Vergangenheit oder Zukunft
Vintage geht immer. Aber wie kombiniert man altes Design mit neuen Trends – und erschafft so etwas Einzigartiges?
Darüber haben wir mit Yvonne Moser von büro bungalow gesprochen. Die Designerin erklärt, warum Revivals nie aussterben werden und was uns an der Vergangenheit so fasziniert
Ein Monat ist seit unserem Relaunch vergangen und nun wird es wirklich allerhöchste Zeit, noch einmal über unser neues Design zu sprechen. Dafür hätte ich mir keine bessere Interview-Partnerin wünschen können als Yvonne Moser, Gründungsmitglied von büro bungalow, dem multidisziplinären Büro für Branding, Creative Content und Design.
Seit unfassbaren anderthalb Jahren haben wir an dem Rebranding gearbeitet (hey, wir waren nicht langsam oder faul, wir hatten nur Recruiting-Schwierigkeiten in Sachen Developer*in) und besonders die Tage vor (und nach) dem Relaunch schweißen mit Stress, Aufregung, wenig Schlaf und Nervosität zusammen – und so wurden BEIGE und büro bungalow nicht nur verdammt gute Geschäftspartner, sondern auch Freunde!
Während der Zusammenarbeit mit dem Team (das übrigens aus sechs Gründer*innen besteht), wuchs meine Faszination für das Thema Design und Gestaltung mehr und mehr. Wie machen die das: So aus dem Nichts neue Markenidentitäten erschaffen? Und wie kriegt man den Spagat hin, dass man Trends aufgreift, aber nicht zu sehr auf der Welle mitschwimmt?
Deswegen beleuchten wir das Thema Gestaltung und Design in den nächsten Monaten genauer – in Zusammenarbeit mit büro bungalow und jedem der Gründer*innen. Denn bei büro bungalow hat jeder seine ganz eigene Expertise und vor allem sein ganz eigenes Interessengebiet.
Als BEIGE-Hauptveranwortliche starten wir wie bereits angekündigt mit Yvonne. Warum sie ins Kommunikationsdesign gegangen ist, was die Herausforderung an einem Relaunch eines Unternehmens ist und warum Retro Fluch und Segen zugleich sein kann, verrät sie uns jetzt:
Yvonne, warum hast du dich für das Studium Kommunikationsdesign entschieden?
Für mich war schon sehr früh klar, dass ich etwas Kreatives machen will, entweder im musikalischen oder im visuellen Bereich. Während meiner Schulzeit hat sich dann langsam gezeigt, dass es in die Kunst/Design-Richtung geht. Beim Studiengang Kommunikationsdesign fand ich gut, dass es viele verschiedene Disziplinen vereint (Fotografie, Illustration, Film, Branding, Grafikdesign, Editorial, Strategie, interaktive Medien …). Also perfekt, um sich in verschiedenen Bereichen auszuprobieren und nicht gleich auf ein spezielles Fachgebiet festlegen zu müssen. Das musikalische ist dann eher etwas eingeschlafen, bis ich 2017 dann mein Debüt als DJ hatte. Seitdem spiele ich nebenher auf Veranstaltungen und in Clubs, was ein schöner Ausgleich zum Design ist.
Was ist deine Rolle bei büro bungalow?
Ich mag viele Disziplinen und kann mich auch schnell in Sachen reinfuchsen, die mich interessieren, die ich aber noch nicht kann. Deshalb fällt es mir immer schwer, mich da einzugrenzen. Aber wenn ich mich eingrenzen müsste, dann wäre es vor allem Packaging, Illustration, Grafikdesign und Film(schnitt). Neben dem gestalterischen Part bin ich außerdem noch für die Finanzen zuständig und liebe es, Prozesse zu optimieren.
Welche Aufgaben an deinem Job machen dir besonders viel Spaß? Welche gar nicht?
Spaß macht mir alles, was mit Design und kreativem Output zu tun hat. Vor allem die Ideenphase, in der man alles erstmal ohne Grenzen raushauen kann und die ersten Gestaltungsentwürfe. Nicht so viel Spaß macht mir die Buchhaltung.
Was ist das größte Vorurteil, dass du als Designerin immer wieder zu hören bekommst?
Es ist nicht unbedingt ein Vorurteil, sondern eher das Unverständnis von Leuten, die nicht wissen, was genau wir machen und wozu das gut sein soll – oder eher: Was für eine Berechtigung Design hat. Das Vorurteil dahinter könnte also sein, dass Design nur dazu da ist, Dinge schön aussehen zu lassen. Dabei ist Design so ein prägender Teil des alltäglichen Lebens, weil es überall zu finden ist. Gutes Design kommuniziert, löst Gefühle aus, trägt zur Kund*innenbindung bei, wirkt verkaufsfördernd (z.B. bei Packagingdesign), unterstützt den Nutzen eines Produkts oder gibt dessen Funktion vor etc. Hinter einem Designprozess steht immer auch die Ideenphase, Strategie und Konzept. Das ist vielen, glaube ich, nicht bewusst.
Was hat dich büro bungalow gelehrt?
Dass man eigentlich überhaupt nicht auf die Selbstständigkeit vorbereitet wird – weder in der Schulzeit, noch im Studium. Man muss so viele Sachen beachten, die wir alle mehr oder weniger beim Machen gelernt haben. Vor allem das Bürokratische. Hätten wir das vor der Gründung gewusst, hätten wir uns wahrscheinlich nicht direkt getraut, ins kalte Wasser zu springen, weil das alles fremdes Terrain war. Hört sich jetzt tatsächlich schlimmer an als es ist. Man wächst ja an allem und lernt unheimlich viel dazu – und diese Erfahrungen will im Nachhinein keiner von uns missen.
Design für Waldschänke Dornheim Showcase mit Callshop Radio
Warum fühlen wir uns von Vergangenem so angezogen?
Vielleicht, weil es uns ein geborgenes Gefühl und eine Art von Sicherheit gibt, da in der Vergangenheit nichts Unvorhergesehenes mehr passieren kann. Man kann aus dem Hier und Jetzt in eine andere Zeit „fliehen“, in der alles vermeintlich immer gut war. Wahrscheinlich würden viele sagen, sie würden lieber in die Vergangenheit als in die Zukunft reisen.
Ein weiterer Grund könnte die Qualität sein. Durch die ganze Über- und Massenproduktion hat die Qualität extrem gelitten. Irgendwie hat man das Gefühl, die alten Sachen haben von Natur aus eine Wertigkeit, zumindest fasziniert mich das eigentlich immer an Vintage Kleidung oder Möbeln.
Wie äußert sich das in der Gestaltung?
Man kann immer wieder Referenzen in Designs erkennen. Das Spannende daran ist der Kontext: Wie wurde ein bestimmtes Designelement/Designrichtung verwendet und neu eingesetzt – und wie wird es dann interpretiert?
Was ist zeitloses Design? Gibt es das überhaupt?
Gute Frage, ich habe den Begriff immer so interpretiert: Zeitloses Design sollte im Idealfall in jeder „Epoche“ betrachtet werden können, ohne, dass die Betrachter*innen gleich zuordnen können, aus welcher Zeit es stammt. Es sollte möglichst lange aktuell bleiben und sich daher nicht an Trends orientieren. Es darf vielleicht auch nicht zu extravagant sein, da man sich sonst schnell „satt“ sieht und man es so wahrscheinlich wieder eher einem bestimmten Trend zuordnen könnte.
Manche Designs sind zeitloser als andere, da sie Trends länger überdauern. Ich denke, das sind meistens die, die aus einem starken Konzept entsprungen sind. Aber ob Design generell komplett zeitlos sein kann, bezweifle ich. Irgendwie wird man doch immer von seiner Zeit, Umfeld und den Geschehnissen beeinflusst, sodass man diese Einflüsse gar nicht so richtig verstecken kann. Ein ganz natürlicher Einfluss sind zum Beispiel die Medien, auf die eine Gestaltung angepasst wird. Damals waren das ganz andere Anforderungen an das Design. Heute muss alles vor allem Online, in allen möglichen Formaten und teilweise zusätzlich noch im Print gleichzeitig funktionieren. Formate, Bewegtbild, schnelles Storytelling, Informationszugriff usw. prägen die Gestaltung also zusätzlich und tragen zum aktuellen Zeitgeist bei.
„ Einfach nur wiederholen ist ja irgendwie langweilig. Etwas Neues mit dem Input der Vergangenheit kreieren, ist interessant. “
Darf man sich in der Gestaltung auf die Vergangenheit berufen oder will man immer etwas Neues kreieren?
Es geht immer um den Kontext. Einfach nur wiederholen ist ja irgendwie langweilig. Etwas Neues mit dem Input der Vergangenheit kreieren, ist interessant. Außerdem kann im Designprozess aus dem „Vergangenem“ mit viel Weiterentwicklung etwas ganz Neues entstehen.
Was sind gerade aktuelle Trends in Sachen Gestaltung?
3D-Art, Renderings, Fluids/Liquids, Glossy/Plastic Textures, organische/verspielte/unleserliche Schriften, technoide Elemente, Pixelart, organische Formen, Bandshirt-Artworks, Comic Elemente, Schachbrettmuster, knallige Farben, Seventies, Eighties, Nineties, Badges/Sticker, Smileys ….
Es gibt so viele Trends! In der Social Media geprägten Zeit ist es irgendwie schwer, aktuelle Trends fokussiert zu fassen, weil eben alles so schnelllebig ist. Interessant finde ich immer zu beobachten, wie sich die Trends interdisziplinär durch verschiedene Medien ziehen und sich gegenseitig weiter anfeuern. Also z.B.: Textilmuster beziehen sich auf Elemente aus Plakaten, Interior-Produkte auf 3D Renderings, Motion Designs auf Printgestaltung – und genauso umgekehrt. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Memphis-Design“ aus den 80ern, was in allen erdenklichen Medien und Produkten wieder aufgegriffen wurde.
Was kannst du nicht mehr sehen?
Schriftzüge aus Neonröhren, diese „But First Coffee“ Text Lightboxen. Expedit/Kallax Regale und Kupferrohre.
Du warst ja auch federführend, was den Relaunch von BEIGE angeht und hast mit mir daran fast anderthalb Jahre gearbeitet. Wie geht man denn überhaupt an einen Relaunch heran? Das stelle ich mir fast schwieriger vor, als ein komplett neues Design zu kreieren ...
Erstmal muss eine genaue Bestandsaufnahme gemacht werden: Was darf und soll inwieweit verändert werden? Darf es eine etwas größere visuelle Veränderung sein (Redesign) oder eine minimalere (Facelift)? Wenn das geklärt ist, kann man mit dem gewohnten Prozess loslegen. Im Idealfall machen wir mit unseren Kund*innen vor der Ideationsphase einen oder mehrere Workshops, um hier noch tiefer auf die Bedürfnisse eingehen zu können, ein klares Ziel zu formulieren und damit auch das gleiche Mindset für alle Beteiligten schaffen zu können.
Dabei muss im Prozess immer wieder geprüft werden, ob wir mit dem Designkonzept, das wir gerade verfolgen, immer noch unser festgelegtes Ziel erreichen. Manchmal kann man die Aufgabe durch scheinbare Kleinigkeiten schon erfüllen, wie z.B. die Änderung eines Farbtons oder das Abrunden von Kanten in einer Bildmarke. Der Weg dahin ist meistens aber gar nicht so easy, auch wenn das Endergebnis oftmals für Außenstehende auf den ersten Blick nach minimaler Veränderung aussieht.
Was ist die größte Herausforderung beim Webdesign?
Logisches bzw. systematisches Denken: Also alle Screens und Gerätegrößen in der Gestaltung gleich mitzudenken. Man muss also von Anfang an ein System entwickeln, sodass das Design easy auf allen Screens adaptiert werden kann. Aber das Schwierigste daran ist, das Ganze so zu gestalten, dass es userfreundlich und intuitiv ist, gleichzeitig aber auch ästhetisch und neuartig aussieht.
Wie viel Input braucht oder willst du von Kund*innen?
Der Traum der meisten Designer*innen ist ja angeblich immer, machen zu können, was sie wollen. Ich finde, es hat einen bestimmten Reiz, mit gewissen Vorgaben/Angriffspunkten zu arbeiten. Man kann das auf den ersten Blick Unmögliche in etwas Kreatives verwandeln, was ohne bestimmte Parameter nie entstanden wäre.
Dabei ist ein gutes Briefing ist das A und O. Ankerpunkte, aus denen man Inspiration schöpfen und ein Konzept entwickeln kann, sind ebenfalls wichtig. Deshalb spielt die Persönlichkeit und die Haltung der Personen/des Unternehmens natürlich eine große Rolle. Daraus können ganz verschiedene Konzepte, Inspirationen oder auch Storytelling entstehen. Bei BEIGE haben wir uns zum Beispiel auch von deinem Interior/Style inspirieren lassen. Vertrauen auf Kund*innenseite ist da auch ein wichtiger Punkt. Zu viele Vorgaben sind also auch nicht gut.
„ Wahrscheinlich wäre das Gestalten eines Albumcover Artworks einer meiner Lieblingskünstler*innen schon ein kleines Traumprojekt. “
Was war das Besondere / die Herausforderung bei BEIGE?
Eine Retro-Assoziation zu vermitteln, aber trotzdem in der heutigen Zeit zu bleiben. Außerdem muss das Design ja so funktionieren, dass jeglicher Content dazu passt bzw. sich gut in die Gestaltung einfügt. Trotzdem soll es einen Wiedererkennungswert bekommen, dass man eigentlich direkt bei jeglichem Medium, das man anschaut, denkt „Ah, das ist von BEIGE“. Im Punkt Redesign waren wir an den bestehenden Grundaufbau der Website gebunden. Innerhalb dessen haben wir durch eine ganz neue Schriftauswahl, das Hinzufügen von kühleren Farbtönen zu den bestehenden warmen Farben und neue Designelemente/Formen den Mix aus Nostalgie und Zeitgeist geschaffen und in ein wiedererkennbares Design von BEIGE übertragen.
Was ist dein Lieblingsfeature an BEIGE?
Designwise: Mein Highlight am neuen Design ist definitiv die Headlineschrift. Sie bringt einfach den richtigen Charakter für BEIGE mit und schafft im Zusammenspiel mit den anderen Gestaltungselementen einen großen Wiedererkennungswert.
Contentwise: Ich finde die verschiedenen Kategorien/Artikelthemen richtig gut. Deshalb mag ich die Filterfunktion nach Artikel-Kategorien auch so gerne.
Warum passen BEIGE und büro bungalow so gut zusammen?
Ich glaube, beide haben eine ähnliche Vorstellung, was das Ästhetische angeht. Wir bewegen uns in ähnlichen „Sphären“ – wollen also zum großen Teil die gleichen Menschen mit unserer Arbeit erreichen, den Zeitgeist treffen, mit unserem Design/Content überraschen und neue Impulse setzen. Und auf menschlicher Ebene hat es sowieso direkt Klick gemacht! Daraus ist dann nicht nur eine super angenehme Zusammenarbeit auf Augenhöhe entstanden, sondern auch eine Freundschaft!
Was ist dein Traumprojekt / Traumkund*in?
Es gibt soo viele tolle und spannende Projekte, für die ich arbeiten wollen würde. Was dieses Traumprojekt aber mitbringen sollte: Kreativen Freiraum, Identifizierung mit meinen Designs/Konzepten und Werten, Impact (es sollte einen gesellschaftlichen Mehrwert haben). Aber wahrscheinlich wäre auch das Gestalten eines Albumcover Artworks einer meiner Lieblingskünstler*innen schon ein kleines Traumprojekt.
Vielen lieben Dank, Yvonne, für das Interview!
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.
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