Niels Morawietz

Ich bin Niels und erzähl euch einfach mal einen Schwung aus meinem Leben. Am 8. März 1988 wurde ich mithilfe einer Zange aus dem warmen Bauch meiner Mama geholt. Dank einer ordentlichen Ladung Fruchtwasser in der Lunge kam ich im damaligen roten Teil von Berlin blau zur Welt. Am 09. November '89 verpennten meine Eltern und ich den Mauerfall, ich denke, mir wäre es eh Latte gewesen. Irgendwie fiel ich irgendwann zwischen '90 und '93 auf den Kopf, irgendwo zwischen Ernst Thälmann und Zeiss-Großplanetarium.

Die folgenden Jahre trug ich Topfschnitt, kokelte im Sportforum, pinkelte in den Orankesee oder versuchte Zigaretten mit fragwürdiger Herkunft auf Lunge zu rauchen. Meine Familie zog weiter Richtung Moskau, aber am Cottbusser Platz war Endstation, nein nicht der Kotti, der Cotti. Hier zockte ich mit Kumpels Nächte lang Tekken 3, fuhr im Einkaufswagen den Kienberg herunter und trank meine ersten Dosenbiere vom Asia Imbiss um die Ecke. Ein paar Bier später, an einem Abend im Jahr 2008 gratulierte mir mein Direktor zum bestandenen Abitur und erklärte, ich würde nun zur Elite von Deutschland gehören. Bis dahin wusste ich nicht, dass es so schlecht um unser Land steht.

Für meine Ausbildung zum Gestalter für visuelles Marketing zog ich nach Hannover, ich heulte nächtelang. Mal weinte ich nach meiner Mama, mal nach meiner Ex. Außerdem hatte ich nix im Kühlschrank, bis auf Senf und Gewürzgurken. Viel Kohle hatte ich ja nicht, das meiste ging für Klamotten drauf. Man nannte mich auch den weißen Prinzen von Bel-Air. Eines Tages kam ich auf Arbeit und da stand sie, am Drucker, ihr Haar war dick, blond und gewellt, meins war dünn, straßenköterblond und nach hinten gegelt. Sie riet mir zu einer Kurzhaarfrisur. Heute leben wir wieder in Berlin, zusammen mit unseren zwei wundervoll durchgeknallten Töchtern. Die Drei sind meine Rettung und ich liebe sie und chinesisches Essen.

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