Das Museum der Zukunft
Wie sieht es aus und was muss es können?
Wir haben mit Alex Elsner von büro bungalow über Museen, Integration und Ausstellungskonzepte gesprochen
Alex Elsner, einer der sechs Mitgründer*innen vom multidisziplinären büro bungalow für Branding, Creative Content und Design, ist ein Geschichtenerzähler. Und so kommt es, dass ich mich am Sommeranfang mit ihm in einem Hinterhof in Berlin vor einer Galerie wiederfinde und die Zeit nur so verfliegt, wenn er von Ausstellungen, Vermittlung und Gestaltung spricht. Er ist Idealist, vielleicht auch ein klein bisschen ein Träumer, aber eben genau die Art, von der wir eigentlich viel mehr bräuchten. Weil sie etwas verändern wollen – und das auch tun.
Wovon Alex träumt? Vom Museum der Zukunft. Und er arbeitet mit büro bungalow, mit Freund*innen und seinem Projekt Open Play auch aktiv daran, dass es bald Wirklichkeit wird. Seine Leidenschaft für Kunst konnte er in einem seiner letzten großen Projekte, nämlich dem Rebranding für das MAD (Museum am Dom) in Würzburg, das in der Designwelt Wellen geschlagen hat, auch gleich beweisen. Wir haben mit ihm diskutiert: Wie kann Kunst noch mehr Menschen erreichen?
Bevor wir tief in die Kunst eintauchen, wollen wir dich erstmal kennenlernen. Wofür bist du der Experte bei büro bungalow, Alex?
Für Ausstellungsdesign. Aber ich arbeite auch gerne mit Typografien, bin sehr schriftbegeistert und immer wieder überrascht, wie charakterstark Schriften sein können. Außerdem liebe ich es sehr, mit Menschen zu arbeiten, deswegen gebe ich oft Kreativ-Workshops. Was ich daran vor allem spannend finde, ist, mit Menschen zu arbeiten, die von sich sagen, dass sie nicht kreativ sind. Denn genau da kommen oft die kreativsten Gedanken und Ideen zum Vorschein.
Was ist das größte Vorurteil, das du als Designer ständig zu hören bekommst?
Warum ist Design so teuer, warum kostet ihr so viel Geld? Wenn man diesen Menschen mal die ganze Wertschöpfungskette vor Augen führt, dann verstehen sie es oft sehr schnell.
Was hat büro bungalow dich gelehrt?
Ganz schön viel. Ich finde es auch nach knapp 7 Jahren immer noch beeindruckend, dass wir sechs Chef*innen sind und dass das mit dieser gleichberechtigten Arbeitsweise funktioniert. Ich habe gelernt, dass eine Fehlerkultur extrem bereichernd sein kann und wie wichtig es ist, gut zu kommunizieren. Und das Schönste ist, dass man mit jedem Projekt etwas Neues dazulernt.
Alex, warum hast du dich für das Studium Kommunikationsdesign entschieden?
Mein Dad ist Konditor und meine Eltern hatten ein Café, in dem ich über den Lesezirkel immer Magazine mitbestellen konnte. Neben den Plakaten in der Bravo haben mich vor allem die Werbeanzeigen in Skate-Magazinen und Interior-Magazinen, wie „Schöner Wohnen”, immer schon am meisten in den Bann gezogen. In der Schule bin ich dann im Kunst-Leistungskurs gelandet und war bei einer Exkursion zum ersten Mal in einem Kunstmuseum. Ich war mega geflasht, es ist schon ein Unterschied, ob du Kunstwerke live siehst oder nur in einem Buch. Danach wollte ich etwas Kreatives machen und war vom Angebot der FH in Würzburg begeistert: Posterdesign, Grafikdesign, Illustration, so vieles mehr. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Tag im Studium. Ich habe mich so frei gefühlt wie noch nie in meinem Leben. Um mich herum waren auf einmal so viele kreativ denkende Menschen, bei denen ich das Gefühl hatte, die verstehen mich. Eben auch die Bunga-Crew!
Du hast das Rebranding für das Museum am Dom (kurz MAD) in Würzburg geleitet. Wie geht man so ein großes Projekt an?
Alle wollen Veränderungen, aber wissen nicht, wo sie anfangen sollen. So ein Transformationsprozess fängt für uns immer mit der engen Auseinandersetzung mit dem Museums-Team an. In Workshops, bei denen es darum geht, erstmal komplett frei an die Sache ranzugehen und alte Denkmuster zu durchbrechen. Über spielerische Kreativ-Methoden werden folgende Fragen beantwortet: Welche Vision habt ihr als Museum? Wofür steht das MAD eigentlich? Was hat das Museum für Alleinstellungsmerkmale, vor allem in der Stadt Würzburg? Für wen wollt ihr überhaupt attraktiv sein? Dieser ganze intensive Prozess hat uns sehr geholfen, ein Design zu entwickeln, das vor allem die neu definierte Hauptzielgruppe 18-35-jährige Personen ansprechen soll. In Würzburg war das sehr spannend, weil wir dort ja auch einen Standort mit unserem Büro haben und selbst Teil der Subkultur sind. Vor allem dadurch haben wir auch diesen Auftrag bekommen, weil wir in Würzburg selbst eine Ausstellung gemacht haben und der Museumsdirektor so auf uns aufmerksam geworden ist.
Auf welche Herausforderungen bist du bei einer so großen Struktur wie einem Museum gestoßen?
Ich hatte am Anfang das Bild: Museen haben ganz viel mit Kreativität zu tun, da passiert so viel Progressives. In der Zusammenarbeit habe ich konservative und nicht progressive Arbeitsstrukturen erfahren, die wenig Raum für neue Ideen und Innovation zulassen. Wenn sich ein Museum verändern will, müssen vor allem intern die richtigen Schritte zur Veränderung gegangen werden: Agile Arbeitsstruktur, Partizipation und Digitalisierung sind da wichtige Keywords. Für solche Fälle arbeiten wir mittlerweile eng mit der Museumsberatung COMM: zusammen, die bei solchen Transformationsprozessen eine wichtige Schnittstelle zwischen uns und dem Museum sind.
Wie wichtig ist es den Prozess gemeinsam mit Mitarbeiter*innen zu durchlaufen?
Ich habe letztens genau dazu einen spannenden Artikel, wo es um „Intrapreneure“ ging. Das sind sozusagen interne Influencer*innen, die im eigenen Unternehmen sind und für das ganze Team Begeisterung stiften. Im Schnitt geht man davon aus, dass nur 20 Prozent in einem Unternehmen mit ihrem Mindset diese Rolle einnehmen können. Und genau diese Personen muss man in der Transformation von der Vision begeistern. Wir können dem Museum easy einen neuen Mantel überziehen. Am Ende ist es aber entscheidend, dass die Person bzw. das Museum, das den Mantel anzieht, sich verändert und sich in dem Mantel auch wohlfühlt. Was am Ende zählt, sind oft die Proof Points, in dem Fall also steigende Besucher*innenzahlen. Beim MAD sind wir erst am Anfang. Trotzdem lässt sich schon jetzt erkennen, dass durch unser Redesign große Aufmerksamkeit entstanden ist und viel mehr junge Menschen ins Museum kommen.
Das klingt so, als ob ich das ein bisschen ärgert und du eigentlich gerne idealistischer an den Ort Museum herangehen würdest ...
Ja! Ein Museum ist so wandelbar, aber viele hängen in diesen (bürokratischen und altmodischen) Strukturen fest. Dabei sollte es ein Ort für Offenheit sein, für Begegnungen, wo ganz viele Menschen zusammenkommen. Kunsthistoriker*innen müssen viel mehr die ganze Vermittlung des Wissens mitdenken. Ein Museum hat im Grunde genommen fünf Hauptaufgaben, die sich alle in der täglichen Arbeit in Museen ergänzen sollten und sich nicht ausschließen: Sammeln, Aufbewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Wenn du zum Beispiel eine schlechte Vermittlung hast, kannst du die Kunst oder die Exponate auch gleich hinter verschlossenen Türen behalten.
Das klingt auch nach verpassten Chancen, auf politische und zeitgeistige Entwicklungen zu reagieren!
Auf jeden Fall! Meiner Meinung nach haben Museen die gesellschaftliche Verantwortung so vielen Menschen wie möglich einen Zugang zu ermöglichen. Und wie wird man zugänglich? Indem man auf aktuelle Themen und Diskussionen eingeht – sie am Ende sogar entfacht, auch mal Haltung bezieht und mitträgt. Dabei ist auch eine Dauerausstellung eine riesige Chance. Diese können jederzeit mit Themen und Formaten bespielt werden: Events, Programme, Guides, digitale Ergänzungen! Da fehlt mir oft noch die Kreativität, aber genau dafür sind wir ja da …
Hast du ein Beispiel?
Im MAD hat neulich der Rapper Grinch eine Führung durch das Museum gegeben. Der hatte inhaltlich wenig Ahnung von den Kunstwerken, die dort ausgestellt waren, aber hat seinen ganz persönlichen Blick darauf erklärt bzw. live gerappt. Über 40 Leute haben bei der Führung teilgenommen und fanden das mega nice. Alle haben so einen ganz anderen Zugang zur Kunst bekommen. Es war ein viel lockerer Vibe im Museum. Und keiner hatte die übervorsichtige klassische Grundstimmung: Bitte nichts anfassen, bitte nicht laut sein, bitte nichts falsch machen!
Alles, was anders ist, wird ja meistens erstmal kritisiert. Unsere Autorin Julia hat ja mal mit Enzo Zak Lux über Farbgestaltung in Museen gesprochen, er kriegt auch immer wieder Kritik für seine bunten Wände hinter Kunstwerken. Was sagst du dazu, schließlich war die Gestaltung auch eine eurer Hauptaufgaben?
Wie bei allen Designprozessen ist es uns immer wichtig, ganzheitlich zu sein und mit einem guten Konzept Dinge zu erklären. Auch im MAD hatten wir viele Diskussionen, das prägnante Gelb auf der Wand hinter dem Leitobjekt gleich zum Beginn der Ausstellung wurde im Prozess zum Beispiel sehr stark hinterfragt. „Zu laut, lenkt vom Gemälde ab, ...“ Dabei ist die Wand der erste visuelle Kontaktpunkt für die Besucher*innen. Ziel muss es sein, nicht nur den Kunstwerken, sondern auch den Besucher*innen gerecht zu werden. Das unterstützt auch unser neu entwickelter Claim „Think what you like!“, der in sechs Meter Breite daneben steht.
Was sagt dieser Satz aus?
Der Claim sollte eine Grundhaltung für viele Kunstmuseen sein, weil es nicht darum geht, was der oder die Kurator*in denkt oder was richtig und falsch ist. Jede*r bringt sein eigenes Wissen, Erfahrung und vor allem Emotionen mit. Jede*r hat einen eigenen Blick auf die Kunst und sollte selber entscheiden können, ob ihn ein Kunstwerk anspricht oder nicht.
Was ist der Unterschied zwischen Kunst und Gestaltung? Im MAD trifft dank euch ja jetzt beides hautnah aufeinander.
Design ist eine Dienstleistung, weil man immer eine Zielgruppe hat, für die man etwas gestaltet. Als Künstler bist du deine eigene Zielgruppe.
Welches Museum findest du gerade besonders gut?
Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg finde ich extrem stark. Dort gibt es einen kostenlosen, konsumfreien Bereich, dort kann man essen und trinken, es gibt Vorträge, man kann dort arbeiten, im Innenhof gibt es ein Urban Gardening Projekt. Alles wirkt leicht und zugänglich. Und ich bin ein riesengroßer Fan vom Jüdischen Museum in Berlin, das ist der absolute Wahnsinn! Das Design, das Konzept, die Architektur, alles ist so rund. Da habe ich nie das Gefühl, dass ich leise sprechen muss oder nichts fragen kann. Das Haus hat einfach ein unfassbar angenehmes Wesen.
Kommen wir zur großen, abschließenden Frage: Wie sieht es denn jetzt aus, das Museum der Zukunft?
Das Museum der Zukunft fokussiert sich auf Menschen. Und zwar auf so viele Menschen wie möglich. Es schafft Zugänge, ist ein Ort der Begegnung, im besten Fall sogar konsumfrei. Es ist für alle da, ja, ich weiß, ein hoher Anspruch, aber es muss einfach Spaß machen. Ich muss mich willkommen fühlen, ich kann Teil von etwas sein, ich kann dort interagieren und partizipieren. Das trägt dann auch dazu bei, dass unsere Gesellschaft offener wird. Wir haben in Corona-Zeiten oft gehört, dass Kunst und Kultur gesellschaftsrelevant sind. Museen können für die Gesellschaft Leuchttürme und Vorreiter sein! Und ich wünsche mir, dass Museen mutig sind, neue Wege gehen und nicht nur die Progressivität der Vergangenheit feiern!
Vielen Dank für das Interview, lieber Alex!
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.
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Fotos:büro bungalow, Stephie Braun & Max Gehlofen