Kunst kaufen - aber wie? Im Gespräch mit Valeria Napoleone

Kunst kaufen - aber wie? Im Gespräch mit Valeria Napoleone

Valeria Napoleone ist eine der wichtigsten Kunstsammlerinnen Londons. Wir haben mit der gebürtigen Mailänderin über politische Verantwortung, Online-Shopping und die richtige Strategie zum Start einer eigenen Kunstsammlung gesprochen

Wir haben mit der Kunstsammlerin über politische Verantwortung, Online-Shopping und die richtige Strategie zum Start einer eigenen Kunstsammlung gesprochen

Unsere erste Reaktion, als wir das erste Mal von Valeria Napoleone gelesen haben? Wow! In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Mäzenin und Sammlerin mehrere hundert Kunstwerke gesammelt, die nun in ihrem Londoner Apartment ausgestellt sind. Aber damit nicht genug: Ihre Mission ist es, gegen das Gender-Ungleichgewicht in der Kunst vorzugehen.

Aber der Reihe nach: Alles begann in den 1990er Jahren. Das erste Werk in Napoleones Sammlung war eine Fotografie von Carol Shadford. Mittlerweile befinden sich unter anderem Werke von Shirin Neshat, Aleksandra Domanović, Haegue Yang und Berta Fischer in ihrem Besitz – und es werden immer mehr. Einzige Bedingung: Valeria Napoleone kauft ausschließlich Werke von Künstlerinnen an. Besonders wichtig sind ihr dabei die persönliche Beziehung und der Austausch mit den Urheberinnen. 2015 hat sie das Programm „Valeria Napoleone XX“ ins Leben gerufen, in dem sie in Zusammenarbeit mit der Contemporary Art Society in Großbritannien und dem SculptureCenter in Long Island City die Frauenquote in den Museen steigern will. Dafür kauft sie Werke von Künstlerinnen an, die an regionale Museen gespendet werden. Außerdem setzt sie sich für die Realisierung künstlerischer Projekte ein und finanzierte zum Beispiel die Installation „Project for Door (After Gaetano Pesce)“ von Anthea Hamilton, die 2016 den Turner Prize gewann.

Von so viel Engagement waren wir ganz geplättet und wollten es uns nicht nehmen lassen, im Rahmen der Serie „Kunst kaufen – aber wie?“ auch mit Valeria Napoleone zu sprechen. Gesagt getan – im Interview steht sie uns Rede und Antwort über politische Verantwortung, Online-Shopping und die richtige Strategie zum Start einer eigenen Kunstsammlung.

Ihr Engagement ist vorbildlich. Wie viel politische Verantwortung trägt man als Sammlerin?

Meine Tätigkeit als Sammlerin ist weniger politisch bestimmt als vielmehr durch meinem starken Willen nach Gerechtigkeit. Obwohl ich schon 1997 mit dem Sammeln begonnen habe, habe ich erst 2015 „Valeria Napoleone XX“ gelauncht. Es musste dringend gehandelt werden und ich wollte mein Engagement für Künstlerinnen richtig offiziell machen.

Als Sammlerin und Mäzenin fühle ich mich verantwortlich, großes Talent zu fördern und gegen Geschlechterdiskriminierung in der Kunst aufzustehen. Ich verstehe einfach nicht, warum talentierte Künstlerinnen nicht wahrgenommen oder abgelehnt werden, nur aufgrund ihres Geschlechts.  

„ „Ich wollte einen ganzen Chor weiblicher Stimmen kreieren, die von der Kunstgeschichte so lange zum Schweigen gebracht wurden.“ “

Wie hat sich aus Ihrem ersten Werk eine ganze Sammlung entwickelt?

Bevor ich auch nur ein einziges Werk gekauft habe, habe ich einen Masterkurs in "Art Gallery Administration" am Fashion Institute of Technology in New York gemacht. In dieser Zeit habe ich zugehört, hingeschaut, viel gelernt und diskutiert. Nicht nur über Kunst, sondern auch über mich selbst, meine Leidenschaft und den Platz, den ich in der Kunstwelt einnehmen wollte. Als ich schließlich mein erstes Werk, die Fotografie von Carol Shadford, gekauft habe, wusste ich schon, dass ich mich mit meiner Sammlung auf Künstlerinnen konzentrieren wollte. Ich wollte einen ganzen Chor weiblicher Stimmen kreieren, die von der Kunstgeschichte so lange zum Schweigen gebracht wurden.

Welchen Rat geben Sie Menschen, die sich eine eigene Kunstsammlung aufbauen wollen?

Der beste Tipp ist, sich Zeit zu nehmen, um etwas über den eigenen Geschmack zu lernen. Ein Jahr zum Beispiel. In dieser Phase sollte man sich eine Menge Kunst angucken und richtig in die zeitgenössische Kunst eintauchen. Es ist wichtig, viele Galerien zu besuchen, bevor man wirklich etwas kauft.

Welcher Strategie sollte man folgen, wenn man nicht viel Geld auf der hohen Kante hat?

Das wäre mein zweiter Tipp gewesen: Leg dir ein Budget fest und bleib dabei. Ein festes Limit hilft wirklich, sich mehr darauf zu fokussieren, was man wirklich mag. Ich selbst setze mir immer eine feste Preisgrenze und dachte früher oft, das würde mich einschränken. Stattdessen hat es sich als sehr nützlich erwiesen, da es mich versierter und selektiver gemacht hat.

Wo kaufen Sie hauptsächlich Kunst ein?

Ich kaufe hauptsächlich in Galerien und häufig direkt bei den Künstler*innen ein. Die meiste Kunst beziehe ich also aus dem Primärmarkt. Ich habe in meinem ganzen Leben erst zwei Werke bei einer Auktion gekauft. Ich liebe einfach die Beziehung zu Galerien und Künstlerinnen zu sehr, das Gemeinschaftsgefühl. Mir ist es sehr wichtig, mit meiner Sammeltätigkeit die Arbeit der Künstlerinnen zu unterstützen.  

„ „Online Viewing Rooms sind kein Ersatz für das Betrachten realer Kunst. Es gibt einfach nichts, was das Erlebnis schlägt, Galerien zu besuchen und ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein.“ “

Wie halten Sie es mit Online-Ausstellungen?

Das ist nicht so mein Ding. Ich gucke mir zwar online Kunst an, weil es mir ermöglicht, mehr zu sehen als ich es analog könnte. Aber Online Viewing Rooms sind kein Ersatz für das Betrachten realer Kunst. Es gibt einfach nichts, was das Erlebnis schlägt, Galerien zu besuchen und ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Das ist unbezahlbar.

Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus? Können wir es uns dort wie in einem Museum vorstellen?

Wir verändern die Sammlung bei uns zu Hause das ganze Jahr über sehr organisch. Wir hängen zum Beispiel nicht von einem Tag auf den anderen alles um. Ich halte viel von einem fließenden Wechsel und tausche alle paar Monate mal einige Werke aus um den Ort dynamisch und aktiv zu halten. Und um unseren Geist zu beschäftigen. Das Verändern macht mir großen Spaß, es zeigt viele Arbeiten in neuem Licht. Natürlich ist es eine Herausforderung, das macht die Sache aber umso spannender.

Werden Sie wohl irgendwann einen Schlussstrich unter Ihre Sammeltätigkeit ziehen können?

Ich wusste von Anfang an, dass das Sammeln meine Leidenschaft ist und mich dieses Vorhaben bis in meine alten Tage begleiten würde. Und wenn ich Glück habe, wird es das hoffentlich auch.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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    Foto: Philip Sinden, Kunst: Lily Van Der Stokker, & Leo Kroll, Tables and Chairs, 2004; Lisa Yuskavage, True Blonde, 1998

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