Möbeldesign – Made in Berlin #4: Vanpey
Willkommen beim letzten Teil unserer Design-Serie. Den Abschluss unserer Interview-Reihe macht das Berliner Möbelbrand Vanpey
Unsere kleine Design-Serie geht mit dem heutigen Interview zu Ende
Wir treffen Ralf Schmitz an einem sonnigen Februartag im Prenzlauer Berg. Dort sitzt seine Firma Vanpey in einem dieser kleinen Altbau-Ateliers, die in Berlin mehr und mehr zur Rarität werden. Vorne ein kleines Ladengeschäft / Büro / Showräumchen. Der Blick durch die Tür lässt die Besucher dann direkt ins sprichwörtliche Herz der Firma schauen. Ein großer Arbeitstisch steht dort in der Mitte, die Wände sind eingenommen von perfekt angepassten Regalen, in denen sich die Teile für die Möbel von Vanpey stapeln. Alles schlicht, alles in Weiß.
Das Konzept der Berliner Möbelmarke ist ebenso so schlicht wie funktional. Die Regale, Sideboards oder Tische werden gesteckt und kommen ohne Schrauben aus. Alle Möbelstücke werden außerdem in Kleinstserien gefertigt und haben jedes eine fortlaufende Seriennummer. Offene Kanten und MDF-Platten gehören zum unverkennbaren Signature-Look von Vanpey und machen die Möbel für mich auf diese Weise so nahbar und zeitlos, dass ich am liebsten meine komplette Wohnung mit diesen Understatement-Stücken einrichten möchte.
Nachdem Ralf uns in aller Seelenruhe durch sein kleines Reich bestehend aus Werkstatt, Lagerraum und gemütlicher Küche geführt hat, gibt es erst mal schwarzen Kaffee und wir genießen den Blick auf die ruhige Seitenstraße im Winskiez. Ralf holt uns mit seinen ruhigen Antworten, den langen Denkpausen und spitzen Witzen direkt wieder herunter. Denn dank eines BVG-Streiks sind sowohl Sophia als auch ich mit Verspätung und leicht abgehetzt zum Termin erschienen. Entspannt reden wir also über die DNA der seit 2006 bestehenden Marke, die ersten Möbelstücke entstanden auf Ralfs Dachboden und den immerwährenden Kampf um Anerkennung, den deutsches Design auf dem internationalen Markt ausfechtet.
Warum Vanpey?
Das ist der Geburtsname von meiner Urgroßmutter. Das ist holländisch und es waren eigentlich zwei Wörter: van und Pey. Für das Label habe ich es einfach zusammengezogen.
Wie kam es zur Gründung von Vanpey?
Ich wollte mich gerne selbstständig und etwas Eigenes machen und habe dann überlegt, womit mir das gelingen könnte. Ich habe eine Tischlerei-Ausbildung gemacht und anschließend Architektur studiert. Über Freunde habe ich außerdem etwas im Bereich Filmausstattung gearbeitet. Und wo kommen all diese Bereiche am besten zusammen als beim Möbeldesign? Auch vorher hatte ich immer mal wieder etwas Eigenes für mich gebaut und hatte dann die fixe Idee mit ganz einfachen Mitteln und Materialien günstige Möbel zu bauen.
Womit hast du angefangen?
Für meine ersten Möbel habe ich mein Material im Baumarkt besorgt und bei mir auf dem Dachboden in einer Miniwerkstatt meine ersten Entwürfe umgesetzt. Damals noch ganz alleine. Ich habe keine großen Möbel gebaut, sondern kleine farbige Dinge wie Handschuhboxen, eines unserer Möbel der ersten Stunde. Die gefallen mir auch heute noch unheimlich gut. Meine ersten Kunden waren im Prinzip meine Freunde und Stück für Stück ist Vanpey dann gewachsen. Der erste Raum kam dazu und ich habe zeitig gemerkt, dass ich, um davon leben zu können, meine Entwürfe teurer verkaufen muss. Die Handschuhbox etwa ist heute doppelt so teuer wie damals. Da lohnen sich dann schnell nur noch große Möbel.
Ui, warum?
Es lohnt sich sonst einfach nicht. Massenfabrikationen sind natürlich relativ billig, doch sobald es handwerklich wird, sprich Einzelstücke, individuelle Maßanfertigungen, teure Materialien, dann wird es sehr schnell sehr teuer. Ich musste ja nicht nur die Materialkosten mit einrechnen, sondern auch die Arbeitsstunden. Somit wurden meine Möbel auf einmal sehr schnell teurer und ich habe gemerkt, dass ich einfach größere Möbel herstellen muss, damit sich das Investment lohnt. Kaufst du eher ein Bett für 2.000 Euro oder einen Schuhschrank für 800 Euro? Eben. Die deutschen Kunden sind ohnehin sehr zurückhaltend und das finde ich sehr schade. Viele Kunden haben nicht den Mut zur Farbe.
Macht ihr für Vanpey in irgendeiner Form Marketing?
Wir sitzen hier im Prenzlauer Berg und ich muss gestehen, dass ich das Marketing im Kiez lange schon anschieben will. Denn die Kunden, die unsere Möbel kaufen, gibt es hier. Das meiste verkaufen wir zurzeit über unsere Webseite, denn wir sind tatsächlich bei keinem anderen Händler oder in Shops vertreten. Unser Kundenstamm zieht sich dennoch über ganz Deutschland und darüber hinaus. Wir produzieren ziemlich teuer und ich kann die Möbel nicht zum Einkaufspreis verkaufen, was bedeutet, dass ich nicht über Zwischenhändler gehen kann, sondern direkt verkaufen muss.
Ich habe bei Vanpey den Eindruck, dass bei euch das Handwerk noch stark im Mittelpunkt steht.
Anstatt immer neue Produkte zu entwerfen, legen wir hier tatsächlich den Fokus darauf, Bestehendes zu optimieren. Ich möchte perfektionieren, was wir bereits können und daran arbeiten, Kleinigkeiten besser zu machen. Unser Fokus ist schlichtes Design, das sich perfekt einfügt und dessen Funktionen einfach, aber effektiv sind. Dekorative Elemente außerhalb von Farbe spielen fast keine Rolle, bei uns steht wirklich die Verarbeitung und Qualität im Vordergrund.
„ „Die deutschen Kunden sind ohnehin sehr zurückhaltend und das finde ich sehr schade. Viele Kunden haben nicht den Mut zur Farbe.“ “
Wie würdest du euch in drei Worten beschreiben?
Das ist super. Wir haben passenderweise erst eine Kundenumfrage gemacht, daher weiß ich das genau. Schlicht trifft schon mal zu. Einfach passt auch gut denn unsere Mechanismen sind ja ganz primitiv und überhaupt nicht kompliziert, aber gerade deshalb so effektiv. Und wir sind eine sehr persönliche Firma. Wir sind sehr transparent, man kann sehr schnell herausfinden, wer hinter Vanpey steht. Und wir sind bei jedem Schritt involviert: vom Entwurf über die Produktion bis hin zum Verkauf. Wer hier anruft, hat einen von uns an der Strippe.
Also schlicht, einfach und persönlich. Das klingt sehr schön!
Ja, fast ein bisschen naiv! (lacht)
Was das Konzept angeht, kommt ihr der Idee des Bauhaus sehr nahe – beabsichtigt?
Das rührt einerseits sicherlich von meinem Architekturstudium. Auf der anderen Seite ist die eigene Designsprache etwas, das einfach aus einem herauskommt und auf persönlichem Geschmack und auch den eigenen Fähigkeiten beruht. Dem eigenen Talent. Ich konnte leider nicht besonders gut zeichnen und habe mir daher im Studium eine bestimmte Formensprache angeeignet, mit der ich arbeiten kann. Die ist gerade und direkt, schlicht, einfach.
Hast du Vorbilder?
Ich hatte jedenfalls nie die Absicht Bauhaus-Möbel zu machen. Dafür finde ich es auch zu groß. Ich möchte nicht sagen „Ich baue Bauhaus“. Aber irgendwie ist man ja beeinflusst und dieser gerade Stil, den verfolge ich eben auch. Wenn ich einen Designer nennen würde, dessen Arbeit ich sehr stark finde, dann sicherlich Steffen Kehrle. Wenn ich das Geld hätte, würde ich ihn sofort für Vanpey beauftragen.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei euch?
Nachhaltigkeit war und ist schon immer ein Thema bei uns. Es ist mir auf keinen Fall egal, aber wir haben da starke Grenzen. Hier werden außerdem zwei Sachen oft in einen Topf geworfen: das Ökologische und die Nachhaltigkeit.
Was das Ökologische angeht, da haben wir natürlich Grenzen, weil wir die Werkstoffe von einer Firma kaufen. Da gibt es für die Inhaltsstoffe EU-Richtlinien, auf deren Einhaltung wir natürlich achten. Wenn ich es jetzt streng ökologisch sehen würde, ich glaube, man müsste ausschließlich mit Massivholz arbeiten. Aber nachhaltig ist ja auch die Art des Entwurfes, die Bauart, die Lebensdauer. Und ansonsten, wie wir arbeiten. Wir haben Ökostrom, wir haben kein Auto, alle fahren Fahrrad. Und wir versuchen immer Verpackungsmaterial einzusparen und darüber, ob man Kunststoffe nicht doch ersetzen kann mit Papier. Wie man es besser machen kann. Wir bemühen uns sehr! Es ist ein Prozess. Wir haben eine Unterseite zu unserer Philosophie, auf der man dazu noch weitere Informationen bekommen kann.
Hinzu kommt, dass unser Design super schlicht ist und einem nicht nach kurzer Zeit auf die Nerven geht (lacht). Das ist, neben der Haltbarkeit, auch eine Form von Nachhaltigkeit. Wenn etwas kaputtgeht, kann man sich außerdem immer an uns wenden und sich ein Ersatzteil holen.
Verfolgst du deine Branche oder hältst du dich inzwischen eher raus?
Es ist schwer für mich zu sagen, wie gut man eigentlich informiert ist. Früher habe ich auch mehr gemacht, um mich auf dem Laufenden zu halten als heute. Ich mache Vanpey jetzt seit zwölf Jahren und in den ersten sechs Jahren ist natürlich mehr passiert. Ich habe mehr entworfen, war jedes Jahr auf der Möbelmesse – als Besucher, um mich zu informieren. In den ersten Jahren gab es aber auch viele Ausstellungen, bei denen Vanpey dabei war. Klar interessiere ich mich aber für Möbeldesign und verfolge genau, was andere und große Marken so machen. Was die kleinen Labels angeht, da sind fast alle, die ich von damals kannte, weg.
Sind wir nicht in der Lage, unser eigenes Handwerk und unsere Design-Sprache zu bewerben?
Was ich immer mal wieder sehe und spannend finde, sind Designs von ganz kleinen Firmen. Die setzen sich aber oft auf lange Sicht aus unterschiedlichen Gründen nicht durch. Weil sie merken, dass sie damit nichts verdienen, weil das Konzept wirtschaftlich nicht aufgeht oder weil sie schlicht keine Lust mehr haben. Für Werbung ist bei dem Kampf oftmals gar kein Platz.
Und es mangelt in Deutschland noch immer an Unterstützung.
Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Gerade Berlin tut sich da seit Jahren schwer. Es gibt hier zahllose Möbeldesigner und Manufakturen aber keine Messe, die attraktiv genug für zahlungskräftige Aussteller ist. Die Kleinen gehen noch auf die Messen und das müssen sie auch, um gesehen zu werden. Nur dann muss der Veranstalter einen Special-Preis machen, weil sie nicht viel zahlen können. Es braucht für die Wirtschaftlichkeit einer Messe, also auch die großen Firmen und die sind in Köln oder Mailand. Die wollen gar nicht nach Berlin.
Was ist ein möglicher Weg in Richtung Möbeldesign und Selbstständigkeit?
Es gibt so diese Ein-Personen-Allround-Talente, die handwerklich super gut sind und einfach tolle Möbel für reiche Leute machen. Das ist glaube ich immer eine Nische. Allerdings braucht man auch dafür die Kontakte. Wenn man eine Firma aufbauen will, ist das alles schon komplexer. Als Ausbildung für einen Möbeldesigner*in halte ich eine handwerkliche Ausbildung oder ein intensives Praktikum für notwendig für den praktischen Teil. Für den theoretischen, den Design-Teil, würde ich ein gestalterisches oder künstlerisches Studium vorschlagen.
Vielen Dank für das interessante Interview!
Die Möbel von Vanpey könnt ihr im hauseigenen Webshop kaufen. Auf dem Instagram-Account von Vanpey findet ihr außerdem schlichte und ergreifende Inspiration zur simplen Einrichtung.
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