht, das mache ich nur mit den Ringen.

Was ist der Bestseller?


Die Diamant-Halskette mit dem einen Diamanten.

Wollt ihr bald auch einen physischen Store neben dem Onlineshop eröffnen?

80 Prozent unserer Rückgaben und Umtäusche sind Ringe. Wir denken darüber nach, wir wollen mehr Pop-ups machen. Unser größter Markt ist Deutschland, wir wollen damit nach Berlin. Einen permanenten Mietvertrag für einen Store abzuschließen, das traue ich mir im Moment noch nicht zu. Wir diskutieren aber über ein paar Department Stores oder Boutiquen.

Vielen lieben Dank, Anna, für das Interview und die Einladung nach Stockholm!

Meine Wunschliste von Akind:

Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.

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