„Nicht mein Problem, wenn ihr die Politik nicht auch als Pop- und Kulturgut sehen könnt.“

„Nicht mein Problem, wenn ihr die Politik nicht auch als Pop- und Kulturgut sehen könnt.“

Wie wird man mit 22 Jahren eine der führenden Politikjournalistinnen des Landes? Politikjournalistin Yasmine C. M’Barek im Interview

Ein Leben zwischen Berlin und Köln: Yasmine C. M’Barek – auf Instagram bekannt als @ceremonialsofasavage – ist ein journalistisches Ausnahmetalent! Die 22-Jährige arbeitet für Zeit Online und besucht parallel die Kölner Journalistenschule. 2020 wählte das Medium Magazin sie zu den „Top 30 bis 30“ Journalist*innen.

Obwohl in der Politik momentan gerade viel los ist, man denke nur an Impfpflicht oder die neue Regierung, hat sich Yasmine die Zeit für ein Gespräch mit mir genommen und ich hätte ihr einfach Stunden zuhören können. Wir haben natürlich über Bundespolitik gesprochen, darüber, ob es in der deutschen Politik tatsächlich so zugeht, wie bei „House of Cards“ und wie man die GenZ am besten erreicht. 

Und da ich schon so lange in den Stil von Yasmine verliebt bin, haben wir auch über ihren ausgeprägten Sinn für Ästhetik und ihrem Umgang mit Instagram gesprochen. Außerdem verrät die gebürtige Kölnerin, welches das Nagelstudio ihres Vertrauens ist – es gibt also auch heiße Tipps! So viel kann ich vorwegnehmen: Es lohnt sich, das Interview zu lesen und mehr von Yasmine zu erfahren! Aber überzeugt euch selbst:

Foto: Léon Haffmans

Liebe Yasmine, ich freue mich so auf unser Gespräch und erlebe hier gerade einen richtigen Fangirl-Moment! Also lass uns direkt mit meiner Lieblingsfrage starten: Was ist dein erster Berufswunsch, an den du dich erinnern kannst?

Ich glaube Kinderärztin. Kinder fand ich schon immer toll - deswegen war Kinderärztin in der Tat mein erster Berufswunsch.

Aber dann hast du erstmal mit deinem Modeblog begonnen und damit die ersten Karriereschritte hin zum Journalismus gemacht.

Einen Modeblog hatte ich nie. Wobei ich mir durchaus Modejournalismus hätte vorstellen können. Aber ich habe damals eigentlich nur Outfit-Fotos auf Instagram gepostet. Das war 2015. Dann kam diese ganze Body-Positivity-Sache, die der Sache Schwung gegeben hat. Ich habe das Internet und mich relativ schnell nicht ernst genommen. Im Prinzip habe ich also mit artsy Instagram-Bildern und Tumblr gestartet. Das habe ich aber nie beruflich gesehen. Es war einfach ein Teil von mir.

Du hast das also ausschließlich als Hobby gesehen?

Ja, ich hätte nie gedacht, dass ich es in den Modejournalismus „schaffe“, so wie man sich das mit 16 Jahren erträumt. Ich habe nur das aufgesaugt, was im Internet so da war.

Du hast also damit begonnen, einfach alles zu posten, ohne dir Gedanken dazu zu machen. So sieht dein Instagram-Profil aber bei Weitem nicht mehr aus. Ganz im Gegenteil, der Feed ist richtig kuratiert. Hast du dafür ein Konzept?

Wenn man meine Camera Roll durchgeht, findet man viele Bilder, die einfach ein Farbschema haben. Aber aus Versehen. Ich lebe manchmal in meiner beigen schwarz-weiß-Welt mit Kaffeecups und Buchbildern. Es ist wirklich so. Daher komme ich auch gar nicht auf die Idee, etwas anderes zu posten. Da steckt kein tolles Konzept hinter. Aber ich bin ja auch keine Influencerin, das will ich gar nicht. Das ist ein ganz schlimmes Wort, finde ich, recht inflationär. Es gibt ja wirkliche Influencer.

Das verrät bereits deine Instagram Bio: „Keine Influencerin. Gibt andere Gründe für schöne Bilder“. Wieso wehrst du dich gegen diesen Begriff?

Ich glaube, die Frage, ob ich eine Influencerin bin, beschäftigt vor allem die jungen Leute. Ich will die Influencertätigkeit auch gar nicht kleinreden. Das sind Leute, die machen das beruflich und professionell. Die verdienen damit ihr Geld, die sind gut darin. Aber ich finde unsere Sicht darauf, wie das Internet funktioniert, ganz toxisch. Das merke ich auch immer, wenn Leute schreiben, ich sei Bloggerin. Dem ist nicht so. Ich bin auf einer Journalistenschule. Ich mache Journalismus und ja, nebenbei ballere ich auch mein Instagram voll. Da muss man einfach ein bisschen lockerer werden, weil dieses Wording für uns irgendwie cool klingt. Influencer ist kein schlechter Begriff, aber hat halt in der Medienwelt ein ganz anderes Echo als z.B. in der Lifestyle-Bubble.

Fühlst du dich durch den Begriff „Influencer“ in deiner Arbeit degradiert?

Also mein Geld verdiene ich mit Politikjournalismus über Parteien wie die CSU oder FDP.  Weißt du, da ist es schon eine Diskrepanz, wenn jemand schreibt „Sie ist Bloggerin und schreibt für Zeit Online“. Das ist, rein sachlich gesehen, halt falsch und sorgt für Assoziationen, die fehlleitend sind. Ich beobachte das mit Spannung, denn ich persönlich würde niemals Influencer entwerten. Ob man das jetzt unterstützt oder nicht. Es ist ein Teufelskreis.

„ „Mein Profil ist ja im Gesamten meine Identität und ich finde das einfach super satisfying, wenn man da seinen Ästhetik-Fetisch ausleben kann, da bin ich ehrlich.“ “

Aber ganz losgelöst davon bleibt einfach der Fakt, dass ich die Ästhetik deines Accounts liebe!

Danke! Mein Profil ist ja im Gesamten meine Identität und ich finde das einfach super satisfying, wenn man da seinen Ästhetik-Fetisch ausleben kann, da bin ich ehrlich. Das ist der einzige Grund, warum das so ästhetisch ist.

Du hast eben gesagt, dass Politik auch ein Lifestyle sei. Passend dazu fällt mir ein Tweet von dir ein. Du hast geschrieben: „Nicht mein Problem, wenn ihr die Politik nicht auch als Pop- und Kulturgut sehen könnt“.

Politik hat auch super viel mit Popkultur und Hypen zu tun. Aufmerksamkeitsökonomie. Ob das Memes sind oder Ästhetik. Fragen wie: Wie sehen die Leute aus? Was hören die? Was verbindet? Ein Tweet von Lars Klingbeil, der sagt, dass er die Bee Gees hört, geht schneller viral, als wenn da steht, wie man den Kohleausstieg vollzieht. Man braucht eine gewisse Leichtigkeit, um das alles miteinander zu verbinden. Aber wenn man es schafft, ist es ein tolles Mittel der politischen Kommunikation. Kunst, Musik, aber auch die politische Ästhetik! Denn es hat ja immer viel mit Machtfiguren zu tun. Wir sind eben alle sozialisiert, mit einem gewissen Schönheitsideal, das auch in der Politik stattfindet. Das vergessen viele auf Twitter. Da geht es sehr radikal zu: Entweder Politik oder Lifestyle. Aber ich glaube, wir brauchen noch mehr von der Verbindung. Hier könnte man jetzt ein Söder-Meme einfügen.

„ „Ich habe lediglich zwei, drei feste Rituale, aber ansonsten bin ich ein sehr unstrukturierter Mensch.“ “

Und damit besetzt du ja noch ziemlich eine Nische. Würdest du das als dein Alleinstellungsmerkmal sehen?

Ich bin nicht irgendwo hingegangen und hab gesagt: „Oh, mein Gott, die politische Ästhetik, an ihr mangelt es!“ Im Gegenteil. Ich glaube, dass es gerade jungen Journalisten leichter fällt, diese Welt im Internet zu besprechen und ihre eigenen Leidenschaften mit der Arbeit zu verbinden. Ich poste auch mal ein Kaffee-Bild oder zeige, was ich gerade lese oder welche Musik ich gut finde... und in meinem nächsten Post geht es dann um die Union, weil das halt mein Beruf - und ebenfalls Leidenschaft ist. Und ich glaube, konservative Themen besprechen auch nicht viele.

Aus Versehen ästhetisch! Das gefällt mir. Yasmine, wie kann ich mir deinen Alltag vorstellen?

Ich habe lediglich zwei, drei feste Rituale, aber ansonsten bin ich ein sehr unstrukturierter Mensch. Ich gehe jeden Tag duschen, dann kurz raus, um frische Luft zu schnappen. Danach fange ich mit kleinen Aufgaben an, um mich reinzuarbeiten. Durch Corona ist man ja auch mit der Redaktion im Homeoffice. Im Prinzip gibt es zwei Phasen: Entweder bin ich die ganze Zeit zu Hause am Schreibtisch, oder ich bin total viel unterwegs, habe gefühlt 20 Sachen auf einmal und fahre dauernd ICE. Dann gibt es Phasen, in denen ich sehr viel pendele – zwischen meinen zwei Wohnorten. Das heißt, es ist immer Unruhe. Ist vielleicht nicht gesund auf Dauer, aber gerade fühlt es sich richtig an. Meine jugendliche Flexibilität ist dafür noch präsent genug - das soll kein Altersshaming sein.

Foto von von Léon Haffmans

Wenn ich an Politikjournalismus denke, dann denke ich sofort an „House of Cards“. Aber wie viel ist da dran? Wie realistisch findest du solche Serien? Hast du auch die Handynummern von irgendwelchen Politiker*innen auf deinem privaten Handy, bzw. sie deine, sodass du jetzt einfach Informationen zugespielt bekommen könntest?

Ich sag mal so: Die Kunst ist es, genug von innen wissen, ohne sich instrumentalisieren zu lassen. So funktioniert das. Das heißt, man ist natürlich in Hintergrundgesprächen. Man begleitet Politiker*innen. Man geht auf Pressekonferenzen. Man ist online bei irgendwelchen Debatten dabei, schreibt Stücke und recherchiert. Man ist auch in Kontakt mit Politiker*innen. Aber ich würde niemals so weit gehen zu sagen, deutsche Politik sei wie „House of Cards“. Stell dir das doch mal vor: Wir ersetzen die Schauspieler*innen mit Wolfgang Schäuble oder Olaf Scholz.

Also gleicht unsere Politik keinem Krimi?

Wo Macht ist, gibt es auch immer mehr Menschen, die sie missbrauchen können. Das sieht man dann, wenn Skandale passieren oder Steuergelder verschwendet werden. Aber auch Medien selbst passieren solche Sachen. Ich glaube, dass Politik wie im echten Leben ist. Es gibt immer Fehler, es gibt immer Machtmissbrauch. Aber es gibt auch tolle Momente und Leute, die sehr engagiert arbeiten. Aussagen wie „die Politik sei ein Gerüst aus Korruption, alle seien selbstsüchtig und nichts würde funktionieren“ sind zumindest in Deutschland sehr privilegierte Aussagen. Ich finde, dass wir ein sehr gutes, demokratisch funktionierendes System haben. Mit guten Journalist*innen aus verschiedenen Ecken, die ein sehr gutes Kontrollsystem darstellen. Dass es auch da immer mal Fehler gibt, ist einfach menschlich. Und die Verantwortung für Fehler zu tragen, ebenfalls.

„ „Die Generation Z ist quasi dazu gezwungen, sich mehr mit den politischen Umständen zu befassen, weil sie gerade aktiv davon bedroht sind.“ “

Apropos Fehler: Im Wahlkampf hast du regelmäßig den medialen Umgang mit der GenZ kritisiert. Wieso?

Ich bin kein Fan von jungen Formaten. Wir haben oft das Problem, dass gerade politische Formate bei jungen Leuten von einer gewissen Naivität sowie von einer vorhandenen Politisierung ausgehen. Das ist falsch. Das haben wir z.B. daran gesehen, wie hoch der Anteil von jungen Wähler*innen bei der FDP war.

Für junge Leute werden oft nur bestimmte Inhalte produziert. Da geht es oft ums Klima. Manchmal geht es um soziale Themen wie Hartz IV oder Wohnungen und um Bildung. Beim Rest exkludiert man junge Leute wieder. Dem liegt eine Generalisierung zugrunde, die auch in den Medien stattfindet. Das heißt, es gibt unglaublich wenige junge Leute, die in alten Themen mitmischen und andersrum.

Was macht die Generation Z in deinen Augen besonders?

Ich glaube, dass die Gen Z definitiv politisierter ist, als es die Millennials in dem Alter waren. Ganz einfach, weil sie aus gewissen Gründen dazu gezwungen werden. Ob das jetzt die Klimakrise ist oder auch die Pandemie. Sie sind quasi dazu gezwungen, sich mehr mit den politischen Umständen zu befassen, weil sie gerade aktiv davon bedroht sind. Dementsprechend ist man als Journalist*in auch dazu gezwungen, sich damit zu befassen, wie man diese Generation erreicht, weil diese Leute definitiv Informationszugang und Aufklärung zu diesen Themen brauchen. Die Bundestagswahl wurde ja im Vorfeld als Zukunftswahl bezeichnet. Ich finde das einen sehr problematischen Begriff, weil er so tut, als wäre man ab 40 Jahren tot. Auch selbst 60-jährige Personen können noch 40 Jahre leben. Die sind auch noch selbst von der Politik der Ferne betroffen. Man muss aufpassen, ob man das Thema Generationenkonflikt journalistisch so groß macht. Denn die Generation Z beginnt jetzt erst, medial diese ganzen Informationen zu sammeln und zieht daraus ihr Meinungsbild. Wenn man den Generationenkonflikt vorgibt, quasi alt gegen jung ausspielt, dann hat man halt irgendwann ein Problem. Sätze wie „die Alten machen nichts gegen die Klimakrise und ihr seid die letzte Hoffnung“, sollte man sich echt sparen.

Woher beschafft sich die junge Generation vor allem die Informationen?

Ich glaub, sie bedient sich aus allem. Durch die Tagesschau- oder Zeit-Kachel, ebenso wie durch IGTVs, TikTok oder YouTube. Es gibt wirklich wenige Leute zwischen 14 und 18 Jahren, die nicht einem seriösen Nachrichtenmedium auf Instagram oder Twitter folgen, bzw. auf TikTok regelmäßig politische Aufklärungsvideos reingespült bekommen. Der Markt ist eigentlich gerade groß genug für die Leute, die interessiert sind.

Aber was ist mit denen, die nicht interessiert sind?

Das ist das gleiche Problem, wie auch bei Älteren: Bildung und Privilegien spielen immer noch eine große Rolle dabei, wen wir erreichen und was wir für Themen ausspielen. Auch im Wahlkampf waren die Inhalte auf eine mehrheitlich weiße und akademische Schicht von Menschen zugeschnitten. Für Menschen, die die Kapazitäten haben, weil sie reiche Eltern oder den akademischen Background haben, sich mit solchen Themen wie dem Klima zu befassen. Ich habe jetzt nicht groß gesehen, dass das Thema Chancengerechtigkeit im Schulsystem oder Auszubildende auf dem Land bespielt wurden.

Was für Möglichkeiten siehst du da?

In Deutschland sind auf jeden Fall TikTok, IGTVs und Reels sehr ausbaufähig. Es fängt da gerade auch erst an und es ist ein Prozess. Unsere Redaktion ist dort ebenfalls sehr aktiv. Das ist natürlich oft ein jüngeres Publikum und macht die Inhalte noch diverser.

Ich glaube aber, gerade TikTok oder YouTube bedienen oft einzelne Sparten, das ist prinzipiell ausbaufähig.

An was für Themen denkst du da?

Ich finde, dass wir ein Überangebot haben an „grünen Themen“. Das ist jetzt gar nicht politisch gemeint, sondern ich glaube, dass die Aufklärung über die Klimakrise sehr gut abgedeckt ist. Das muss natürlich auch so sein und das ist gar kein Angriff. Aber oft ist das auch Feelgoodbesserwisserjournalismus, und blickt nicht über europäische Perspektiven hinaus. Man kann auch die Klimakrise aus der Sicht eines Konservativen abdecken. Oder die Wünsche dieser Person bedienen, mit Reportagen, Themen, Videos, Aufklärung et cetera.

Das heißt, es fehlen konservative Themen in den Medien?

Ja, allerdings explizit für die jungen Leute. Ich würde schon sagen, dass konservative Themen durchaus in der Medienlandschaft gut abgedeckt sind. Aber explizit für junge Menschen fehlt das. Es gibt in dieser Twitter-Blase immer große Diskussionen darüber, ob junge Formate zu links-grün sind. Diese Art von Polarisierung finde ich meist Ideologiebetrieben, das würde ich jetzt nicht so unterschreiben. Aber die Polarisierung ist schon so groß, dass man die nur durchbrechen kann, indem man noch mehr sachliche Formate schafft. Ich finde es auch sehr schwer, Themen wie gendersensible Sprache oder die Klimakrise ohne die eigene Politisierung abzudecken. Ich weiß, dass es schwer ist. Gerade für den Journalismus, der oft auch von Menschen konsumiert wird, die einen akademischen, europäischen Hintergrund haben. Dann ist das halt oft die Perspektive, die du hast. Du hast eben nicht oft die migrantische, alleinerziehende Mama, die einen Realschulabschluss hatte.

Aber wer hat dann verschlafen, die anderen Themen abzudecken? Liegt es bei den Parteien? Spielen die Grünen, die SPD und die Linken einfach besser mit den Themen? Vermitteln die ihre Themen schlicht besser an die Medien? Oder liegt das Problem bei den Medien, die einseitig berichten?

Ich glaube, man muss immer – und das ist die Aufgabe eine*r jeden Journalist*in – die Waage halten zwischen Meinungsjournalismus, Berichterstattung und Zuhören. Nehmen wir das Beispiel Klimakrise: Es gibt ja auch das Wort Klimaangst und Jugendliche, die in der Tat Klimaangst haben. Das Thema ist so einnehmend, dass man das priorisiert. Das ist auch völlig in Ordnung und nachvollziehbar. Aber weil diese Debatten immer so heiß im Internet geführt werden und man sich gegenseitig hochschaukelt, kommt man schnell in einen Modus von „falsch und richtig“. Es ist keine Frage, ob die Klimakrise existiert, sondern, wie man darüber berichtet. Es gibt dann sofort Schuldfragen: Sind die Alten schuld? Sind Konservative per se schuld daran, dass die Klimakrise so weit gekommen ist? Man hält sich sehr viel mit „Du“ und „Ich“ auf und nicht damit, wie man das im Kollektiv lösen könnte. Demokratie ist Demokratie, und es haben nicht 100 Prozent die Grünen gewählt. Es haben nicht 100 Prozent die FDP gewählt. Runtergebrochen: Du wirst das System jetzt gerade nicht ändern können. Du hast eine Verteilung von demokratischen Meinungen. Und damit muss man den besten Kompromiss aushandeln und sich nicht daran aufhalten, wer wie Schuld ist.

„ „Jeder politisiert sich. Selbst wenn du dich entpolitisiert, ist das eine Politisierung.“ “

Wie erreicht man genau dafür die Generation Z am besten?

Ich glaube, die Leute müssen das Internet anfangen zu verstehen, sich nicht zu ernst nehmen und nicht unauthentisch wirken. Als z.B. die Millennials 17 Jahre alt waren, war das ebenfalls der richtige Weg: auf Augenhöhe verständlich und greifbar zu sein und nicht dieses zwingende „Ich muss super cringe auf TikTok unterwegs sein und irgendwelche hippen Smileys benutzen...“ Das ist eine peinliche Plattmachung davon, was junge Leute sind und was sie bewegt. Das finde ich völlig unangebracht. Ich glaube, dass viele Politiker*innen gerade nicht interessiert, dass zwar ihr jetziges Klientel zum großen Teil ab 40 Jahren beginnt, sie aber auch noch in zehn Jahren gewählt werden wollen. Wenn man das verinnerlicht, dann schafft man es auch, einen anständigen Zugang zu jungen Menschen zu finden. Die Politisierung wird so oder so stattfinden.

Was genau meinst du mit Politisierung?

Jeder politisiert sich. Selbst wenn du dich entpolitisiert, ist das eine Politisierung. Selbst wenn du Nichtwähler*in wirst, dann hat die Politik subjektiv für dich irgendetwas falsch gemacht, sodass du dich davon distanziert hast. Du wirst Kernthemen mit der Politik in deinem Leben haben, die dich entweder links oder rechts oder in der Mitte platzieren oder dich entpolitisieren. Das passiert jedem von uns.

Liebe Yasmin, wir kommen schon ans Ende von unserem so spannenden Gespräch. Aber eine Frage muss ich noch stellen: Wo lässt du dir deine Nägel machen?

Im Leyla Style Nagelstudio, auf der Karl-Marx-Allee in Berlin-Neukölln.

Okay, sehr gut. Also habe ich für alle Beige-Leser*innen noch einen richtig guten Tipp! Deine Nägel sind nämlich immer sooo cool! Denkst du dir die Muster selber aus? Zum Beispiel dieses Kuhmuster? Oder gibt es die Vorschläge vor Ort?

Ich habe ganz viel ausprobiert, weil ich Nageldesign in Deutschland schwierig finde. Ganz schlimm. Ich habe bei Pinterest so riesige Ordner mit irgendwelchen Dingen, die mir gefallen. Jetzt gehe ich da immer mit meinem Pinterest-Ordner hin und frage sie, ob das machbar ist. Und sie sagt jedes Mal „ja natürlich“ und macht das sehr professionell, sehr schnell.

Dann weiß ich ja, wo ich bei meinem nächsten Berlin-Besuch vorbeigehen werde! Ganz lieben Dank für das tolle Interview. Ich könnte wirklich noch Stunden mit dir reden!

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