Die neue 007 wird eine Frau!
Achtung: Dieser Artikel enthält Spoiler und könnte engstirnige Menschen verärgern
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Die Nachrichtenagenturen überschlugen sich förmlich, als Ende 2019 immer mehr Insider-Infos zu „Bond25“, dem neuen Film der 007-Saga, durchsickerten. „Keine Zeit zu sterben“ wird ab April 2020 in den deutschen Kinos zu sehen sein. Abgesehen davon, dass diesen Titel gefühlt schon mindestens drei Bond-Filme trugen, überraschte noch ein weiteres Detail: Eine Frau wird Doppelnullagentin. Und zwar nicht irgendeine. Gerüchten zufolge wird James Bond seinen Dienst beim Geheimdienst MI6 quittieren und Lashana Lynch in der Rolle der Nomi die so viel zitierte Agentennummer 007 übernehmen.
Aufschrei! Schock! Wird James Bond jetzt zur Jane Bond? Die öffentliche Empörung war bemerkenswert: Erzürnte Reaktionen las man hauptsächlich in britischen Medien, für die der berühmte Geheimagent ein nationales Kulturerbe darzustellen scheint. Die Autorin Emilie Lamplough empörte sich im Guardian: „Bond ist ein männlicher, heterosexueller Spion. Ein Einzelgänger mit schottischem Hintergrund. Er trägt Smoking, keine Kleider und hat eine Leidenschaft für Frauen, nicht Männer. Wenn ihr wollt, könnt ihr das sexistisch nennen, aber so ist es eben.“ Aber auch deutsche Medien zweifelten an einer weiblichen Doppelnullagentin. Bond lebe von seinen „maskulinen Eigenschaften“, so Katharina Kunath von Noizz.
Pierce Brosnan, der James Bond in vier Filmen verkörperte, und Idris Elba, selbst heiß gehandelt als zukünftiger Bond, äußerten sich beide positiv über eine mögliche weibliche Bond-Darstellerin. „Warum nicht?“, so Elba, „Macht doch mal etwas anderes mit der Rolle!“ Doch schnell gab es Entwarnung für diejenigen, denen sich die Zornesfalte bereits in die Stirn gebrannt hatte. Mittlerweile ist klar, dass die Rolle des James Bond männlich besetzt bleibt. Lediglich die Nummer 007, die Bond nach seiner (zugegebener Maßen ziemlich vorhersehbaren) Rückkehr zum MI6 gerne wieder bekäme, ist in der Zwischenzeit an seine Kollegin Nomi weitergereicht worden.
Warum eigentlich keine Jane Bond?
Dazu müssen wir uns fragen, was die Figur Bond eigentlich ausmacht. Ist es die Vorliebe für geschüttelte Martinis? Das selbstsichere, charmante Auftreten? Oder die Leidenschaft für schnelle Autos? Schnell stellt man fest, dass sich keine dieser Eigenschaften nicht auch bei einer Frau finden lassen, im Gegenteil: Auch eine Jane Bond kann mit flachen Sprüchen Frauen (oder Männer) verführen und auf Verfolgungsjagden wild um sich schießen. Charaktereigenschaften männlich oder weiblich zu besetzen, ist Unsinn. Alkoholismus, chauvinistisches Verhalten und Unfähigkeit, sich langfristig zu binden, finden wir bei beiden Geschlechtern. Und wer mir jetzt mit Glaubwürdigkeit kommt: Mal ehrlich, wie oft habt ihr schon an der körperlichen Fitness, der mentalen Gesundheit oder der sprachlichen Eloquenz von James Bond gezweifelt? Eben – Bond ist eine Kunstfigur.
Und diese Kunstfigur hat auch schon in den letzten Jahren einige Veränderungen durchgemacht: Bond stand Identitätskrisen durch, zweifelte an seinem Job und focht mit seinem Ego. Die Romanfigur, die Ian Fleming sich 1952 ausgedacht hat, ist ein Mann, ja. Aber mit diesem Protagonisten haben aktuelle Bonds eh nicht mehr viel gemein. Nachdem Flemings Vorlagen komplett oder in Teilen verfilmt wurden oder zumindest der Titel übernommen worden war, wurden andere Autoren an die Drehbücher gesetzt. Über zehn unterschiedliche Schriftsteller (und eine Schriftstellerin) haben außerdem Fortsetzungsromane zu Flemings Werken geschrieben. Ab welchem Punkt ist eine Kunstfigur also nicht mehr original?
In Kategorien gedacht
Apropos Drehbücher: Im kommenden Film hat zum ersten Mal eine Frau, nämlich Phoebe Waller-Bridge höchstpersönlich, am Drehbuch mitgearbeitet. Ein Ergebnis dieser Kooperation ist hoffentlich, dass die sogenannte „Girl Formula“ etwas Abwechslung erfährt. Der Schriftsteller Roald Dahl, der das Drehbuch zu „James Bond 007 - Man lebt nur zweimal“ verfasste, beschrieb damals ein allgemein gültiges Schema der in den Filmen auftretenden „Bond-Girls“. Demnach fallen die auftretenden Frauen stets in eine von drei Kategorien: Kategorie eins ist auf Bonds Seite und stirbt im Laufe des Films. Kategorie zwei ist eigentlich auf der Seite seiner Gegenspieler, wird aber von Bonds unwiderstehlichem Charme in den Bann gezogen. Durch diesen Seitenwechsel ist auch sie dem Tod geweiht. Kategorie drei ist wieder pro-Bond und überlebt bis zum Filmende, an dem sie in seinen Armen landet. Die Girl Formula beweist: Mit James Bond stimmt eine ganze Menge nicht.
Mittlerweile haben die Frauen an Bonds Seite immerhin ein bisschen an charakterlicher Tiefe gewonnen. Eva Green als Vesper Lynd schaffte es zumindest, dass James Bond endlich mal Schwäche zeigte und Lea Seydoux darf als Dr. Madeleine Swann 2020 sogar schon ein zweites Mal mitspielen. An anderer Stelle ist der Geschlechtswechsel übrigens ohne viel Aufruhr geglückt: Die Rolle von M, Leiter*in des Geheimdienstes MI6, wurde bis 1995 von männlichen Schauspielern dargestellt. Ohne großes Tamtam übernahm daraufhin Judi Dench die Rolle und verkörperte M bis 2012. Seitdem sehen wir Ralph Fiennes als Bonds Vorgesetzten. Tat doch gar nicht weh, oder?
Ich gebe zu, dass Revivals wie „Ocean‘s 8“ problematisch sind. Eine bereits verfilmte Story einfach nochmal zu drehen und mit Frauen zu besetzen, ist irgendwie lahm. Daher verstehe ich auch das Argument von Barbara Broccoli, die langjährige Produzentin der Bond-Filme ist: „Wir müssen keine männlichen Charaktere in Frauen verwandeln. Lasst uns einfach mehr weibliche Charaktere und zu ihnen passende Rollen verwirklichen.“ In den letzten Jahren wurden uns davon zum Glück schon einige auf die Bildschirme gespült: Phoebe Waller-Bridge, Gal Gadot und Natasha Lyonne verkörperten großartige Hauptcharaktere.
„ „Wer befürchtet, Bond werde ein „Frauenfilm“ weil die Hauptrolle weiblich ist, sollte sein Geschlechterbild hinterfragen.“ “
Dennoch frage ich mich, warum Broccoli Bonds Charaktereigenschaften nicht auf eine Frau übertragen kann. Eine Jane Bond muss keine „zu ihr passenden“ Eigenschaften erfüllen, was auch immer das sein mag. Wer befürchtet, Bond werde ein „Frauenfilm“ weil die Hauptrolle weiblich ist, sollte sein Geschlechterbild hinterfragen. Reaktionen à la „Das war schon immer so, das bleibt jetzt auch so“ stimmen mich nachdenklich, denn nichts spricht gegen die (Weiter-)Entwicklung einer Rolle. Kauzige, unbequeme Charaktere mit Ecken und Kanten sind spannend, weil sie menschlich sind. Die Reaktionen auf eine mögliche Female Lead zeigen, dass von überwundenen Geschlechterrollen keine Rede sein kann.
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.
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Fotos:Copyright MGM/Universal Pictures