Corona, Pride Month, Black Lives Matter

Corona, Pride Month, Black Lives Matter

Wie die queere Community und People of Colour den Juni 2020 erleben

Felix hört zu, während 8 seiner Freund*innen berichten, wie sie Pride, queeres Leben in Corona-Zeiten und BLM erleben

Noch nie in meinem 29-jährigen Leben ist der Juni so politisch aufgeladen gewesen. Und das ist gut so! Nicht nur Corona hat unsere Gesellschaft jüngst nachhaltig verändert. Der alljährliche Pride Month Juni und die damitn einhergehenden Paraden in verschiedenen deutschen Städten sorgen seit Jahrzehnten dafür, dass für die Rechte von LGBTQ+-Personen eingetreten und demonstriert wird. 

Noch viel länger dauert bereits der Kampf gegen den Rassismus an, der sich nach wie vor durch alle Teile unserer Gesellschaft und der Welt zieht. Die Black Lives Matter Bewegung hat in den letzten Monaten unglaublich an Kraft gewonnen, nahezu täglich sind ihre Teilerfolge in den Medien und live zu beobachten: indem den Kolonialismus verherrlichende Statuen abgebaut werden, Politiker*innen sich zu dem Thema äußern (und Gehör finden!) oder Demonstrationen in den Großstädten die Dringlichkeit dieser Thematik unterstreichen. 

Doch während BLM-Veranstaltungen vor und nach dem Corona-Lockdown distanziert stattfinden können, musste eine der größten Kundgebungen des Sommers, der Christopher Street Day in Berlin, abgesagt werden. Und jetzt? Ich finde, die gewonnene Zeit sollte darin investiert werden, über den Rassismus innerhalb der LGBTQ+ Community zu sprechen. Rassismus in der Queer Community!? Ja, den gibt es. 

Auch die Personen, die jedes Jahr auf die Straße gehen, um für ihre Rechte einzustehen, nehmen die Rechte anderer teilweise nicht so ernst. Eine sehr weiße, cis-männliche, schwule Elite bestimmt mittlerweile das Bild der Community und zeigt sich auf Dating-Apps, Social Media oder auf derselben Straße von einer sehr hässlichen und offen rassistischen Seite. 

Das muss sich ändern. Und anstatt als eben solcher weißer, cis-männlicher Schwuler die Welt zu erklären, lasse ich an dieser Stelle lieber die Personen zu Wort kommen, die die Probleme in der LGBTQ+ Community besser kennen und zu spüren bekommen. Acht meiner queeren Freund*innen berichten, was sie zu Pride, queerem Leben in Corona-Zeiten und BLM denken. 

Listen, learn and talk about it.

Noah, 30

Feierst du Pride?

Generell feiere ich keine Prides. Ich glaube aber, dass der Pride dieses Jahr unter einem besonderen Zeichen steht, indem Race, sexuelle Orientierung und Gender auf neue Art und Weise miteinander verknüpft werden.

Ich würde mir wünschen, dass es in Berlin mehr Pride-Events von und für queere People of Color gäbe. In London ist das anders, da gibt es jedes Jahr zum Beispiel ein riesiges Picknick für queere POCs im Hyde Park und auch einen kompletten POC Pride, den UK Black Pride. Diese Veranstaltungen sind für all diejenigen, die den ursprünglichen Pride zu wirtschaftlich orientiert sehen und als triggering empfinden.

Queer in Quarantäne?

In der Anfangszeit von Corona waren für mich die verschiedenen Online-Events eine gute Möglichkeit, um mich mit queeren Leuten aus der ganzen Welt zu vernetzen. Es gab ja Webinare, Panel Talks, Partys und mehr. Diese Online-Formate haben aus meiner Sicht durch Corona an Bedeutung gewonnen und ich hoffe, dass diese internationalen Perspektiven auf Themen wie Pride oder BLM auch weiterhin erhalten bleiben.

Rassismus in unserer Community?

Ich glaube, dass Rassismus in jeder Community (strukturell) sehr präsent ist, besonders in Form von Alltagsrassismus. Aber in der Gay Community ist das Thema ganz besonders verwoben mit der Fetischisierung von PoC-Körpern. Auf Dating-Apps aber auch im analogen Leben. Durch Bewegungen wie Black Lives Matter hoffe ich, dass ein größeres Bewusstsein entsteht und Diskriminierung aktiv angegangen wird.

Ich wurde schon manchmal begehrt aufgrund meiner Blackness. Weil gewisse Leute Stereotype und Wesensmerkmale von Schwarzen Menschen im Kopf haben und das dann auf mich übertragen. Und in der Regel sind sich die Leute, die sowas machen, dessen überhaupt nicht bewusst. Was es aber nicht weniger unangenehm macht.

Sollte die Regenbogenflagge um einen braunen und schwarzen Streifen erweitert werden?

Das Redesign der Rainbow Flag mit den zusätzlichen Streifen in finde ich eine schöne Möglichkeit, die queere und PoC-Community näher zusammenzubringen und sichtbarer zu machen. Auch in der LGBTQ+ Community gibt es Rassismus und die neue Regenbogenflagge würde eben immer wieder auf diesen Missstand aufmerksam machen.

Was möchtest du den Leuten mitgeben?

Educate yourself. Support queer and Black lives. Und werdet euch eurer Rolle als Ally (Verbündete*r) bewusst.

Kiyan, 28

Wie feierst du Pride?

Ich feiere Pride jedes Jahr, allerdings beschränkt es sich immer auf die große CSD-Parade Ende Juli. Es ist keine einmonatige Dauerfeier. Ich finde tatsächlich auch das Wort ‚feiern‘ an der Stelle etwas schwierig, denn eigentlich sollte man ja nicht feiern, sondern demonstrieren. Corona bedeutet für mich dieses Jahr, dass es schlicht keinen Pride gibt.

Rassismus in unserer Community?

Es gibt Rassismus in der LGBTQ+ Community. Und ich sehe ihn auch. Allerdings nur bei anderen. Ich habe das Glück, dass er mir bisher nicht widerfahren ist. Ich habe auch außerhalb der Community nie Probleme mit Rassismus gehabt. Meine Diskriminierungserfahrungen, die ich an einer Hand abzählen kann, sind alle auf mein Schwulsein und nicht meinen ausländischen Hintergrund bezogen gewesen. Ich frage mich allerdings manchmal, ob ich mich nicht schon seit dem Kindheitsalter den weißen Deutschen unterbewusst angebiedert habe, indem ich selbst möglich deutsch und weiß war. Das sind Gedanken, die mir in letzter Zeit erst gekommen sind und ich mich frage, ob ich auf diese Weise akzeptiert werden wollte oder ob meine Großeltern mich dahingehend erzogen haben, dass ich nicht das „Ausländerkind“ werde und in Schwierigkeiten gerate. Aber ich weiß es nicht genau.

Der Raum, in dem ich Rassismus am meisten mitbekomme, ist das Online-Dating. Bei GayRomeo kann man z.B. nach Hautfarbe filtern, sodass einem*einer nicht-weiße Leute gar nicht erst angezeigt werden.

Was hältst du von der neuen Regenbogenflagge?

Die Regenbogenflagge ist seit dem Original in den 70er-Jahren immer wieder abgeändert worden. Das ursprüngliche Design ist schon lange nicht mehr aktuell. Auch das ‚LGBT‘ hat sich seitdem geändert, es kamen weitere Buchstaben hinzu. Und das zeigt doch, dass immer mehr Leute ihren Platz und ihre Sichtbarkeit einfordern. Und ich finde es furchtbar, wenn ich in Kommentarspalten zum Thema ‚LGBTQIA+‘ Sachen lese wie ‚We’re not a club!‘ Wenn also Homosexuelle wieder andere Minderheiten ausgrenzen wollen und auf Konservativ machen. ‚So sind die Dinge und so soll es immer sein‘ ist ja eine Einstellung, die wir als sexuelle Minderheit immer bekämpft haben. Deshalb ist es geradezu zynisch, sich gegen den braunen und schwarzen Streifen auszusprechen.

Any last words?

Entspannt euch. Niemandem bricht ein Zacken aus der Krone, wenn andere Personen mehr als Menschen behandelt werden. Und alles wird gut.

Laura, 27

Was ist deine Beziehung zum Pride?

Ich war früher in Köln mit meiner Familie beim Pride. Ich erinnere mich an ein Bild, wo Puppies (Menschen mit Welpen-Fetisch) und tatsächliche Hunde sich angucken. Und daran, wie Kinder das gar nicht als problematisch oder seltsam wahrnehmen. Vorurteile sind nicht angeboren und deshalb nehmen Kinder die Dinge so hin, wie sie sind. Dass man die Andersartigkeit und Vielfalt von Leuten schon früh kennenlernen kann, ist einer der großen Vorteile von Prides, glaube ich.

Was sind deine Erfahrungen mit Rassismus?

Rassismus habe ich persönlich nie abbekommen, sondern eher Xenophobie. Ich wurde schon von Fremden beschimpft und angeschrien, als sie meinen argentinischen Akzent beim Spanisch sprechen erkannt haben.

Ich weiß, dass ich eine weiße und privilegierte Frau bin und möchte deshalb bei Projekten, die ich mache, lieber anderen Leuten die Bühne geben, sich zu zeigen und wertgeschätzt zu werden.

Welchen Wandel braucht es noch in der Welt?

Bei all den Movements wie Pride, #metoo oder Black Lives Matter fehlen mir Menschen mit Behinderung. Ich habe das Gefühl, dass das eine Gruppe ist, die nach wie vor sehr ausgegrenzt zum Rest der Gesellschaft existiert und das sollte sich ändern. Daher würde ich mir wünschen, dass auch diese Community mehr Rechte und Sichtbarkeit in der Zukunft bekommt.

Kevin, 31

Wie ist dein Verhältnis zum Pride?

Mit 16 war ich zum ersten Mal auf dem Pride in Köln. Später dann aber immer auf dem transgenialen CSD in Kreuzberg und nicht auf der großen Parade, wo die meisten hingehen. Wenn da ein Wagen von der CDU mitfahren darf, bin ich persönlich raus. Es zeigt, wie politisch leer die CSD-Parade meiner Meinung nach ist.

Wie ist das Queer Life während Corona?

Ich habe es in der Quarantäne ganz gut ausgehalten. Ich bin ohnehin eher introvertiert und konnte auch mit meinem Partner über die Zeit sehr gut bonden.

Natürlich fehlen die Orte der Community in dieser Corona-Zeit, sie sind auch wichtig für unser Selbstverständnis. Allerdings sind die Orte und Events immer ans Nachtleben geknüpft, an Alkohol und an Drogen. Deshalb fände ich es gut, wenn wir gemeinsam herausfinden könnten, wie wir als Community anders zusammen finden können.

Dazu kommt, dass wir Leute in unserer Community haben, die eigentlich keine Räume zur Verfügung haben. Personen, die nicht cis sind, haben zum Beispiel fast keine Bars, Cafés o. ä., die auf sie ausgelegt sind. Eine non-binary Bar gibt es meines Wissens nach nicht in Berlin. Und wie offen sind die schwulen Bars hier eigentlich wirklich?

Was muss getan werden, um Rassismus etwas entgegenzusetzen?

Wir müssen mehr mit Leuten sprechen, die von Rassismus betroffen sind. Wir müssen uns weiterbilden und z. B. Bücher von den vielen Autor*innen of Color lesen, die es gibt. Und wir müssen lernen, unsere Privilegien zu teilen bzw. anderen dadurch zu helfen.

Any last words?

Don’t be nice to your 3 black friends, be loud to your 300 ignorant white friends! Intersektionales Denken ist ganz wichtig. Und das kann man nur zeigen, indem man die Diversität aufzeigt, die es in der Community gibt.

Daniel, 31

Wie feierst du Pride?

Ich bin jedes Jahr mit einer Gruppe bei der großen CSD-Parade dabei und immer aufgedonnert. Dieses Jahr wird es natürlich ein bisschen traurig und es wird mir auf jeden Fall fehlen.

Was machst du stattdessen?

Da dieses Jahr viele Events, Treffpunkte und Feiern wegfallen, donnere ich mich auch mal für den Edeka auf. Schminken, was Schickes tragen und Heels anziehen, da habe ich kein Problem mit. Irgendwo muss und will ich das nach außen tragen.

Es gibt auch verschiedene Online-Angebote […]. Ich treffe mich dafür mit meinen Freund*innen aus der Ballroom Community zum Voguing im Park. Ich bin froh, dass es außerdem auf Netflix Sachen wie „Rupaul’s Drag Race“ gibt, die man sich in der Isolation angucken kann.

In welchen Locations in Berlin fühlst du dich am wohlsten?

Meine zwei Lieblings-Locations sind das Monster Ronson’s an der Warschauer Straße und der Tipsy Bear in Prenzl Berg. Beide Bars sind sehr queer und komplett box- und rasterfrei. Alle können dort so sein, wie sie sind. Trotzdem muss man ehrlicherweise sagen, dass beides eher White-People-Spots sind.

Rassismus in der Community – Was sind deine Erfahrungen damit?

Ich bin lange Zeit ziemlich blind gewesen, was Rassismus in der Queer Community angeht. Und das, obwohl ich immer People of Color in meinem Freund*innenkreis hatte. Über die letzten Jahre hat sich das aber geändert und ich nehme dieses Thema viel deutlicher wahr. Ich schäme mich auch dafür, dass ich damals einem Freund nicht geglaubt habe, als er in einem Club rassistisch behandelt wurde. Alles, was man jetzt tun kann, ist, es besser zu machen.

Auch auf vielen Dating-Apps bekommt man den Rassismus mit, wenn Leute Sachen ins Profil schreiben wie ‘No Asians, no Fems, no Blacks’ etc. Solche rassistischen Äußerungen kommen da leider immer noch oft vor.

Rainbow Flag um zwei Farben ergänzen – deine Meinung?

Wenn sich Menschen durch die zusätzlichen zwei Farben in der Flagge besser berücksichtigt fühlen, sollten wir das auf jeden Fall machen.

Ich wünsche mir, dass andere Leute, so wie ich, aufwachen und verstehen, was in der Welt so abgeht. Phrasen wie ‘Alle Menschen sind doch gleich’ sollten wir vergessen. Wir sagen ja auch nicht ‘Alle Menschen sind gleich – es gibt arme und reiche Menschen, aber wir sind alle gleich’, denn das stimmt so schlichtweg nicht. Es gibt Unterschiede, die die unterschiedlichen Leben von Menschen zeichnen, das gilt für People of Color, das gilt für queer People und das gilt auch für Frauen* und weitere Gruppen. Wir müssen diese Unterschiede aufzeigen, bis diese geglättet sind.

Zoe, 29

Pride 2020?

Ich finde, dass man dieses Jahr wegen Corona auf so eine Riesenveranstaltung wie den CSD verzichten sollte, um das Ansteckungsrisiko zu vermeiden. Für Black Lives Matter sehe ich das anders: Da kann der Mindestabstand besser eingehalten werden, da diese Demos auch wie Demos stattfinden und nicht gleichzeitig als Party fungieren.

Online-Dating in der Corona-Zeit?

In der Quarantäne-Zeit habe ich komplett aufs Dating verzichtet und mich auch online nicht mit Leuten getroffen. Ich habe mich stattdessen mit meinen Freund*innen über FaceTime verabredet, um das Fehlen der sozialen Kontakte und Orte auszugleichen. Dazu kommt, dass ich als bisexuelle Frau die Erfahrung mache, dass ich beim Online-Dating von Hetero-Paaren als Dreier-Kandidatin gesehen und angefragt werde. Dadurch fühle ich mich übersexualisiert und stereotypisiert.

Rassismus ist alles andere als logisch. Du bist eine weiße Frau, hast du trotzdem Rassismus-Erfahrungen gemacht?

Beim Dating in Berlin hatte ich da bei Männern und Frauen ganz unterschiedliche Erlebnisse. Von Frauen habe ich nie rassistische Kommentare oder Fragen abbekommen. Die Männer haben sich da anders verhalten und sehr oft danach gefragt, ‘Wo ich denn wirklich herkomme’ oder ‘Warum meine Haare und Augen so dunkel seien’. Mein Aussehen wird oft auf einen Migrationshintergrund zurückgeführt und ich werde daraufhin objektifiziert.

Wie ist es bei PoC-Freund*innen von dir?

Lesbische und schwule Freund*innen erzählen mir oft davon, dass sie zu hören bekommen, dass das Gegenüber ‘not into asians’ ist oder ähnliches. Das tut ihnen natürlich weh und mir tut es leid, dass ich in dem Moment nichts mehr dagegen tun kann.

Sollte unsere Flagge um Braun und Schwarz erweitert werden?

Die Regenbogenflagge sollte auf jeden Fall in Richtung Anti-Rassismus erweitert werden, denn so schafft sie auch für dieses Thema ein größeres Bewusstsein. Die Flagge steht ja ohnehin für Diversity und dazu gehören natürlich auch People of Color, die teil dieser Community sind.

Was muss sich in der Welt ändern? 

Check your privileges. Macht euch die unterbewussten Strukturen und Vorteile bewusst, von denen ihr profitiert. Und wenn ihr mitbekommt, dass People of Color oder Leute aus der LGBTQ+ Community subtil oder ganz direkt angegriffen werden, dann ergreift das Wort für sie und helft ihnen. Bei solchen Diskriminierungserfahrungen fühlt sich die betroffene Person ohnehin schon ausgegrenzt und es ist besonders wichtig, dass wir uns in solchen Momenten für unsere Mitmenschen einsetzen und nicht schweigen.

Chen, 27

Feierst du Pride?

Ich feiere Pride nicht wirklich. Denn ich habe das Gefühl, dass viele Menschen dorthin gehen, nur um die Atmosphäre zu konsumieren, und sie gehen nur, weil alle anderen auch gehen. Ich glaube, es ist dasselbe mit einigen Leuten bei den Black Lives Matter-Märschen, die eigentlich keine Ahnung haben, worum es bei der Veranstaltung geht.

Wie hältst du dein soziales Leben aufrecht?

Ich und meine Freund*innen gehen immer noch in ‚Bars’, indem wir den Park nutzen und dort unsere Drinks zu uns nehmen. Ich habe viel von diesen illegalen Raves in der Hasenheide gehört, was ich nicht ganz ablehne, aber ich möchte trotzdem verantwortungsbewusst sein und andere Menschen nicht in Gefahr bringen.

Hast du schon Rassismus in unserer Community erlebt?

Das ist eigentlich einer der Gründe, warum ich selten zu den Pride Paraden gehe: Beim LGBTQ+-Pride soll es um Vielfalt und Integration gehen. Aber bis zu einem gewissen Grad ist er zu einer schwulen, männlichen Überlegenheitsveranstaltung geworden. Ich erlebe ehrlich gesagt mehr Rassismus in der schwulen Gemeinschaft als in der Welt außerhalb. Und deshalb empfinde ich Pride als ein bisschen heuchlerisch.

Ich persönlich habe noch nie mutigen Rassismus auf der Straße erlebt. Aber einige meiner asiatischen Freunde schon. Vielleicht, weil ich nicht sehr ängstlich aussehe und sehr schnell gehe, oder vielleicht liegt es an meinem Resting Bitch Face.

Was stört dich an der momentanen Pride-Kultur?

Ganz gleich, ob es um Feminismus, LGBTQ+-Themen oder Black Lives Matter geht, sie kämpfen nicht nur für eine bestimmte Gruppe, sondern für die allgemeine Gleichberechtigung. Es geht nie nur um die Rechte schwuler Männer oder den Schutz von Frauen, es sollte immer um das Gesamtbild gehen.

Innerhalb der LGBTQ+-Gemeinschaft werden Transgender-Personen nicht so sehr gesehen wie andere Untergruppen. Und ich glaube, wir schenken Transmännern im Vergleich zu Transfrauen nicht so viel Aufmerksamkeit. Ich denke, auch das ist ein Problem.

Die ergänzte Regenbogenflagge – gute oder schlechte Idee?

Ich denke, es ist nicht wirklich notwendig, den braunen und schwarzen Streifen hinzuzufügen. Der Regenbogen als Symbol soll die Vielfalt repräsentieren, und wenn die Vielfalt innerhalb der Gemeinschaft keine Realität ist, muss in der Gemeinschaft und nicht an der Flagge selbst gearbeitet werden. Andernfalls werden wir am Ende eine ideale Palette haben, die die Realität nicht widerspiegelt.

Anonym, 30

Pride und du, ist das was?

Ich war letztes Jahr zum ersten Mal auf dem CSD in Berlin und habe es davor nie gefeiert. Ich fand es bei meinem Besuch sehr kommerziell ausgeschlachtet und von weißen Schwulen mittleren Alters dominiert. Viele große Unternehmen kaufen sich mittlerweile mit ihren Trucks in die Parade ein und verdrängen damit Wagen von politisch motivierten Organisationen, die es eigentlich mehr verdient haben, dort gesehen zu werden. Dementsprechend vermisse ich den CSD 2020 nicht wirklich.

Queer in Quarantäne, wie macht man das?

Die Orte des queeren Zusammenlebens fehlen mir natürlich schon. Stattdessen treffe ich mich mittlerweile wieder zu Hause mit meinen Freund*innen und wir versuchen, das Beste draus zu machen.

Rassismus in der Queer Community – Was sind deine Erfahrungen damit?

Der schwule Mainstream ist extrem kategorisch und versucht, alles und jede*n einzuordnen. Das können sexuelle Vorlieben sein, Körperform, Behaarung, ethnische Merkmale, alles wird fetischisiert und in Schubladen gedacht. Und diese Kategorien gehen auch zu Rassismus über. Von außen würde man denken, dass wir innerhalb der Queer bzw. Gay Community mehr Akzeptanz untereinander hätten aber stattdessen behandeln wir uns gegenseitig viel zu ausgrenzend und sind sehr unsolidarisch miteinander.

Intersektionaler Regenbogen – Ja oder Nein?

Ich finde das ganz gut. Auch aus dem Grund, dass Schwule aus dem globalen Westen die gesamte LGBTQ+ Community sehr dominieren. Das sind oft die weißen schwulen Cis-Männer mittleren Alters, die eine sehr eingeschränkte Sichtweise auf queeres Leben haben. Häufig zählen und denken die z.B. Frauen* nicht mit, Inter- oder Trans-Personen nicht mit, gender-queere Personen nicht mit und auch People of Color oft ebenso wenig. Das heißt, dass die zwei zusätzlichen Streifen hier vielleicht etwas Positives bewirken können.

Any last words?

Ich glaube, dass wir es uns als Community ein ganzes Stück leichter machen könnten, indem wir selbst diese ganzen Kategorisierungen ablegen und entspannter und menschlicher miteinander umgehen.

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