Raus aus der Stadt, rein in die Natur

Raus aus der Stadt, rein in die Natur

Den Stress hinter sich lassen, auf grüne Wälder blicken und entspannen, das wollen viele Städter*innen

Und genau das hat Raus in der Pandemie erkannt und mit seinen einsam gelegenen Cabins ins Schwarze getroffen. Seitdem boomt das Unternehmen

Eingeengt, so habe ich mich während der Pandemie oft in unsere Wohnung gefühlt – und das, obwohl sie groß und wunderschön ist. Wie es anderen Menschen ging, in kleineren Wohnungen, mit Kindern, das vermag ich mir gar nicht vorzustellen. Und da war in den Monaten des Lockdowns eigentlich nur ein Gedanke: Ich muss hier RAUS!

Dieses Gefühl kennen die drei Gründer von Raus, einem Start-up, das sich auf Kurzurlaube in nachhaltigen Cabins rund um Großstädte spezialisiert hat, nur zu gut. Im Oktober 2021 stand es da: das erste autarke Tiny Haus, bereit, Stadtbewohner*innen das zu geben, wonach sie sich sehnen: Einsamkeit, Ruhe und Natur.

Seitdem ist über ein Jahr vergangen, mittlerweile gibt es 15 (!) Standorte in Deutschland, das Team ist in so kurzer Zeit auf 30 Mitarbeiter*innen gewachsen, die Cabins so gut wie immer ausgebucht. Die drei haben anscheinend ein Bedürfnis vor allen anderen erkannt – und es dann punktgenau gestillt: Denn ihre Cabins liegen nicht nur einsam und alleine, sondern sind auch wunderschön designt und nachhaltig.

Nachdem ich selbst das Vergnügen hatte, im Frühjahr ein Wochenende in einer Cabin, genauer gesagt in DER Sigurd-Larsen-Cabin, zu verbringen, weiß ich jetzt, was daran so besonders ist: Man ist allein. Das Gefühl, ein Wochenende lang keinen anderen Menschen zu treffen, aber vor allem nicht mal zu sehen, war genau das, was ich nach einem langen Winter im vollen, gestressten und grauen Berlin-Mitte gebraucht habe.

Weil mich das Unternehmen, das schneller wächst als Bambus, so fasziniert und mich der Tatendrang und die Motivation der drei Gründer selbst inspiriert, war klar: Julian Trautwein muss mir Rede und Antwort stehen. Wir kennen uns nämlich noch aus seiner Zeit bei Airbnb, als er dort die Kommunikation geleitet hat. Dass gerade er in Deutschland die Hospitality-Szene revolutioniert, hat mich ehrlich gesagt nicht überrascht. Von welcher Cabin er als Nächstes träumt, aber schon!

Julian Trautwein

Julian, eure Idee war so einfach, wie genial: Mobile Cabins an idyllischen Orten inmitten der Natur aufstellen und als Rückzugsorte vom Stadtleben vermieten. Wie seid ihr darauf gekommen?

Johann, Christopher und ich waren bei unseren vorherigen Jobs an einem Punkt, wo wir uns fragten: Ist das, was wir machen, eigentlich noch nachhaltig und gesund? In der Stadt hast du zwar alles, was du brauchst, aber das geht auch mit nie endenden To-do-Listen einher, privat wie beruflich. Wir sind quasi always on. Mit Raus möchten wir einen Ausgleich schaffen, einen Ort, der nahtlosen Zugang zur Natur bietet und an dem unsere Gäste mehr Balance zu ihrem stressigen Alltag finden können. 

Wie findet ihr die Grundstücke, auf denen eure Raus Cabins stehen? 

Wir arbeiten eng mit Land- und Forstwirt*innen sowie mit Tourismusorganisationen und Gemeinden zusammen, um die schönsten Spots ausfindig zu machen. Viele land- und forstwirtschaftliche Betriebe stehen angesichts des Klima- und des Strukturwandels im ländlichen Raum unter hohem wirtschaftlichem Druck. Mit Raus können sie über ihre ansonsten ungenutzten Flächen zusätzliche Einnahmen generieren und unsere Plattform nutzen, um ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Inzwischen bieten wir dank der engen Zusammenarbeit neben den Cabin-Aufenthalten zum Beispiel Frühstückspakete vom Hofladen, Bio-Kochboxen, Bauernhofbesuche oder Alpaka-Wanderungen an. 

Ihr pachtet untere anderem Stellplätze auf den Grundstücken von Bauern und Bäuerinnen. War es am Anfang schwer, sie von eurem Konzept zu überzeugen?

Tatsächlich war die Resonanz der Landeigentümer*innen von Beginn an sehr gut und bis heute erreichen uns regelmäßig neue Anfragen für eine Zusammenarbeit. Das freut uns sehr und zeigt auch, dass das, was wir machen, als authentisch wahrgenommen wird. Wir plädieren für nachhaltigen Tourismus und möchten auch, dass wir als Gesellschaft wieder einen Bezug zur Natur, ihren Effekten auf unser Wohlbefinden und ihrer Rolle im Kampf gegen den Klimawandel finden. Wer Natur erlebt, lernt gleichzeitig, sie zu schätzen und zu schützen.

Warum sind so viele Menschen von dem Konzept Tiny Haus begeistert? Was denkst du?

Ich glaube, wir sind mit unserer Idee sehr nah am aktuellen Zeitgeist. Mit dem Thema Tiny House verbinden viele Menschen die Idee von Minimalismus und die Auffassung, dass wir den Überfluss, in dem wir im westlichen Europa leben, vielleicht gar nicht so stark brauchen. Als wir vor einem Jahr unsere Website gelauncht haben, gab es Restriktionen wegen Covid-19 und wir haben richtig gemerkt, wie sehr die Leute „einfach mal raus“ wollten – trotz der Ungewissheit dieser Zeiten, oder vielleicht auch gerade deswegen: Man muss schließlich nicht weit reisen.

Wie lange hat die Entwicklung der ersten Cabin gedauert? Habt ihr sie selbst designt?

Das allererste Design haben wir mehr oder weniger intern zusammengescribbelt und uns für die konkrete Umsetzung Architekt*innen und Produzent*innen mit an Bord geholt. Inzwischen haben wir ein internes Cabins-Team. Gemeinsam kümmern sie sich um die Produktion, aber auch um die Ausstattung. Dabei lautet die Maxime stets: Wie schaffen wir ein immersives Naturerlebnis?

Was ist die größte Herausforderung, wenn man ein Tiny Haus designt?

Unserem hohen Anspruch an Nachhaltigkeit gerecht zu werden, ist im Moment unsere größte Herausforderung. Wir schaffen ein einzigartiges Naturerlebnis mit hohem Komfort-Standard in komplett autarken Cabins, abseits der Infrastruktur. Das bedeutet, dass wir viele Prozesse neu aufsetzen und manchmal auch kreativ sein müssen. Wie gewährleisten wir eine kontinuierliche Energie- und Wasserversorgung auch an abgeschiedenen Orten? Wie führen wir die Wartung durch? Wie funktioniert der schlüssellose Check-in? Wie können wir die Cabins von Berlin aus steuern? Die Komplexität, die mit unserem Business-Modell einhergeht, ist hoch und um einiges vielschichtiger als wenn man ein Hotel oder eine Pension in der Stadt betreibt. Wir haben viele Zimmer – und die befinden sich alle an unterschiedlichen, meist sehr entlegenen Orten.

Inwiefern spielt Nachhaltigkeit bei euren Cabins eine Rolle? Achtet ihr bei den Materialien darauf?

Wir verwenden FSC-zertifiziertes Holz und rüsten unsere Cabins mit modernen Trockentoiletten, eigenen Wassertanks und Solarzellen auf dem Dach aus, sodass sie mit grüner Energie betrieben werden können. Da die Cabins auf Rädern stehen, sind sie zudem mobil und greifen nicht in den Boden ein. Über kleine, in den Cabins eingebaute Displays kann man den Stand von Wasser und Strom ablesen, sodass ein Bewusstsein für die Schonung von Ressourcen geschaffen wird. Das soll kein strenger Fingerzeig sein, aber wir finden, es gehört dazu, mit lebenswichtigen Beständen hauszuhalten. Zu guter Letzt schaffen wir einzigartige Rückzugsorte, die nicht weit von Großstädten entfernt sind – und damit alternative und heimische Reiseziele. Die Standorte sind alle auch über öffentliche Verkehrsmittel erreichbar. Ziel ist es, einen Aufenthalt in der Natur genauso einfach möglich zu machen, wie einen Flug zu buchen – am besten noch einfacher. 

Im neu gelaunchten Onlineshop von Raus Life kann man sich ein Stück Cabin nach Hause holen

Ihr arbeitet auch mit Architekten wie Sigurd Larsen zusammen. Von welcher*m Designer*in / Architekt*in hättest du gerne eine Raus Cabin?

Da gibt es viele! Wir haben zahlreiche Ideen und fragen uns zum Beispiel auch, wie man ganz neuartige Modelle entwickeln kann – etwa schwimmende Cabins oder eine Art Baumhaus. Ich bin ein großer Fan von Sigurd und seiner Designsprache. Für uns steht das Naturerlebnis an erster Stelle und da spielt das Design natürlich eine entscheidende Rolle. Aber wenn du mich so fragst – eine Cabin von Sir David Chipperfield wäre natürlich ein absoluter Knaller. 

Von welchem Design-Feature in einer Cabin träumst du? Pool auf dem Dach? 

Ich bin schon total happy, dass wir aktuell an zwei Standorten zur Cabin auch eine Sauna bzw. bei unserer Lodge Landsitz zudem auch einen Hot Tub anbieten – das kommt einem Pool zumindest nahe. Wir hoffen, bald auch einen Schwimmteich an einem Standort zu haben und denken natürlich die ganze Zeit darüber nach, mit welchen Features wir den Aufenthalt noch einzigartiger gestalten können. Dabei wollen wir aber natürlich auch unserem minimalistischen Ansatz treu bleiben und müssen immer schauen, was bei unserem autarken Produkt möglich ist. Grundsätzlich träume ich von einer Floating Cabin. Vielleicht ja schon bald einmal hier auf der Spree?

Ich habe noch nie so eine coole Trockentoilette mit Gummiband gesehen wie bei euch? Arbeitet ihr für diese Art von Innovationen auch mit anderen Unternehmen zusammen? Welche innovativen Dinge findet man bei euch noch?

Autarke Cabins machen erfinderisch. Wir schauen natürlich immer, welche Ausstattung zu unserem Produkt passt und gleichermaßen zu unserem ästhetischen Anspruch. In erster Linie tun wir uns mit Brands zusammen, die dieselben Werte vertreten wie wir. Aktuell arbeiten wir zum Beispiel an einer Partnerschaft mit Muuto, weil wir deren Nachhaltigkeitsbestreben wahnsinnig faszinierend finden. Von Beginn an ist außerdem Good Clay Sunshine dabei – ein kleines Berliner Keramik-Studio. Wir finden es klasse, wenn wir mit lokalen, kleinen Brands zusammenarbeiten können. Zeitgleich sind unsere Cabins schon jetzt mit einiger smarter Technologie ausgestattet, die dafür sorgt, dass unsere Gäste einen unbeschwerten Aufenthalt haben können. Von schlüssellosen digitalen Türschlössern, Sensoren, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen, bis hin zu unseren Solaranlagen und Frischwasseraufbereitung. Wir haben sozusagen ein Tech-Backend entwickelt für ein Natur-Frontend. 

Ihr wachst wahnsinnig schnell, so schnell, dass ich den Überblick verloren habe: Wann ging eure erste Cabin live und wie viele Cabins habt ihr jetzt? Wie viele sind für 2023 geplant? 

Die ersten Standorte rund um Berlin gingen im Oktober 2021 live. Raus ist also gerade ein Jahr alt geworden und irgendwie fühlt es sich so an, als liege der Launch nur einen Wimpernschlag zurück. Das kommt wahrscheinlich daher, dass so viel passiert ist: Inzwischen betreiben wir mehr als 20 Cabins rund um Berlin, Hamburg, Leipzig, Dresden und Hannover. Es gibt eine Lodge, die mit drei Cabins Platz für befreundete Paare, Freund*innen, Familien oder auch Retreats, Workshops und Firmen-Events bietet. Wir haben verschiedene Food & Beverage Angebote sowie Aktivitäten auf den Weg gebracht, genau wie Wellness-Möglichkeiten dank Sauna und Hot Tub. Für 2023 planen wir, deutschlandweit zu wachsen – und vielleicht sogar darüber hinaus.   

Aha, das klingt nach internationaler Expansion.

Ja, perspektivisch möchten wir auf jeden Fall auch international Fuß fassen. Gestresste Großstädter findet man nicht nur in Deutschland.

Du hast schon vorher im Hospitality Bereich gearbeitet. Inwiefern hat dir das Wissen dort geholfen?

Ich bin durch Airbnb in der Reise- bzw. Hospitality-Branche gelandet. Das war vor acht Jahren, als das Unternehmen nach Deutschland bzw. Europa kam. Zuletzt war ich bei Tourlane, habe also einen digitalen Background, was das Gastgewerbe betrifft. Beide Positionen haben mich viel gelehrt – einerseits, was man durch den Aufbau einer starken Brand erreichen kann, andererseits, wie wichtig einzigartige Lage und Aussicht sind, wenn es darum geht, wie man einen Urlaub in Erinnerung behält. Bis heute bewundere ich außerdem viele kreative Ansätze und Methoden der Airbnb-Gründer. Airbnb hat definitiv extrem viel Einfluss darauf, wie wir heutzutage reisen, was wir von Unterkünften und GastgeberInnen erwarten und wie man Gastfreundschaft revolutionieren kann. 

Du kennst dich mit Kommunikation als ehemaliger Kommunikationschef in zwei Hospitality-Unternehmen am besten aus: Was war der Gamechanger beim Live-Gang von Raus: Instagram, Mund-zu-Mund, Features in der Presse? Wie entstand der erste Hype um die Cabins?

Instagram hat uns am Anfang wahnsinnig nach vorne getrieben, auch weil Gäste direkt Eindrücke von ihrem Aufenthalt geteilt haben. Dann sind viele Berichte in den bekanntesten deutschen Medien erschienen, was uns ebenfalls sehr geholfen hat. Zusätzlich haben wir von Anfang an ziemlich gutes Feedback auf unsere Newsletter bekommen, über die nach wie vor im Durchschnitt am meisten gebucht wird. Mir ist es wichtig, dass Raus eine starke Brand ist, die auch Haltung zeigt und einen scharfen USP hat – eine Brand, mit der sich Menschen identifizieren können und die ihre Community auf persönlicher Ebene abholt und begeistert.

Was suchen die Gäste, wenn sie bei Raus buchen: Einsamkeit, Minimalismus? Entspannung? Für den Preis könnte man schließlich auch ein Hotelzimmer inklusive Frühstück bekommen?

Ein bisschen von allem. Eine Auszeit von ihrem Alltag, den Verpflichtungen und der Hektik der Stadt. Wir haben Raus so gestaltet, dass unsere Gäste im Hier und Jetzt präsent sein und ihre Aufmerksamkeit bewusst auf die für sie wichtigen Dinge richten können, ohne viel Mühe und Vorbereitung. Wir wollten dabei den Komfort eines Boutique-Hotel-Zimmers mit einem Naturerlebnis verbinden. Unsere Gäste sollen bei ihrer Auszeit nichts missen müssen. Unsere Cabins befinden sich an ganz besonderen Orten, jede einzelne mit einem einzigartigen Ausblick und in idyllischer Umgebung. Man ist weg von allem, trifft nicht auf 200 Menschen am Buffet oder findet Liegen vor, die schon um 7 Uhr morgens mit Handtüchern reserviert wurden.

Weißt du, wie viele der Gäste die Raus Cabins zum Arbeiten und wie viele sie zum Entspannen buchen?

Die meisten Gäste kommen, weil sie wirklich eine Auszeit nehmen möchten. Es wäre auch zu schade, wenn man den ganzen Tag in einen Bildschirm starrt, obwohl man so einen ungestörten und weiten Blick in die Natur hat. Nichtsdestotrotz glauben wir, dass man manchmal einen Kulissenwechsel braucht, um sich wirklich auf ein Projekt konzentrieren zu können, das einem am Herzen liegt. Immerhin können Ortswechsel auch Perspektivwechsel bewirken und die Kreativität ankurbeln. Zumal man in einer Cabin wahnsinnig flexible Arbeitszeiten hat und mit seinem Rhythmus gehen kann. Manchen Leuten liegt es schließlich, sich spätabends noch einmal an eine Aufgabe zu setzen. Wie schön wäre es, wenn in unseren Cabins ein innovativer Businessplan entsteht oder ein Roman geschrieben würde?

Welchen Standort findest du persönlich am schönsten? Welcher Standort ist von den Buchungsanfragen am beliebtesten?

Wir Gründer testen in der Regel die Cabins noch einmal selbst, bevor ein Standort auf der Website live geht – aber ich tue mich da wirklich schwer, einen Favoriten zu nennen. Tatsächlich kommt bei unseren Gästen die Cabin designt von Sigurd Larsen besonders gut an, aber auch unser Standort Lindenblick ist wahnsinnig beliebt. Seit er im Sommer online gegangen ist, war er bereits in vier Monaten schon zu 100 Prozent ausgebucht.

In welcher Cabin würdest du Weihnachten oder Silvester feiern?

Ich kann mir vorstellen, dass das bei unserer Lodge Landsitz ein besonders tolles Erlebnis ist – einfach, weil man dort gemeinsam mit Freund*innen hinfahren kann und Sauna und Hot Tub vor Ort hat. Genauso gut würden sich aber sicher auch Heuwiese oder Bucheneck eignen, da man dort ebenfalls Zeit gemeinsam mit Freund*innen verbringen kann. Dort befinden sich jeweils zwei alleinstehende Cabins, die aber fußläufig nicht weit voneinander entfernt stehen.

Vielen Dank für deine Zeit und das Interview, lieber Julian!

Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.

  • Fotos:
    Raus

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