Bitte alles Bio – aber die Blumen vom Discounter

Bitte alles Bio – aber die Blumen vom Discounter

Biosiegel werden für viele Menschen immer wichtiger, aber was ist eigentlich mit den Blumen, die in der Vase auf unserem Esstisch stehen?

Biosiegel werden für viele Menschen immer wichtiger, aber was ist eigentlich mit den Blumen, die in der Vase auf unserem Esstisch stehen?

Unser Essen soll biologisch sein, unsere Kleidung unter fairen Bedingungen hergestellt werden. Wir tragen unseren Mehrwegkaffeebecher durch die Gegend, um ein Zeichen gegen Plastikmüll zu setzen und kaufen regionale Ware ein. Aber wie ist das eigentlich mit Schnittblumen und Zierpflanzen?

Ich kenne keinen Blumenladen, der sich groß auf die Fahne schreibt „Hier! Bio! Und auch noch aus regionalem Anbau!“ Dabei ist Deutschland der drittgrößte Markt für Schnittblumen weltweit. Ja, richtig gehört. Weltweit. 2015 haben die Deutschen gut 8,5 Milliarden Euro für Schnittblumen ausgegeben. Vor allem Rosen sind bei uns ganz hoch im Kurs ... wir alten Romantiker. Aber ein Anstieg von Blumenbauern, die regional im eigenen Land anbauen? Fehlanzeige! Rund 80 Prozent der in hiesigen Blumenläden angebotenen Schnittblumen werden aus den Niederlanden importiert – dem Dreh- und Angelpunkt für den weltweiten Blumenhandel. Allerdings kommen natürlich längst nicht alle Blumen aus den holländischen Gewächshäusern. Viel öfter werden sie aus Südamerika und Afrika importiert. Dort herrschen weder gerechte Arbeitsbedingungen noch ein verantwortungsvoller Umgang mit Pestiziden. 

Die Felder vom Fläming Garten

Also warum sollte man nicht auch bei Blumen auf Regionalität und Saisonalität Acht geben? Der deutsche Durchschnittskunde scheint sich darüber noch nicht allzu viele Gedanken zu machen. Trotzdem gibt es ein paar wenige, die im Berliner Umland Blumen anbauen, welche dann auf Berliner Märkten oder in der Biosupermarktkette Bio Company verkauft werden. 

Eine dieser Blumenbauern ist die Bäuerin Conni Pelzer vom Fläming Garten. Auf einem Hektar baut sie seit 13 Jahren saisonal Blumen an, die das Prädikat Bio verdient haben. „Ich finde es wichtig, die Böden ökologisch zu bewirtschaften und nicht mit Monokulturen kaputtzumachen“, sagt sie. Deshalb habe sie sich für ökologischen Blumenanbau entschieden.

Ökologisch angebaute Pflanzen müssen besonders gepflegt werden

Allerdings ist die Konkurrenz der Billigware aus der ganzen Welt so groß geworden, dass sie ihren Betrieb zum Ende vergangenen Jahres aufgeben musste. „Ich hatte so hohe Personalausgaben, dass ich gar nicht mit den Preisen der importierten Blumen mithalten konnte. In den Ländern, aus denen die Importware kommt, gibt es selten Arbeitsstandards, sodass sie trotz des weiten Transportweges viel billiger angeboten werden können als meine Blumen.“ 

Außerdem sorgen die Pestizide, mit denen herkömmliche Pflanzen besprüht und gedüngt werden, meist monatelang für Unkrautvernichtung. „So kann ich in einem Biobetrieb natürlich nicht düngen. Ich benutze Mist und müsste alle zwei Wochen Unkraut jäten, damit die Pflanzen gut gedeihen. Das schaffe ich allein gar nicht und um noch jemanden extra für das Unkraut anzustellen, fehlt das Geld.“

Auch die Dürre 2018 hatte es den Bauern nicht leichter gemacht. Weder den konventionellen, noch den Biobauern, da macht die Natur keinen Unterschied.

„Kulturen, die innerhalb von drei bis vier Wochen abgeerntet werden sollten, blühen plötzlich innerhalb eines Tages auf, nachdem es 35 Grad waren“, erzählt Christoph Lenzen, ein Florist, der in der Markthalle 9 in Berlin Kreuzberg den „Blumenstand“ betreibt und in Kloster Zinna bei Jüterbog auf einem halben Hektar Bioblumen anpflanzt. „Das heißt, die gesamte Kultur, die drei bis vier Wochen Blumen liefern sollte, kann und muss man in kurzer Zeit komplett abschneiden.“ So entsteht eine Überproduktion, für die man eventuell keine Abnehmer findet und die Blumen, die so fürsorglich kultiviert wurden, landen im schlechtesten Fall auf dem Kompost. 

Die Blumen haben während der Dürre gelitten

Christoph Lenzen hat ein etwas anderes Geschäftsmodell als Conni Pelzer. Er beschränkt sich beim Anbau nicht nur auf Schnittblumen. „Wir beliefern 25 der 50 Bio Company Filialen mit Topfpflanzen. Außerdem kaufe ich auch immer wieder auf dem Großmarkt Blumen, die gerade ins Sortiment passen. Da achte ich dann ehrlich gesagt auch nicht besonders auf die Herkunft, da bin ich kein Ideologe.“

Der Blumenstand in der Markthalle 9 fällt besonders durch seine Üppigkeit auf

Viel erschreckender findet er die Art und Weise, wie Blumen auf großen Farmen abgeerntet werden: „Da wird ein Riesengewächshaus abgeerntet, aber die Ware kann nicht sofort vermarktet werden. Die Blumen lagern dann lange in Kühlräumen, um sie länger frisch zu halten. Das ist dann die Ware, die wir auf dem Großmarkt kaufen. Und das merken die Leute bei uns. Die regionalen, wirklich frischen Blumen haben ein ganz anderes Vasenleben als die konventionelle Ware. Die Blumen, die wir heute aus unserem Anbau anbieten, wurden gestern geschnitten. Viel frischer geht es nicht.“

Die Erika wurde erst am Vortag geschnitten

Obwohl Christoph Lenzen seine Blumen nicht mit den Prädikaten „Bio“ oder „Regional“ bewirbt, merken seine Kunden, dass das Angebot an seinem Stand und in seinem Blumenladen ein anderes ist, als das der konventionellen Floristen. Und auch, wenn dieses Angebot ansprechender ist, weil man nicht immer die ewig gleichen Blumen sieht, gibt es in Deutschland beinah keine Gärtnerei oder Bauern mehr, die ihre Blumen und Topfpflanzen selbst anbauen. Es wird immer mehr importiert und die Pflanzenvielfalt, die es in Deutschland gibt, findet in Blumenläden nicht statt, weil alle das gleiche Sortiment vom Großmarkt anbieten. 

Lenzen bei der Arbeit

Ein anderes Problem, vor allem für Conni, ist die fehlende Förderung vom Landwirtschaftsamt. „Am Anfang bin ich noch oft zum Landwirtschaftsamt gegangen, weil es Fördergelder gibt, aber leider erst ab zwei Hektar Bewirtschaftung. Dabei müsste man dort doch wissen, wie viel Arbeit schon ein Hektar sein kann, der so intensiv kultiviert wird. Ich finde, dass man diese Grenze von zwei Hektar runtersetzen und auch kleinere Bauern fördern sollte. Das hätte mir einiges erleichtert.“

Für Fördergelder hat Lenzen sich nie interessiert, vor allem Spaß müsse man am Blumenanbau haben. Das könne jeder für sich selbst ausprobieren. Trotz der vielen Arbeit, die auch sonntags in Form von Buchhaltung ansteht, lohne sich der ganze Aufwand, solange man mit Leidenschaft dabei sei. 

Sträuße mit heimischen Blumen wirken erfrischend anders

Er sieht das Problem eher in der Vermarktung. „Das Publikum ist heute ein anderes, da läuft viel über Instagram. Da hilft ein Blick in andere Länder. In Amerika, England, Neuseeland oder Australien gibt es eine viel stärkere Bewegung für regionale Blumen. Wenn man auf Instagram #flowerfarmer sucht, findet man hunderte, wenn nicht tausende Farmen, die Blumenanbau betreiben. In ganz Deutschland geht die Zahl für regionalen Blumenanbau gegen null.“

Und tatsächlich gibt es im englischsprachigen Raum viele Farmer, die auf Instagram mit #homegrownflowers werben und gerade deshalb für Kunden interessant sind. 

Und eigentlich ist es doch das Natürlichste der Welt, Waren zu kaufen, die im besten Falle um die Ecke angebaut wurden. Oder kauft ihr regelmäßig Äpfel aus Südafrika und Neuseeland? Vielleicht sollten wir alle einmal mehr im Blumenladen unseres Vertrauens nach der Herkunft von Hortensie, Nelke und Dahlie fragen und so vielleicht auch ein Umdenken bei den Großabnehmern bewirken. Und ganz vielleicht denkt sich dann sogar der ein oder andere: „Stimmt, könnte ich doch eigentlich auch mal versuchen, selbst anzubauen.“

So schön sind frische Blumen aus regionalem Anbau

Alle, die sich selbst von den Vorteilen von regional angebauten Blumen überzeugen möchten, können den Blumenstand in der Markthalle 9 besuchen.

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