DienstArt – Die Kunstkolumne: Total Banane?
Warum die gelbe Frucht ein so beliebtes Motiv in der Kunst ist und sogar als Gütesiegel funktioniert
Warum die gelbe Frucht ein so beliebtes Motiv in der Kunst ist und sogar als Gütesiegel funktioniert
Wer mit aufmerksamen Augen durch die Kulturszene streift, dem ist sie sicher schon mal aufgefallen: Die kleine, comichafte Banane, die per Schablonentechnik oft an die Fassaden von Galerien oder Museen gesprüht ist. In Deutschland finden wir sie unter anderem in Berlin, Essen, Hamburg, Kassel, München und ganz bestimmt auch in eurer Stadt. Mittlerweile hat sie aber auch international Karriere gemacht: Sie schmückt zum Beispiel Museen und Off-Spaces in London, Moskau, Paris und New York City. Mittlerweile sind es tausende Bananen, die die Kunstinstitutionen der westlichen Welt zieren.
Inzwischen wird die kleine Banane sogar als das inoffizielle Gütesiegel der deutschen Kunstszene angesehen. Urheber ist der Künstler Thomas Baumgärtel, der seit 1980 besondere Kunstorte mit dem charakteristischen Obst versieht und daher auch als „Bananen-Sprayer“ bekannt ist.
Warum eigentlich „Bananenrepublik“?
Kulturgeschichtlich ist die Banane allerdings schon etwas länger bekannt. Vor dem 20. Jahrhundert galt sie in Deutschland noch als „exotisches Luxusgut“. Im 19. Jahrhundert hatte sich die Banane von Südostasien bis nach Afrika und Südamerika ausgebreitet. Die 1899 gegründete „United Fruit Company“ (heute Chiquita Brands International) kontrollierte bald den Großteil des nordamerikanischen Bananenmarktes. Die Plantagen befanden sich in Kolumbien, Costa Rica, Jamaika, Nicaragua, Panama und Honduras, wo die USA zoll- und steuerfrei agierten und die Anbaustaaten in ein extremes Abhängigkeitsverhältnis zwangen. Aus dieser Zeit, in der Länder Süd- und Zentralamerikas wirtschaftlich von den USA und dem Export der Bananen abhängig waren, stammt auch der Begriff „Bananenrepublik“. Er bezeichnet in abwertender Form jene Länder, die von wirtschaftlicher oder politischer Korruption betroffen sind. Hinter dieser saloppen Formulierung stecken also eigentlich koloniale Denkstrukturen: Obst wurde zum Spottpreis importiert, die Bewohner*innen der Ursprungsländer unterdrückt und die eigene Wirtschaft gestärkt.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts florierte also der Bananenhandel und auch nach Deutschland wurde mehr und mehr verschifft. In den 1950er Jahren kam die Banane zollfrei nach Westdeutschland und wurde dort zum Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung. In der DDR verkörperte die Banane den westlichen Lebensstil und es gibt unzählige Scherze darüber, dass Ostdeutsche keine Bananen kannten. Haha. Aber zurück zur Kunst:
Vom immer größer werdenden Bekanntheitsgrad der Banane in Europa zeugen zahlreiche Stillleben, die um 1900 herum entstanden sind. Damit verbunden sind auch die Begeisterung für Exotismus und die Sehnsucht nach für westliche Verhältnisse fernen Ländern, die bereist werden wollten. Hier wird deutlich, dass Kunst auch immer ein Spiegel wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen ist. Maler*innen, die Bananen abbildeten, müssen irgendwie mit ihr in Berührung gekommen sein. Der französische Maler Paul Gauguin zum Beispiel hat lange Zeit in Französisch-Polynesien verbracht, wo die Banane wuchs. Der italienische Maler Giorgio de Chirico wird die Südfrucht wohl durch den regen Import von Afrika nach Italien gekannt haben, denn erst viele Jahre später wurde die Banane auch in Italien angebaut.
Knallig gelb und irgendwie anstößig
1967 erblickte die wohl bekannteste Banane der Popkultur das Licht der Welt: Als Covergirl des von Andy Warhol gestalteten Albums „The Velvet Underground & Nico“ erlebte die gelbe Frucht ihren großen künstlerischen Durchbruch. Für die Pop Art war die trivial anmutende Banane wie gemacht: knallig gelb und irgendwie anstößig ähnelt sie zum Beispiel einem Penis oder einer Pistole. Dadurch wurde sie im Laufe der Zeit zur Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Botschaften. Außerdem konnte sie leicht abstrahiert werden: Während man einen roten Kreis nicht unbedingt als Apfel interpretiert, erinnert ein gelber Halbmond deutlich an eine Banane. Somit war sie das perfekte Alltagsobjekt für Warhol und seine Kunst. Die Aufforderung „Peel slowly and see“, die das Artwork der von ihm produzierten und designten Schallplatte ziert, lädt Musikliebhaber*innen zum Mitmachen ein: Der oder die Besitzer*in der Platte kann die Bananenschale abziehen und am Ende die nackte Banane bestaunen.
© tate.org, Courtesy: guerillagirls.com
Mit Geschlechtern wird die Banane zum Beispiel von den Guerilla Girls in Verbindung gebracht. Durch ihren Protest gegen Diskriminierung und Sexismus in der Kunst ist die Künstlerinnengruppe, die stets anonym auftritt, bekannt geworden. Auf diesem Plakat von 1989 haken die Guerilla Girls nach: Wie viele Kunstwerke von KünstlerINNEN wurden in diesem Jahr bei Sotheby’s Auktionen für Zeitgenössische Kunst versteigert? Die Antwort fiel ernüchternd aus: Wie üblich stammten nicht mal 10 Prozent der verkauften Sammlung von Künstlerinnen. Die Guerilla Girls entlarvten die Kunstwelt ein weiteres Mal als Männerdomäne. Abgesehen davon, dass die Bananen für die im Gorillakostüm auftretenden Künstlerinnen natürlich das beliebteste Accessoire sein dürften, sind die Früchte in diesem Fall auch ein deutlicher Verweis auf die vorherrschende Männlichkeit.
Ihre starke Symbolkraft hat die Banane bis heute nicht verloren. Aus diesem Grund wurde sie Anfang dieses Jahres sogar zum Zeichen für den Protest gegen Zensur im Museum und für die Kunstfreiheit. Nachdem im Warschauer Nationalmuseum die Werke zweier feministischer Künstlerinnen entfernt wurden, protestierten in Polen und in den sozialen Netzwerken weltweit Menschen gegen diese Maßnahme. Konkret ging es um Videostills der Künstlerin Natalia LL, die im Film „Consumer Art“ genussvoll an Bananen herumschleckt. Angeblich hatte das Kultusministerium dem neuen Direktor des Museums zur Entfernung geraten, da die Werke zu skandalös für die Ausstellung seien – schließlich erinnere das gezeigte Zungenspiel an Oralverkehr. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aus Solidarität aßen Männer und Frauen auf Facebook, Instagram und Twitter nun besonders inbrünstig ihre Bananen und das Kunstwerk wurde – zumindest für kurze Zeit – wieder in der Ausstellung gezeigt.
Von der Illegalität zur Ikone
Anhand der Graffiti-Banane von Thomas Baumgärtel ist ein interessanter kulturpolitischer Wandel zu erkennen: Zu Beginn seiner Laufbahn sprühte der Künstler noch illegal, wurde angezeigt und sogar verhaftet. Einige Museen entfernten empört die kleine Banane an ihren vier Wänden. Doch was zuerst als Vandalismus abgetan wurde, entpuppte sich später als wahre Kostbarkeit. Das Museum Ludwig in Köln bat Baumgärtel sogar schriftlich um sein gekrümmtes Obstsiegel. Hier zeigt sich mal wieder, dass, was heute nicht beachtet wird, morgen schon den absoluten Hype erfahren kann. Mit der Zeit hatte sich das Obst zur ikonischen Auszeichnung gemausert, auf dessen „Besitz“ man stolz war. Wer die Banane an einem Mauerwerk entdeckt, weiß sofort: Baumgärtel approves.
Natürlich hätte Baumgärtel auch ein eindeutigeres oder seriöseres Symbol wählen können, einen Daumen nach oben oder einen grünen Haken zum Beispiel. Auf der anderen Seite ist die Banane eben ein sehr markantes, einprägsames Icon. Zudem wohnt ihr auch eine gewisse Ironie inne: Sie wird noch immer mit ihren vermeintlich liebsten Konsumenten, den Affen, in Verbindung gebracht und symbolisiert Spaß und Albernheit. Eigentlich ein wunderbares Zeichen gegen die Ernsthaftigkeit des sonst so sachlichen Kunstbetriebs.
Habt ihr auch schon mal eine von Baumgärtels berühmten Bananen entdeckt? Erzählt uns gerne davon in den Kommentaren.