Statussymbol Möbel – Die Nachkriegszeit und ihre Bedeutung im Interior

Statussymbol Möbel – Die Nachkriegszeit und ihre Bedeutung im Interior

Der Mid-century modern Trend ist ungebrochen. Mari und Lena Müller verkaufen die geschichtsträchtigen Möbel in ihrem Store Mill in Köln.

Der Mid-century modern Trend ist ungebrochen. Mari und Lena Müller verkaufen die geschichtsträchtigen Möbel in ihrem Store Mill in Köln.

Die Nachkriegszeit ist schon lange überwunden. Veraltete Rollenmuster haben wir weitestgehend über Bord geworfen und auch sonst hat sich gesellschaftlich einiges verändert. Doch ein Gut aus den Fünfzigern schafft es gerade in die schickesten Loftwohnungen oder zieht stilecht in das renovierte Haus aus den Sechzigern ein. Ganz klar, ich spreche hier vom Sideboard aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Jeder, der einrichtungstechnisch etwas auf sich hält, schwimmt auf der Mid-Century-modern Trendwelle mit. Ich habe die Schwestern Mari und Lena Mueller in der Kölner Innenstadt getroffen, wo sie mit viel Hingabe und Know-how ihr Möbelgeschäft Mill betreiben, und nach diesem Trend befragt.

Sie müssen es sclhießlich wissen: Alle Möbel, die sie verkaufen, haben mindestens 60 Jahre auf dem Buckel.

Wie kamt ihr dazu Vintagemöbel zu verkaufen?

Das kam eher schleichend. Bei DaWanda haben wir angefangen Vintagetaschen zu verkaufen und irgendwann auch Wohnaccessoires in unseren Shop aufgenommen. Das mit den Möbeln war eher Zufall, weil wir bei einer Wohnungsauflösung waren und eine nette alte Dame uns ganz viel geschenkt hat. Also haben wir probiert, auch die Möbel über DaWanda zu verkaufen. Wir haben direkt Möbel nach Berlin verkauft und der recht hohe Preis für die Spedition war für die Kunden überhaupt kein Problem. Wir wussten nicht, dass die Leute so bereitwillig die Speditionskosten übernehmen würden. Wir dachten, das wäre eine viel größere Hürde. Dann haben wir immer mehr Wohnungsauflösungen besucht und so kam das Eine zum Anderen.

Wo findet ihr eure Möbelstücke?

Tatsächlich ganz klassisch bei Wohnungsauflösungen. Inzwischen haben wir auf unserer Homepage unter „Ankauf“ eine eigene Kategorie. Seitdem kriegen wir immer öfter passende Angebote. Wir arbeiten auch mit Entrümplern zusammen, die wissen, was wir wollen und uns kontaktieren, wenn sie für uns interessante Möbel haben.

Kanntet ihr euch schon immer mit Interiorobjekten aus?

Die Affinität alten Dingen ein neues Leben zu geben oder Sachen selbst zu bauen war bei uns schon immer da. Wir hatten privat immer viele alte Möbel und haben sie auch oft selbst aufbereitet. Zum Beispiel haben wir alte Cocktailsessel mit neuem Stoff bezogen. 

Wir konnten uns nur nie vorstellen so etwas zu verkaufen, weil wir immer dachten es sei viel zu kompliziert mit der Spedition und zu teuer für die Kunden.

Warum, vermutet ihr, ist der Mid-century modern Trend gerade so groß?

Dieses schlichte Design lässt sich einfach super kombinieren. Auch mit ganz modernen Sachen, sodass es zu ganz vielen Einrichtungsstilen passt. Das typische Sideboard aus der Zeit kann sich jeder hinstellen und es sieht immer gut aus. Vieles, was in der Zeit kreiert wurde, hat ja auch den Grundstein für modernes Möbeldesign gelegt.

Und abgesehen vom klaren Design haben wir das Gefühl, dass die Leute wieder Qualität wollen. Wenn man die Qualität der Möbel aus den Fünfzigern und Sechzigern heute nachbauen würde, könnte sich das niemand mehr leisten. Wer Möbel gebraucht kauft, kann dies zu einem recht erschwinglichen Preis tun und hat keine Einbußen in der Qualität. Es ist einfach etwas Besonderes, dass Scharniere noch aus Metall sind und kein Kunststoff verarbeitet wurde. Auch der Nachhaltigkeitsaspekt spielt bei unseren Kunden immer mehr eine Rolle.

Was habt ihr durch euren Shop über die Einrichtungsphilosophie der damaligen Zeit gelernt?

Zu der Zeit waren natürlich alle noch mit den Nachkriegswehen beschäftigt. Aber danach gab es auch das besonders große Bedürfnis, es sich wieder schön zu machen. Bei den Wohnungsauflösungen hören wir auch immer wieder, dass Möbel angeschafft wurden, die ein Leben lang halten sollten. Junge Paare haben fünfstellige D-Mark-Beträge in die Hand genommen und Wohnwände gekauft. Das war ein Statussymbol.

Gibt es Designer oder Designerinnen aus dieser Zeit, die ihr besonders mögt?

WK-Möbel sind immer schön, die sind sehr filigran und haben lange Beine. Die Qualität ist auch wahnsinnig gut. Besonders spannend finden wir auch, dass in der Zeit Frauen angefangen haben Möbel zu designen. Schließlich kommt Ray Eames aus dieser Zeit. Aber eigentlich heben wir keine Designer hervor. Wir setzen auch im Verkauf nicht auf Designer, sondern gehen nur nach Optik und Qualität. Wenn wir etwas schön finden, kommt es in unseren Shop. Wir haben auch schon viele Möbel von Designern stehen lassen, weil wir sie einfach nicht schön fanden. Auch wenn wir dafür viel Geld hätten nehmen können.

Pflanzen spielen bei Mill inzwischen auch eine große Rolle, wie kam es dazu? 

Wir hatten in unserem Laden von Anfang an viele Pflanzen, auch für die Fotos, die wir von den Möbeln machen. Dann wollten die Kunden ständig unsere Requisite kaufen. Wir haben dann einfach mal ein paar Pflanzen gekauft, die sofort weg waren. Jetzt haben wir einen passenden Großhandel in Holland gefunden, wo wir hinfahren, weil unsere Kunden die Pflanzen aus den Händen reißen. 

Was sind das für Menschen, die bei Mill einkaufen? Habt ihr viele Stammkunden?

Wir haben sehr viele und treue Stammkunden, was total schön ist. Die haben schon damals bei uns gekauft, als wir nur eine Lagerhalle in Ehrenfeld hatten. Momentan ist unsere Kundschaft noch eher weiblich, das ändert sich aber zusehends. Es kommen auch viele junge Paare zu uns, die vielleicht gerade ein Kind bekommen und sich von ihren Ikea-Möbeln verabschieden wollen. Oder die erste Wohnung nach der Studentenbude bestücken. Da sind viele bereit etwas mehr zu zahlen. Unser ältester Kunde ist über 80 Jahre alt. Ältere Leute werden manchmal nostalgisch und suchen dann genau die Sachen, die damals so oder so ähnlich in der eigenen Wohnung standen. Und mit unserem Pflanzenangebot hat sich das Publikum auch verändert und mehr durchmischt.

Wo wollt ihr mit Mill noch hin?

Wir haben ganz viele Pläne, das hier ist erst der Anfang. An den Ideen wird es bei uns nie scheitern. Wir arbeiten gerade an einem Projekt, das Ausstattung mit Pflanzenkonzepten für Leute anbieten soll, die gern Pflanzen in ihren Wohnungen hätten, aber keine Zeit oder Muße haben sich darum zu kümmern. Das kann man natürlich auch für Büros oder Ähnliches anbieten. Das ist gerade unser Randprojekt. 

Kunden sagen uns auch immer wieder, wir sollten doch ein Café in den Laden integrieren. Bei uns in den Räumen fühlen sich alle immer so wohl und manche kommen einfach kurz zum Verweilen vorbei, weil es so schön ist. Aus diesem Aspekt wollen wir auf jeden Fall auch noch etwas machen.

Vielen Dank für das Interview, ihr beiden!

Mill – Vintage and Interior findet ihr im Eifelwall 44 in 50674 Köln. Und wenn euch das zu weit ist, schaut unbedingt im Onlineshop vorbei!

  • Fotos:
    Mill Vintage & Interior

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