Ja, ich bin schwanger. Nein, es ist kein Corona-Baby
Für Lisa beginnt 2021 ein neuer Lebensabschnitt und plötzlich ist alles anders und irgendwie auch nicht
Für Lisa beginnt 2021 ein neuer Lebensabschnitt und plötzlich ist alles anders und irgendwie auch nicht
Ich glaube, dass viele solcher Artikel mit den Worten „Zwei Striche“ anfangen. Weil das der Schwangerschaftstest zeigt, wenn man es denn ist, also schwanger. Ich erspare euch das, schließlich war das Überraschungsmoment im Urlaub in einem Prager Hotel im Sommer ganz auf meiner Seite. Was ich anschaute war vielmehr eine Bestätigung meiner Intuition. Überraschung ist dann fehl am Platz. Es war eher so ein „Na, also doch“-Moment.
Klingt jetzt alles etwas abgeklärt, aber missversteht das bitte nicht. Ich war unfassbar glücklich und auf eine Weise zufrieden. Zum einen, weil es eben gewollt war und zum anderen, weil ich die Signale, die mir mein Körper in der vorhergegangenen Woche während unsere Wanderurlaub in den Tiroler Bergen gesendet hat, richtig gedeutet hatte. Da war sie also, diese weibliche Intuition, von der immer alle reden. Wir gingen an dem Abend sehr gut essen und ich rief am darauffolgenden Tag direkt bei meiner Frauenärztin an, um einen Termin zu vereinbaren.
Ich fühlte mich wie eine Hochstaplerin ...
Zurück in Berlin kam mir das alles plötzlich vor, wie eine surreale Episode. Die zwei positiven Tests (ja, natürlich haben wir zwei gemacht), die wir mit Einsatz unserer Smartphones und Google-Übersetzer aus dem Tschechischen übersetzten und das Gefühl danach und jetzt. Das Leben war plötzlich auf den Kopf gestellt und mein (wackeliges) Fundament dafür waren zwei angepinkelte Plastik-Stäbchen aus einer Prager Apotheke. Denn meine Frauenärztin war passenderweise ebenfalls im Urlaub und ich musste noch zweieinhalb lange Wochen auf ihre Rückkehr warten. Also lief ich ab sofort mit dem Wissen herum, dass ich 2021 Mutter werde und fühlte mich mit jedem Tag, der verging, mehr und mehr wie eine Heuchlerin. Dem Alkohol hatte ich, meiner neu gefundenen Intuition sei dank, bereits im Wanderurlaub entsagt. Bei Treffen mit Freund*innen (die es im Sommer noch gab, erinnert ihr euch?) erfand ich seltsame Geschichten, weshalb ich nicht trank oder bestellte einfach eine Apfelsaftschorle, ohne weiter darauf einzugehen. Lief im Nachhinein so semi-erfolgreich, Lügen kann ich nämlich unfassbar schlecht.
Passenderweise fiel in diese Wartezeit auch mein Kirchenaustritt. Als ich beim Betreten des Amtsgerichts in Mitte den Herren von der Polizei auf ihre Frage, wohin ich denn wolle, antwortete: „Ich möchte aus der Kirche austreten und ich bin schwanger, darf ich durch diesen Körperscanner gehen?“, kam ich mir endgültig vor wie eine Betrügerin. Das war also dieses Impostor-Syndrom ...
Der erlösende Termin kam Ende August. Beim Ultraschall betete ich, dass da was war, halb sicher, halb in der Annahme, dass nun alles auffliegt. Ich starrte gebannt auf den Bildschirm, während Frau Doktor mit dem Ultraschall in mir herumfuhrwerkte. „Da hockt es ja in der Ecke.“ Die erlösenden Worte! Auf die Freude darüber, dass ich mich nicht getäuscht hatte, folgte: nüchterne Akzeptanz. Gut, dann ist das nun so. Mein Pragmatismus hindert mich regelmäßig an emotionalen Kapriolen, aber ich fahre damit seit 34 Jahren sehr gut. Da man bereits das Herz schlagen sah (ich war etwa in der 8. Woche), wurde mein Mutterpass in Auftrag gegeben und mit dem Ultraschallbild eines Gummibärchens in der Hand verließ ich zufrieden die Praxis und radelte, nunmehr offiziell schwanger, durch das sommerlich heiße Kreuzberg zurück nach Hause.
„ „Mein Körper hat sich an die Basics gehalten: riesige Brüste, endlose Müdigkeit und Verstopfungen.“ “
Heute, fast drei Monate später, teile ich dieses Geheimnis also endlich mit euch. An der Zeit, die bis dahin vergangen ist, möchte ich euch gerne teilhaben lassen. Ebenso an dem, was kommt. Aber ohne Mutti-Sentimentalität und Dutzidutzi-Sprache, keine Angst. An meinem Pragmatismus sind sogar die Schwangerschaftshormone abgeprallt. Von den den berühmten emotionalen Kapriolen blieb ich nämlich ebenso verschont, wie von Brechattacken oder seltsamen Gelüsten (von Fischstäbchen mal abgesehen). Nein, mein Körper hat sich an die Basics gehalten: riesige Brüste, endlose Müdigkeit und Verstopfungen.
Was natürlich nicht heißt, dass ich nicht heillos überfordert war. Davon und was passierte zwischen dem Tag des Gummibärchen-Bildes und jetzt, wie ich hier mit Bluetooth-Box auf dem Bauch sitze und unserem Mini-Us Mac deMarco vorspiele, während des abzappelt, erzähle ich in den kommenden Wochen. Eine Bitte vorab: Nennt es bitte nicht Corona-Baby – es ist nämlich viel mehr als das.
Was ihr übrigens hier nie sehen werdet: Ultraschallbilder, Aufnahmen aus der Praxis oder während der Termine mit der Hebamme. Das ist mit schlicht zu privat und ich denke, ihr versteht das.
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Fotos:Danke, Josi!