Vegan ist auch keine Lösung
Fleisch essen ist ein heikles Thema, wenn man sich in umweltbewussten Kreisen bewegt. Aber ist man ein schlechter Mensch, nur weil man Fleisch isst?
Fleisch essen ist ein heikles Thema, wenn man sich in umweltbewussten Kreisen bewegt. Ist man ein schlechter Mensch, nur weil man Fleisch isst?
Bilder von eitrigen Eutern, blutüberströmten Schweinen, die in ihren zu kleinen Ställen miteinander gekämpft haben und von Hühnern, die beinahe alle Federn vor lauter Krankheit verloren haben, kennen wir zur Genüge. Dass da manchen schlecht wird, wenn sie an ein Stück Fleisch denken, ist völlig verständlich. Massentierhaltung ist ein Verbrechen, das man nicht schönreden kann. Selbstverständlich sollte Fleisch aus Massentierhaltung boykottiert werden. Allerdings bin ich vollkommen dagegen, auch gutes Fleisch aus artgerechter Haltung abzulehnen.
Denn was würde denn mit den ganzen Masttieren passieren, wenn plötzlich niemand mehr Fleisch isst? Das ist keine rhetorische Frage, ich frage mich das wirklich. Höchstwahrscheinlich würden sie alle umgebracht werden, einfach so, weil sie in der Welt der Veganer keinen Gewinn mehr abwerfen. Klar, würdiger ist der Tod für diese Tiere bestimmt, aber ist das eine nachhaltige Lösung? Ich glaube nicht und deshalb bin ich für einen Wandel in der Fleischindustrie und nicht für ein vollkommenes Negieren dieses Wirtschaftszweigs.
Wer Fleisch mag, muss nicht darauf verzichten
Aber was ist die Alternative? Ich habe eine großartige gefunden. Nämlich Besserfleisch. Das kleine Unternehmen wird von May-Britt Wilkens geleitet, die nicht akzeptieren will, dass es kein ethisches und gesundheitlich einwandfreies Fleisch zu kaufen gibt. Also hat sie kurzerhand ein Unternehmen aufgebaut und arbeitet inzwischen mit einigen Bauern zusammen, die schon Biohöfe betrieben haben, als es das Wort noch gar nicht gab. Vorher hat sie lange in China gelebt, wo sie als Übersetzerin arbeitete. „Da habe ich vegetarisch gelebt, weil es ausgeschlossen war, herauszufinden, wo das angebotene Fleisch herkam. Das war mir viel zu intransparent.“ Zurück in Deutschland freute sie sich darauf, ein schönes Stück Fleisch im Supermarkt zu kaufen. Doch ihr fiel schnell auf, dass es auch da mit der Herkunft oder Haltung nicht so genau genommen wird. „Ich habe dann versucht, beim Metzger gutes Fleisch vorzubestellen, auch das war unmöglich.“
Obwohl in ihrer Heimatstadt Nienburg überall Rinder auf der Weide standen, schien es utopisch, an diese heranzukommen. „Das konnte ich so nicht akzeptieren und habe durch Zufall den ersten Bauern kennengelernt, mit dem ich mich zusammengetan habe.“ Der Bauer hatte das andere Problem. Er hatte gutes Fleisch, aber nicht genug Abnehmer. Aus dieser Zusammenarbeit ist Besserfleisch entstanden. Auf der Internetseite kann man Fleischpakete in verschiedenen Kategorien und zu unterschiedlichen Preisen kaufen. Man kann Extrawünsche angeben, zum Beispiel, ob man auch Innereien haben möchte. Die Kuh oder das Schaf werden erst geschlachtet, wenn es komplett verkauft ist. Auf diese Weise wandert kein Stück Fleisch in den Abfall.
Auch ich habe vor Kurzem so ein Paket gekauft. Fünf Kilo Fleisch vom Gallowayrind waren umweltschonend verpackt (kein Plastik!) und kamen per Kurier bei mir in Berlin an. Beigelegt waren ein Brief, ein paar Rezeptideen und ein Magazin für artgerechte Tierhaltung. In dem Brief steht alles über das Tier und wie es aufgezogen wurde. Ein paar Anmerkungen zur Aufbewahrung des Fleischs und die Idee, dass man das Verpackungsmaterial gerne wieder zurückgeben kann, damit es für einen weiteren Fleischtransport verwendet werden kann.
Und was soll ich sagen. Ich habe bisher noch nie so gutes Fleisch gegessen. Das Hackfleisch kennt keinen Vergleich und ich habe das erste Mal in meinem Leben Rinderrouladen gemacht. Sie waren göttlich!
Das Besserfleisch-Paket
Leuten, die May mitverantwortlich für den Klimawandel machen wollen, entgegnet sie: „Fleisch essen ist nicht per se gut oder schlecht. Da hängen viel mehr Faktoren dran. Wenn ich mir den normalen Fleischverbrauch angucke und man von einer konventionell gehaltenen Kuh ausgeht, ist das einfach nur ekelhaft. Die Tiere kommen aus der Milchtierhaltung, sind schon total ausgelaugt und total überzüchtet. Die überleben nicht lange und haben in ihrem Leben wahrscheinlich noch nie die Sonne gesehen. Deren Sojapellets kommen aus Neuseeland oder Südamerika. Diese Haltung ist für mich extreme Ressourcenverschwendung. Aber an sich ist ein Rind ja nicht klimaschädlich. Es kommt ganz besonders auf das Verhältnis zwischen Herdengröße und die Größe der Weide an. Rinder betreiben nämlich sogenanntes Mobgrasing. Sie fressen an einer Stelle alles ab und wandern dann weiter zur nächsten Futterstelle. Durch den Kreislauf Fressen-Wiederkäuen-Ausscheiden bereichern Rinder den Boden und führen ihm wieder Nährstoffe zu. Das Gras sprießt, nährstoffreicher Hummus entsteht. Wenn man die Kuh nur lässt, ist sie sehr gut für das Klima. Aber wer macht das schon.“
„ „Die Leute müssen vor allem aufgeklärt werden, was alles in konventionellem Fleisch steckt.“ “
Ihrer Meinung nach sind viele Bauern im Hamsterrad der Massentierhaltung gefangen. Oft sind sie verschuldet, wollen vielleicht gar nicht mehr diese Tierquälerei begehen, aber wissen sich keinen Ausweg. „In der Politik und der Gesellschaft müsste eine 180 Grad Wende stattfinden, damit alle Bauern auf ökologische und nachhaltige Tierhaltung umsteigen wollen. Es muss Aufklärungsarbeit betrieben werden, damit die Leute gar keine Lust mehr haben, das Billigfleisch zu kaufen, weil sie wissen, was da drin steckt.“
Das andere Problem ist, dass viele Biosiegel ein Witz sind, was artgerechte Tierhaltung angeht. Bei den Siegeln kann man sich zwar beinahe sicher sein (obwohl, was ist heute schon noch sicher?), dass die Tiere kein Antibiotikum bekommen haben. Aber dass auch Bioeier aus Legebatterien kommen oder das Biorindfleisch von einer Kuh kommt, die nie auch nur einen Grashalm gefressen hat, wissen nur wenige. „Mir ist Transparenz sehr wichtig. Meine Kund*innen wissen immer ganz genau, woher ihr Fleisch kommt.“
Bei Fleischer Fritze in Kalübbe
Über den Ablauf der Schlachtung erzählt sie: „Der Schlachter ist ungefähr eine Stunde von den Höfen entfernt. Die Bauern fahren ihre Tiere immer selbst. Wenn sie beim Schlachter angekommen sind, übernachten sie noch eine Nacht im Stall. So können die Tiere den Stress und die Aufregung der Reise verarbeiten.“ Übrigens kann man May jederzeit anrufen und sie wird alle Fragen rund um das von ihr angebotene Fleisch gerne beantworten.
Was es braucht, sind viel mehr von solchen Unternehmen. Unternehmen, die eng mit den Bauern zusammenarbeiten und ihre Tiere respektieren. Die keine weiten Transportwege zum Schlachter machen. Bei deneen die Kühe ganzjährig Gras fressen können. Das ist für mich Nachhaltigkeit par excellence. Deshalb: Hört nicht auf Fleisch zu essen, um das Klima zu retten, zumindest nicht, wenn euch Fleisch eigentlich gut schmeckt. Kauft besonders gutes Fleisch, von solchen Unternehmen wie Besserfleisch. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer, oft verkaufen Bauern auch direkt von ihrem Hof. Gebt einfach mal Weidehaltung und Bauer in die Suchmaschine ein und kauft euch einwandfreies, leckerstes Fleisch. Nur so kann man Politik und Landwirtschaft langsam zum Umdenken bewegen. Wenn die Discounter-Schnitzel und der Schweinebraten für 1,99 Euro einfach in den Regalen liegen bleiben. Nicht, weil wir uns alle pflanzlich ernähren (müssen), sondern weil wir einen Teil einer ganzen, glücklichen Kuh kaufen.
Wer zum Beispiel noch einen Weihnachtsbraten braucht, kann die letzte Bestellrunde in diesem Jahr ausnutzen.