She did her job – He had one job

She did her job – He had one job

Hengameh & Horst. Eine*r von beiden hat verkackt – Spoiler: Es war nicht Hengameh

Hengameh & Horst. Eine*r von beiden hat verkackt – Spoiler: Es war nicht Hengameh

Alle Menschen sind vor unserem Grundgesetz gleich, aber manche waren schon immer einfach gleicher. Weil sie die Klaviatur der weißen Elite bedienen, nach deren Pfeife tanzen und den Takt entsprechend den Vorstellungen von dem, was hierzulande bitte gut und schlecht zu sein hat, Schwarz und Weiß, weiter trommeln.

Es ist zum Beispiel kein Problem, wieder und wieder in Form von manipulativen Schlagzeilen gegen Geflüchtete zu hetzen, Rassismus salonfähig zu machen, Fremdenhass zu schüren und den eigenen Karren von einem reaktionären Ross durch den Dreck ziehen zu lassen. Bei der größten Tageszeitung Deutschlands sind Framing, Hate-Speech, Gaslighting und Hetze an der Tagesordnung. Wenn nun aber in der taz eine satirische Kolumne erscheint, die sich inhaltlich auf die sehr realen und systemischen Missstände in einer öffentlichen Behörde bezieht (die darüber hinaus noch unter staatlicher Führung steht) und den Finger überspitzt in die Wunde legt, drehen plötzlich sämtliche weißen Cis-Männer der sogenannten Elite dieses Landes am Rad.

Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG

Hengameh Yaghoobifarah, freie Journalist*in, Co-Autor*in und Mitherausgeber*in der großartigen Anthologie „Eure Heimat ist unser Albtraum“ hat für die taz ihren Job gemacht und in Form eines satirischen Beitrags namens „All cops are berufsunfähig“ auf die belegten rechtsradikalen und rassistischen Unterwanderungen des Polizeiapparates aufmerksam gemacht – und hatte auch direkt einige Ideen, wo besagte Beamt*innen in Zukunft arbeiten könnten. Der komplette Beitrag ist komplett überspitzt und, wie bei Satire üblich, trotz der radikalen Wortwahl eher als Aufschrei zu verstehen. Der Aufschrei einer Kolumnist*in mit Migrationshintergrund, die Rassismus am eigenen Leib erfahren muss. Ein Aufschrei der Wut im Namen all jener, die noch immer nicht gehört werden. Wenn zum 1000. Mal arabische Konditoreien in Neukölln brennen, wenn ein möglicher Ausfall der Bundesliga für einen größeren gesellschaftlichen Aufschrei sorgt, als die Morde und der Prozess der NSU, wenn Menschen sich ermutigt und berechtigt dazu fühlen, mit großkalibrigen Handfeuerwaffen auf Synagogen und in Shisha-Bars zu feuern, wenn das N-Wort in Landtagsdebatten erlaubt wird oder Menschen mit ausländisch klingenden Namen, BIPOCs und POCs noch immer strukturell benachteiligt werden – mitunter ganz offen.

Für die Deutsche Polizeigewerkschaft bzw. Rainer Wendt war das zu viel. Er erstatte Anzeige wegen Volksverhetzung. Sein Baba Horst Seehofer möchte nun nachziehen und seinerseits Hengameh wegen Volksverhetzung oder Beleidigung verklagen, das weiß er noch nicht genau und prüft das gerade bisschen durch.

Missstände aufdecken und anklagen ist einer der wichtigsten Funktionen eines freien Presseapparats eines Landes. Nicht umsonst sind es immer zuerst Journalist*innen und Publikationen, die mundtot gemacht oder fremdgesteuert werden, wenn sich ein*e Despot*in anschickt, sich ein ganzes Land zu eigen zu machen. Gerade Deutschland bildet sich sehr ja sehr viel auf das eigene Grundgesetz ein, das so einmalig in der Welt ist. Ja, gegeben. Ist es. Einen Sinn hat es aber nur, wenn es geehrt wird und, man, egal was man tut, niemals vergisst, aus welchen Abgründen heraus es entstanden ist. Mit der Umsetzung scheint es in letzter Zeit nämlich mehr und mehr zu hapern. Was mich an Deutschland massiv nervt? Die selbstgefällige Eitelkeit. Dieses Land ist an Bigotterie schon nicht mehr zu übertreffen. Despoten-Staaten geben wenigstens zu, dass sie sich scheiße verhalten.

Unsere Exekutive ist so sehr damit beschäftigt, sich untereinander die Eier zu kraulen und auf die Schulter zu klopfen, dass die Überraschung jedes Mal unfassbar groß und keine*r mehr weiß, was zu tun ist, wenn der Pöbel plötzlich aufmuckt. Dann wird zur Legislative / Judikative gerannt, geheult und gepetzt.

Wir erleben ein Best-of von reaktionärem Großkotzertum

Dass Horst es nicht so hat mit den Grundlagen seines eigenen Berufs, konnte er in seiner unrühmlichen Rolle als Innenminister schon mehrfach unter Beweis stellen. Er hat u.a. die Neutralitätspflicht seiner eigenen Behörde verletzt und ohne rechtliche Grundlage ein Rückweisungsabkommen mit Griechenland vereinbart. Freilich nur die Spitze des Eisberges. Seine moralischen Entgleisungen lesen sich hingegen wie ein Best-of reaktionären Großkotzertums. Für ihn gehört der Islam nicht zu Deutschland, die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Problem in diesem Land und wir werden nie den glorreichen Tag vergessen, als an seinem 69. Geburtstag 69 Personen nach Afghanistan zurückgeführt wurden.

Politiker wie Horst Seehofer sind eine Gefahr für die Demokratie. Weil sie echte Demokratie anstrengend finden. Weil echte Demokratie für sie keine Vorteile parat hält. Und, weil bei echter Demokratie ihre werte Meinung im Zweifel niemanden interessiert. Wo kämen wir auch hin, wenn plötzlich alle die gleichen Rechte hätten?

Um die Brisanz der Tatsache, das ein dem deutschen Staatsorgan angehörender Politiker eine freie Journalist*in anzeigen möchte, weil sie ihren Job gemacht hat, noch mal zu unterstreichen, führe ich noch mal auf, welche Zuständigkeiten dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat u.a. unterliegen, dahinter in Klammern meine Anmerkungen:

  • Innere Sicherheit (für rechtschaffene, christliche, ur-deutsche, heterosexuelle Staatsbürger*innen)
  • Kriminalitätsbekämpfung (z.B. von Linken, Journalist*innen und Geflüchteten)
  • Zivilschutz (siehe erster Punkt)
  • Verfassungsschutz, insbesondere den Schutz vor Extremismus, Terrorismus, Sabotage, Spionage und Sekten (siehe zweiter Punkt)
  • Heimat, darunter fallen u.a. auch gesellschaftlicher Zusammenhalt und Kirchen und Religionsgemeinschaften (siehe erster Punkt)

Horst Seehofer übersteht also einem Amt, deren Aufgabe es ist, die Verfassung zu schützen. Logisch, dass man dann die Pressefreiheit und das Recht auf Meinungsäußerung in Form einer Drohung via Bild-Zeitung mit den Füßen tritt. Oder man reißt sich mal am Riemen, macht seinen verdammten Job, entschuldigt sich, nimmt sich dem Problem der rassistischen Polizeigewalt in Deutschland an und tritt dann zurück, um für immer zu schweigen.

So könnt ihr Hengameh Yaghoobifarah und die Pressefreiheit unterstützen

Unterschreibt die Online-Petition „Pressefreiheit statt Polizeigewalt!“ auf Change, teilt sie und teilt den offenen Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Geht wählen, demonstriert und steht für eure und unser aller Rechte ein.

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