Schaut mehr Pornos

Schaut mehr Pornos

Zumindest, wenn es die richtigen sind!

Meine Assoziation zu Pornos? Ein eintöniges Rollenspiel, bei dem die Frau als Objekt degradiert wird, das dafür Sorge trägt, dem Mann Lust zu bereiten. Eintönig und wenig Freude für die Frau. Wie gut, dass es inzwischen immer mehr alternative Unternehmen in der Industrie gibt, die Pornos wieder näher an cineastische Standards bringen wollen und dabei vor allem eins sind: feministisch

In den 70er- und 80er-Jahren feierte die Porno-Industrie ihr Golden Age. Es kam zu einer Produktionswelle pornografischer Filme, die teilweise sogar in den Mainstream-Kinos Premiere feierten. Kurzgesagt: Porn war eine anerkannte Kunstform in der Filmwelt. Dabei war das Frauenbild entgegen aller Klischees ursprünglich gar nicht so einseitig. Natürlich war das Angebot an Rollenbildern aus heutiger Perspektive begrenzt, doch wurden durchaus diverse (weibliche) Perspektiven der Sexualität dargestellt. Doch spätestens mit dem Internet verwandelten sich diese teils künstlerischen Darstellungen in ein Massenprodukt, bei dem die Qualität der Quantität weichen musste.

Heute kann jede*r mit einem Handy in der Hand Produzent*in sein

Credit: Lustery

Genau das machte sich z.B. der Großkonzern Pornhub zu eigen, einer der weltweit größten Porno-Streaming-Dienste. Mit durchschnittlich über 125 Millionen täglichen Besucher*innen auf dem kostenlosen Pornhub-Netzwerk, zu dem auch YouPorn und RedTube gehören, ist die Plattform deutlich frequentierter als Netflix. Aber nichts auf der Welt ist umsonst – und wenn wir als Nutzer*innen nichts für den Porno, den wir sehen, bezahlen, dann können wir uns sicher sein, dass jemand anderes dafür bezahlt. In der Regel sind das dann die schlecht vergüteten Frauen, die sich in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis mit ihren Produzent*innen befinden. Da ist es bei Pornos nicht anders als in der Fast Fashion.

Für die Pornoindustrie öffnet diese Situation das Tor zu Zwang und Missbrauch – und das vor laufender Kamera. Doch darum soll es in einem anderen Artikel gehen. Hier geht es mir um den damit einhergehenden Qualitätsverfall hinsichtlich des cineastischen Anspruchs – und darum, weshalb das problematisch ist. Dazu habe ich mit Paulita Pappel gesprochen, einer wahren Ikone der alternativen und feministischen Pornoindustrie. Paulita ist Porno-Produzentin, arbeitet außerdem als Regisseurin und hat auch selbst schon als Darstellerin in Pornos der schwedischen Produzentin Erika Lust mitgespielt. Die Mitbegründerin von Lustery und HardWerk, einem unabhängigen Studio für Hardcore-Porn, weiß also, wovon sie spricht. Sie will Pornografie neu denken und aus der „Schmuddelecke“ holen.

In der Vielfalt liegt die Lösung

Foto: Monica Muñoz

Pornos seien in erster Linie ein Unterhaltungsprodukt, das dürfe man nicht vergessen, so die Produzentin. Dämonisieren möchte Paulita die schlecht geskrippteten „Rein-Raus-Pornos“ (natürlich auch das nur unter der Prämisse von Einvernehmlichkeit) aber auch nicht, denn mit Verachtung kommt die Scham und die, das wissen wir längst, wirkt wie ein Katalysator in der Abwärtsspirale bezüglich des Umgangs mit der eigenen Sexualität.

Mit ihren Pornos möchte Paulita dem Film wieder näherkommen und möglichst viele Sinne der Betrachter*innen ansprechen. Es geht ihr um die Geschichte, um Kameraeinstellungen, die nicht ausschließlich auf die Genitalien zoomen, um musikalische Untermalung und Ästhetik. Sie will das bestehende Angebot erweitern. Denn Sexualität – und ihre pornografische Darstellung – ist Teil unserer Identität, ein gesunder Umgang mit ihr nichts anderes als Selbstfürsorge. Paulita zeigt mit ihrer Arbeit, wie es gehen kann und neben ihr gibt es immer mehr alternative Porno-Unternehmen. Das bekannteste ist wohl Erika Lust. Auch CHEEX liefert Zugang zu einer großen Auswahl erotischer Filme und ergänzt das Angebot noch mit erotischen Hörbüchern. Sie alle eint der Anspruch, Pornografie dem Film-Genre wieder näherzubringen.

Foto: Monica Muñoz

Doch das wird ihnen nicht leicht gemacht. Denn aktuell ist die Spaltung der beiden Branchen politisch motiviert. Aufgrund strenger Auflagen können pornografische Filme nicht so vertrieben werden, wie es ihren cineastischen Pendants möglich ist. „Durch Wettbewerbsnachteile ist es in Deutschland unmöglich, ein wirtschaftlich tragbares Porno-Unternehmen aufzubauen“, klagt Paulita Pappel und entlarvt einen Teufelskreis.

Denn Pornodienste werden wirtschaftlich lukrativer, wenn sie sich in rechtlichen Grauzonen befinden, indem sie z.B. als Streamingdienst keine konsequente Onlineidentifizierung ihrer Nutzer*innen durchführen. Genau das schreibt das Jugendschutzgesetz aber vor. Es gibt aber immer wieder Betreiber*innen, die sich im Schutze der Anonymität des Internets über diese Vorgaben hinwegsetzen. So würde die Industrie Menschen mit Tendenzen zur Kriminalität magisch anziehen, mutmaßt Paulita. Dass dies der Sicherheit der Darstellerinnen sowie dem pädagogischen Wert der Sequenzen nicht gerade zuträglich ist, muss wohl kaum weiter erläutert werden.

„ Pornografie bietet das Potenzial, die eigene Sexualität zurück zugewinnen und mehr Sichtbarkeit für diverse Körper zu schaffen. “

Paulita Pappel

Denn wenn wir Pornos als Teil der Gesellschaft etablieren, wenn wir wie selbstverständlich mit Sexualität umgehen, dann können auch Grenzüberschreitungen klar und ohne Scham aufgezeigt werden.

So bleibe ich meinem Eingangsstatement treu: Schaut mehr Pornos. Zumindest, wenn es die richtigen sind!

Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.

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