Transparenz, bitte! Das Künstlerinnen-Duo Jeschkelanger im Interview über Basis Rho
Neoterrazzo ist nicht gleich Neoterrazzo und Basis Rho ist Kunst, auf die man sogar Croissant krümeln darf
Neoterrazzo ist nicht gleich Neoterrazzo und BASIS RHO ist Kunst, auf die man sogar Croissant krümeln darf
Dass Glas und Beton wunderbar zusammen passen, beweist das Künstlerinnen-Duo Jeschkelanger auf eindrucksvolle Art und Weise, denn den Glasresten internationaler Kunst- und Architekturprojekte schenken Anja Langer und Marie Jeschke mit Basis Rho ein zweites Leben. Durch das Recycling der gläsernen Überbleibsel, die sonst pulverisiert oder für den Straßenbau verwendet werden, haben die beiden ein Material entwickelt, bei dem man gerne zweimal hinsieht. Ihre komplexen Neoterrazzo-Werke bilden einen Hybrid aus Malerei, Design, Skulptur und Architektur.
Durch Basis Rho können wir hindurchsehen, darauf schlafen oder essen. Das Material vereint Funktionalität, Dekoration und Kunst – und das macht es so besonders. Höchste Zeit, Anja Langer und Marie Jeschke einen Besuch abzustatten. Wir treffen sie in ihrem Showroom im Berliner Direktorenhaus und sind sofort begeistert von der Mischung aus Ausstellung und Shop, die uns dort erwartet.
Wenn man Basis Rho googelt, findet man sowohl Einträge zum Fliesenmarkt als auch Links zur Kunst. Wie kommt das?
Marie: Kunsthistorisch gesehen ist das super! Kunsthistoriker*innen sollten sich nicht nur mit Foucault beschäftigen, sondern auch mal einen Ikea-Katalog lesen. Die Dinge müssen miteinander verbunden werden. In der Gegenwart ist die klare Kategorisierung und Einordnung von Gattungen kaum noch möglich. Stattdessen ist alles eins. Wir nennen das das „Polypositionale“ unserer Gegenwart. Das reizt uns total und ist der Grund, warum wir uns mit künstlerischem Baumaterial beschäftigen.
Wie vermittelt man den Kund*innen, dass ihre Fliesen aus Künstlerinnenhand stammen?
Anja: Darin liegt die Kunst. Jede Welt hat ihr eigenes Vokabular: Auf dem Fliesenmarkt spricht man zum Beispiel mit Kund*innen, auf dem Kunstmarkt sind es die Interessent*innen oder Käufer*innen. Da herrscht viel Etikette, bei der wir merken: „Hoppla, in der ach so offenen Kunstwelt gibt es ganz schön viele Fragezeichen, wenn wir auftauchen“. Schön, dass es noch Tabus gibt, die wir brechen können.
Marie: Wenn man aus der Kunst kommt, ist es zum Beispiel total verrückt, über den materiellen Wert der Arbeit zu sprechen. Andersrum ist es spannend zu sehen, dass Leute, die eigentlich Fliesen kaufen wollen, Künstler*innen anfragen können, die diese herstellen. Es ist besonders, zu erklären, dass es keine Fliesen aus dem Baumarkt sind, sondern man etwas Einzigartiges bekommt. Und toll, mit Leuten zusammenzuarbeiten und bestehende Grenzen zu sprengen.
Eckt ihr mit dieser Haltung auch an?
Anja: Total! Am Anfang konnte uns keiner ausstehen, einige Künstler*innen waren richtig irritiert. Viele haben unsere Arbeit einfach nicht verstanden. Wir meinen es nicht als Provokation - aber viele Leute fühlen sich provoziert.
Marie: Es ist doch völlig verrückt, dass in der Kunst das, was man an die Wand hängt, wertvoller ist, als die Wand oder der Boden selbst. Um noch mehr upfront zu sein, nutzen wir für unsere Arbeit auch den Begriff der Dekoration. Wir wollen mit Basis Rho eine neue Dekorative entwickeln, nämlich berührbare Kunst. Kunst, auf die du Croissant krümeln kannst. Obwohl das ein ziemlich simpler Gedanke ist, ist er für viele schockierend.
Kamen die kritischen Stimmen also hauptsächlich von Künstler*innen?
Marie: Wir haben beide an der Universität der Künste in Berlin studiert. Als wir uns für das Creative-Prototyping-Stipendium der Universität der Künste beworben haben, haben wir meine ehemalige Professorin als Mentorin angefragt. Sie hat mich angeschrien, dass das auf keinen Fall ginge, ob ich denn widerlich sei, als Künstlerin ein Start-up zu gründen. Ihrer Meinung nach sei es das Allerletzte, als Künstlerin Teil des Kapitalismus werden zu wollen.
Wie ist das Ganze ausgegangen?
Anja: Das hat uns eigentlich nur noch mehr bestärkt. Bei Mentor*innen anderer Studiengänge wurden wir als Künstlerinnen mit offenen Armen empfangen. Als wir das Stipendium bekommen haben, haben wir uns mit der Professorin und Künstlerin Heike Gallmeier zusammen getan, die einen erweiterten Malereibegriff lehrt. Aber diese erste negative Erfahrung war schon sehr stark übertragbar auf unser direktes Umfeld.
Woher kamen eurer Meinung nach diese negativen Reaktionen?
Anja: Von außen sah es vielleicht aus wie ein Spartenwechsel, als wären wir plötzlich unter die Designer*innen gegangen. Das konnten Wenige wirklich nachvollziehen. Für uns selbst machte unsere Arbeit von Anfang an Sinn, auch, wenn wir es nicht in Worte fassen konnten. Obwohl wir immer gesagt haben, dass wir instinktiv-ästhetisch arbeiten, hatten wir ein starkes konzeptionelles Gerüst. Wir waren befremdet, dass das für Außenstehende so ein Problem war. Aus unserer Sicht haben wir nichts anders gemacht als vorher. Uns war immer wichtig, neue Modelle der Zusammenarbeit auszuprobieren und andere mit in unsere Arbeit einzubinden.
Marie: Aber im Moment dreht es sich enorm. Viele Freund*innen von uns, die auch aus der Kunstszene kommen, fragen uns, ob wir ihnen mehr über unsere Arbeit erzählen können. Gerade durch Corona ist noch deutlicher geworden, dass viel zu wenig über Verträge, die eigene Arbeit, Galerien und Kommunikation gesprochen wird. Es gibt eine Menge Diskussionsbedarf. Da klafft eine große Wunde und es ist spannend, den Finger reinzulegen.
Wie kann man sich die neuen Modelle der Zusammenarbeit vorstellen, die ihr beschreibt?
Anja: In unser Werk fließen andere Autorenschaften ein. Was wir als ästhetisch empfinden, fasst oft die Arbeit vieler anderer Personen zusammen. Für die Werkserie „empty_glass“ arbeiten wir zum Beispiel mit verschiedenen Kurator*innen und dem Koch Hayk Seirig zusammen. In Basis Rho kulminiert dieses Vorgehen durch die Abfälle der verschiedenen Künstler*innen. An den Glascollagen arbeiten zwar nur Marie und ich, oft ist am Ende aber gar nicht mehr so wichtig, wer was gemacht hat.
Apropos Abfälle: Wie kommt es, dass die großen Glasbrocken, die in Glashütten übrig bleiben, als Müll angesehen werden?
Marie: Daraus noch etwas zu machen, ist gar nicht so easy. Wir mussten unser eigenes Werkzeug entwickeln, um überhaupt diesen Glasbrocken Herr zu werden. Sie sind alle unregelmäßig geformt und sehen immer anders aus. Daher mussten wir eine bestimmte Technik entwickeln, ein spezielles Sägeblatt und eine eigene Maschine. Jedes Stück wird per Hand geschnitten, weil man es maschinell gar nicht fassen kann.
Wo sollte Basis Rho unbedingt mal zum Einsatz kommen?
Marie: Unsere Traumvorstellung wäre es, eine Kathedrale komplett aus Basis Rho zu errichten. Die Eigenschaften des Glases bedingen es, dass das Innen und Außen durch bezaubernde Weise miteinander verbunden werden. Dadurch kann Basis Rho als ein sehr spirituelles Material begriffen werden.
Anja: Wir haben an diese Andachtsräume gedacht, die für alle Religionen da sind. Wir können uns Basis Rho auch total super in der Gastronomie vorstellen, im Spa-Bereich oder in anderen Erlebnisräumen. Aber auch in privaten Wohnräumen. Wir haben tausend Ideen und kriegen wirklich tolle Anfragen von sehr spannenden Brands. Daran merkt man, dass das Material eine ungeheure Kraft hat, die Identität von anderen aufzunehmen und weiterzugeben. Egal wo es hingehen wird, die Realisierung der Projekte wird spannend. Für uns ist auch die kleinste Fläche besonders.
Anja: Je crazier die Kundenidee, desto happier sind wir. Es ist künstlerisch jedes Mal eine große Herausforderung - nicht nur technisch, sondern auch visionär.
Wie viel vom endgültigen Erscheinungsbild des Neoterrazzos ist planbar?
Anja: Hundert Prozent. Und das macht uns auch einzigartig am Markt. Wir haben eine Technik entwickelt, mit der wir das Bild auf den Millimeter genau planen können. Dadurch ist es für uns nicht nur die Terrazzo-Ästhetik, sondern ein eigenständiges, abstraktes Bild, das dreidimensional als Neoterrazzo kommuniziert werden kann. Die meisten Manufakturen und Designer*innen, die mit ähnlichen Materialien arbeiten, entscheiden sich für das willkürliche Terrazzo-Prinzip. Der Zuschlag wird reingeschmissen, dann kommt die Zementmasse drauf und später wird das Material geschliffen und poliert.
Marie: Das Terrazzo-Einzigartigkeits-USP ist ein Witz. Jedes Brot oder jeder Schluck Wasser ist auch einzigartig. Durch seine Zufälligkeit ist Terrazzo einfach nicht vergleichbar.
Können die Kund*innen auch ihr eigenes Material mitbringen und verarbeiten lassen?
Anja: Absolut! Basis Rho ist sehr offen und involvierend. Wir können Pflanzenabfälle oder Knochen reinschmeißen, unsere Mischung kann sich an alle Trends oder Bedürfnisse anpassen. Die Rezeptur ermöglicht es uns, das Material in allen Farben zu färben und es mit allen möglichen Zuschlägen zu versehen. Dadurch haben wir kein Problem mit Trendabnutzungserscheinungen.
Anja: Basis Rho wird genau nach den Wünschen der Kund*innen geformt, mit Absicht und Sinn dahinter. Das Material entsteht im Gegensatz zu Terrazzo nicht zufällig, dadurch ist es einzigartig.
Was unterscheidet euch noch von anderen Hersteller*innen?
Marie: Die meisten Wettbewerber*innen verwenden sehr viel Kunstharz, das sie dem Beton als Zuschläge beimischen. Es wird sehr viel Plastik, zum Beispiel recycelte Joghurtbecher, eingebunden. Wir hatten den großen Anspruch, in unserer Rezeptur ohne Plastik auszukommen. Unsere Zuschläge, wie Sande und Kiese, sind alle regional. Der Zement selber wird zwar frisch gesintert (frisch hergestellt, Anm. d. Red.), aber wir arbeiten daran, auch den Beton zu recyceln, sobald diese Technik unseren qualitativen Ansprüchen genügt. Das gesamte Material wird in Deutschland produziert und die Herstellung von Basis Rho findet ausschließlich in Berlin statt.
Entwickelt sich da auch was in Sachen Nachhaltigkeit?
Marie: Heute gibt es komplett andere Rezepturen als früher. Damals wurde viel mit frisch auf den Markt gebrachten Chemikalien herumgepfuscht, viele Faktoren waren gar nicht integriert und dann riss der Beton natürlich. Die Betonforschung ist heute viel weiter, es gibt ja ganze Studiengänge zu dem Thema.
Wie kamt ihr auf die Idee, den Beton zu färben?
Marie: Anfangs hat man uns als Künstlerinnen auch da wenig ernst genommen und gesagt: „Das geht gar nicht!“ Aber es geht. Beton muss raus aus dem Schwarz und Grau - er kann so viel mehr!
Anja: Wir haben Anfang des Jahres mit Rosa und Schwarz gestartet. Aber alles ist möglich.
Nehmen wir an, H&M würde an euch herantreten und euch bitten, eine Ladenfläche für sie zu designen - würdet ihr einwilligen?
Marie: Klar - let’s do it! Anfragen solcher Kaliber sind spannend, weil sie deutlich machen, wie die Industrie auf junge Pionier-Lösungen angewiesen ist. Die Frage ist dann eher: Wie wird das kommuniziert, wird die Zusammenarbeit ausgeschlachtet oder vereinnahmt? Das sind Themen, die uns wichtig sind. Wir merken, dass wir als Künstlerinnen ein Selbstverständnis dafür haben, welche Art von Wertschätzung passieren muss. Wir sind nicht einfach Materialherstellerinnen. Das ästhetische Bild steht an erster Stelle. Das kann und muss auch H&M begreifen.
Anja: Wenn sie darauf eingehen, decken sie sich nicht nur mit was Schönem ein, sondern haben dann auch Künstlerinnen an der Backe, die die Dinge aussprechen können. Das ist nicht nur „easy und hübsch“. Es wird sich zeigen, wie komplex die Dialoge in unseren Kooperationen sein werden. Da freuen wir uns sehr drauf.
Marie: Die Frage mit H&M betrifft sehr die Moral. Früher hätten wir wahrscheinlich gesagt: „Never ever! Wir sind doch nicht die Illustratorinnen von zweiwöchigen T-Shirt-Kollektionen und dann schmeißt ihr uns weg.“ Aber Basis Rho verewigt sich ja wie ein Monument, deswegen sind solche Kooperationen gar nicht uninteressant für uns. Und aus solchen Plattformen ergeben sich auch wieder neue Kollaborationen.
Wie sieht es bei euch zu Hause aus? Sind alle Wände aus Basis Rho?
Marie: Wir haben in unserem Studio einige Bilder, zu Hause aber nicht. Da wir mit den Besten der Besten in Berlin zusammenarbeiten, ist es einfach eine Frage des Preises. Die Kosten in der Herstellung sind sehr hoch, damit wir diese Qualität liefern können. Aber sukzessive wollen wir Basis Rho immer mehr in private Wohnungen holen und es uns auch selbst leisten können.
Wie kann man dem Punkt entgegenwirken, dass sich nur reiche Menschen Kunst leisten können?
Anja: Ein wichtiger Schritt ist, die Produktion komplett inhouse abzudecken. Wir arbeiten mit lokalen Partner*innen, von denen wir sehr viel gelernt haben. Um irgendwann preislich auch andere Kunden ansprechen zu können, müssen wir noch ein paar Produktionsphasen durchlaufen. Was wir von Anfang an wollten, ist, dass alle Endkunden Basis Rho erwerben können, auch wenn sie nur eine Fliese einkaufen. Wir wollen auch Leute bedienen, die finanziell nicht in der Lage sind, sich 200 Quadratmeter mit dem Material auszulegen.
Oder man baut sich langsam eine Basis-Rho-Sammlung auf.
Marie: Ja, genau wie in der Kunst. Einige Editionen sind für fast jede*n erschwinglich. Als der Lockdown anfing, hatten wir noch viele Samples übrig und haben daraus Interior-Objekte wie Vasen oder Kerzenhalter entwickelt. Die sprechen auch viele Kund*innen an.
Wie sind denn die Kosten für so eine Vase?
Anja: Es gibt sie in verschiedenen Größen, beginnend ab 260 Euro. Dafür gibt es sie wirklich nur ein einziges Mal, man besitzt ein echtes Unikat mit dem eigenen Stein.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Ihr seid neugierig geworden? Dann lasst euch doch auf der Website von Basis Rho weiter inspirieren oder besucht die beiden Künstlerinnen in ihrem Showroom im Berliner Direktorenhaus und guckt euch den multifunktionalen Neoterrazzo live und in Farbe an. Besuch nur nach telefonischer Voranmeldung.
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.
-
Header:Anja Langer & Marie Jeschke - © Hannes Greve