Die große Beige-Serie zur US-Wahl 2020: Teil 3 – Ein letzter Check

Die große Beige-Serie zur US-Wahl 2020: Teil 3 – Ein letzter Check

Wie ist die Lage und was, wenn Trump nicht gehen will?

Wie ist die Lage und was, wenn Trump nicht gehen will?

5. Days. Left. Der Wahlkampf in den USA geht in die Endphase. Aktuell liegt der republikanische Amtsinhaber Trump in Umfragen klar hinter dem demokratischen Herausforderer Biden. Dennoch darf Trump weiter hoffen – den Swing States sei Dank – und jagt ohnehin weiterhin allen, die an Demokratie glauben, Angst und Schrecken ein: Mit der Drohung, seinen Posten im Weißen Haus auch im Falle einer Niederlage nicht räumen zu wollen. 

Chance oder Risiko? Eine Frage der Perspektive

Wirtschaftliche Probleme, Ermittlungsverfahren, große gesellschaftliche Krisen, enormer Widerstand aus den eigenen Reihen und zuletzt eine weltweite Pandemie. Hinter Donald Trump liegt eine turbulente Amtszeit. Auch dem*der ein oder anderen seiner Unterstützer*innen waren die letzten vier Jahre wohl etwas zu turbulent. Das zeigen zumindest die aktuellen Umfragewerte. Sprechen diese seinem Herausforderer Biden aktuell doch eine Mehrheit der 538 Wahlmänner und -frauen aus den jeweiligen Bundesstaaten zu. Biden hat derzeit eine Tendenz zu 259 Stimmen, Trump nur zu 125 – nicht mal die Hälfte. Wer flott im Kopfrechnen ist, weiß jetzt also, dass es bei 154 Stimmen (aus acht Staaten) ein enges Rennen wird, welches den Wahlausgang letztendlich entscheidet. Die berühmten Swing States machen es spannend. Doch das Stimmungsbild in den Staaten verleitet wenigstens dazu, von einer demokratischen Präsidentschaft in 2021 zu träumen. Ein solches Ergebnis würde für viele Amerikaner*innen bedeuten, dass sie doch noch auf ein einheitliches Gesundheitssystem und viele andere soziale Reformen hoffen dürften.

Trump will nicht gehen

Donald Trump wäre ja aber nicht Donald Trump, wenn er nicht unter Anbetracht eines für ihn negativen Ergebnisses schon seinen letzten, großen Streich planen würde - um demokratische Grundlagen auch bis zum letztmöglichen Tag noch mit Füßen zu treten. Mehrmals drohte er bereits damit, das Wahlergebnis im Falle einer Niederlage nicht anzuerkennen, denn er scheint schon lange überzeugt, die diesjährige Wahl sei manipuliert. Seit Monaten tauchten Tweets seinerseits auf, die die Wendung „Rigged Election“, also manipulierte Wahl, enthalten.

@realDonaldTrump

Auch Biden nimmt die Drohung seines Konkurrenten, das Wahlergebnis nicht annehmen zu wollen, offenbar ernst. Er sagte nämlich kürzlich in der Sendung „The Daily Show with Trevor Noah”, dass es seine größte Sorge sei, dass der ‚Präsident versuche, diese Wahl zu stehlen‘.  Auch auf die Frage, was in diesem Fall eine Lösung seinerseits wäre, hatte er auch bereits eine Antwort parat: Eingriff des Militärs in die Machtübergabe. Ob sich bewahrheitet, was mehr nach einem Hollywoodstreifen als nach Demokratie im 21. Jahrhundert klingt, werden das Ergebnis und gegebenenfalls die Vorbereitung der Amtsübergabe zeigen. Trump scheint überzeugt von einem manipulierten Wahlverlauf – oder nutzt diese Vorgabe zumindest dazu, sich die ein oder andere Hintertüre offenzuhalten.

Dazu muss gesagt werden, dass die Wahlen tatsächlich im Vorfeld teils chaotisch verliefen. Viele Wähler*innen wollen wegen der hohen Coronainfektionszahlen in den USA einen Gang ins Wahllokal am Wahltag meiden und haben sich deshalb zur Frühwahl angemeldet. Die Folge: ewig lange Warteschlangen vor den Wahllokalen – so wie beispielsweise in Georgia, wo die Wartezeit zur Stimmabgabe in Teilen des Bundesstaates zehn Stunden betrug. Nach vorgestern veröffentlichten Daten der University of Florida haben trotzdem eine Woche vor der Wahl bereits über 70 Millionen Wähler*innen ihre Stimme abgegeben, davon 64 Millionen per Briefwahl. Ein stolzes Ergebnis und bisheriger Rekord.

Bemerkenswert: allein die Frühwahlbeteiligung entspricht mehr als der Hälfte der gesamten Wahlbeteiligung von 2016. Aufgrund der hohen Zahl an vorzeitigen Stimmabgaben gehen die Expert*innen der University of Florida von einer Rekordbeteiligung von etwa 150 Millionen Wählenden in 2020 aus. Eine grundsätzlich positiv zu betrachtende Nachricht, so ist Wahlbeteiligung doch seit jeher die Essenz einer Demokratie - wenn sie denn korrekt abläuft. Auch dies scheint für Donald Trump ausgeschlossen. Man könne Stimmen unter den aktuellen Umständen ja einfach verschwinden lassen, so seine Befürchtung. Und dass, obwohl er jüngst selbst zum Betrug durch doppelte Stimmabgabe (persönlich und postalisch) aufrief. Ja, man macht sich die Welt eben, wie sie einem gefällt, nicht wahr?

Endspurt

Kommenden Dienstag, den 03. November, ist es also so weit: Amerika wählt, und das über alle elf Zeitzonen, über die sich die Vereinigten Staaten erstrecken. Die ersten Wahllokale öffnen bereits um 5 Uhr (11 Uhr Mitteleuropäische Zeit), etwa in Vermont. Danach folgen die Staaten an der Ostküste und im Zentrum des Landes. Das Schlusslicht bilden Alaska und Hawaii, wo die Wahllokale bis 6 bzw. 7 Uhr am Mittwochmorgen unserer Zeit geöffnet sind. In der Vergangenheit stand die siegende Partei meist bereits in der Wahlnacht fest, diesmal könnte ein sich ein vorzeitiges, relativ eindeutiges Ergebnis aufgrund der Auszählung der vielen Briefwahlstimmen um einiges verzögern. So ist es gut möglich, dass wir uns sogar bis kommenden Freitag gedulden müssen, bis wir in Europa das Ergebnis dieser Wahl kennen.

Well, we'll see, wie die Amerikaner sagen würden. Fest steht: Die aktuelle Spaltung des Landes wird mit dieser Wahl nicht von heute auf morgen beseitigt sein. Viele sehen in der nächsten Woche eine langersehnte Hoffnung auf Veränderung, andere beten, dass bloß alles so bleibe, wie es gerade ist. Für mich bleibt gerade nur zu hoffen, dass das Wahlergebnis sowohl demokratisch erzielt, als auch anerkannt wird. Uns Europäer*innen und dem Rest der Welt bleibt ohnehin nichts anderes übrig als warten und hoffen.

Am Wahltag selbst werden wir mit euch beleuchten, was die jungen Amerikaner sich von diesem Tag erhoffen. Nach der Wahl gibt es einen Ausblick, welche Vorhaben der Gewinner angekündigt hat – und wie viel davon realistisch umzusetzen ist.

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