Stuhltanz bei Gucci und Valentino

Sabato de Sarno, Pierpaolo Piccioli, Alessandro Michele – Das große Hin- und Her der Luxusdesigner

Alessandro Michele ist neuer Kreativdirektor bei Valentino. Warum das nicht alle gut finden, erfahrt ihr jetzt!

Wäre diese News am 1. April gedroppt, ich hätte felsenfest gelaubt, dass es sich nur um einen Aprilscherz handeln kann. Und so ging es wohl vielen, denn als bekannt gegeben wurde, dass Pierpaolo Piccioli Valentino nach 25 Jahren verlässt, war der Schock groß. Nur wenige Tage später platzte dann die nächste Bombe: Alessandro Michele wird der neue Kreativdirektor von Valentino, ehemals verantwortlich für den Megaerfolg von Gucci. Und wem der Austausch von Personal zwischen Gucci und Valentino bekannt vorkommt, der hat recht: Erst vor einem Jahr hatte Picciolis rechte Hand, Sabato de Sarno, von Valentino zu Gucci gewechselt und ist dort jetzt der Nachfolger von Michele. Verwirrend? I know!

Und die Meinungen über dieses Hin- und Her der Designer bei den Luxuslabels sind auch nicht alle positiv ... Warum? Zum einen ist ein großer (und verdammt wichtiger) Kritikpunkt: Warum spielen nur weiße Männer in diesem Schachspiel mit? Denn momentan sind Frauen als Kreativdirektorinnen an der Spitze der Luxuslabels eine Rarität – und die Luxuslabels haben eine Verantwortung, was Diversität und Gleichberechtigung angeht, gerade, weil ein Großteil ihrer Zielgruppe eben auch Frauen sind. In Zahlen sieht das so aus? Von den 14 Brands, die bei LVMH Luxusmode machen, sind gerade einmal drei Frauen Chefdesignerinnen: Maria Grazia Chiuri bei Dior, Camille Miceli bei Pucci und Silvia Venturini bei Fendi Men. Wechseln wir mal die Brand-Eigentümer und schauen uns weiter um: Bei Jil Sander teilt sich Lucie Meier die Stelle mit ihrem Ehemann, bei Prada teilen Miuccia Prada und Raf Simons das Zepter. Dann wäre da noch Virginie Viard für Chanel, Chemena Kamali bei Chloé – und ja, Nadège Vanhee-Cybulski und Véronique Nichanian bei Hermès. Das war es dann aber auch ... Die Liste der männlichen (und weißen) Chefdesigner hingegen würde diesen Artikel in seiner Länge sprengen.

„ Sorry, why does everyone hate him? He made Gucci interesting for the first time since Tom Ford. Hope he does the same for Valentino. “

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Die andere große Kritik ist, dass Alessandro Michele sein Ding durchzieht, ähnlich wie es Hedi Slimane auch schon seit Jahrzehnten vorgeworfen wird – darüber hatten wir hier schon ausgiebig berichtet. Wird Valentino also ab sofort einfach eine Kopie vom Old Gucci? Werden wir Schlangen und Drachen auf Taschen sehen, wird Valentino wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren und Micheles übliche Seventies-Vibes versprühen? Michele versucht die Valentino-Fans schon einmal zu beruhigen: „Mein erster Gedanke gilt dieser Geschichte: dem Reichtum ihres kulturellen und symbolischen Erbes, dem Gefühl des Staunens, das sie immer wieder hervorrufen, der wertvollen Identität, die von den Gründervätern Valentino Garavani und Giancarlo Giammetti mit viel Liebe geschaffen wurde. Diese Referenzen waren für mich immer eine wesentliche Inspirationsquelle, und ich werde diesen Einfluss durch meine eigene Interpretation und kreative Vision würdigen.“

Auf der anderen Seite birgt dieser Wechsel für Valentino auch große Chancen. Natürlich erhofft man sich von Michele absurde Umsatzsteigerungen, denn die hat er bei Gucci ja auch über den Zeitraum seines Schaffens verdreifacht, zum anderen muss Valentino wieder für eine junge Zielgruppe attraktiv gemacht werden. Denn seien wir mal ehrlich? Valentino ist für Gen Z gerade eines der uninteressantesten Brands auf dem Markt: viel zu klassisch, viel zu vorhersehbar, viel zu wenig Collabs, viel zu viele Abendkleider.

Ein weiterer spannender Punkt: Valentino ist ein Haute Couture Brand, das heißt, ab sofort wird Michele auch Haute Couture machen – und das könnte für ihn der Punkt gewesen sein, der ihn beim Wechsel gereizt hat – obwohl er jetzt nach einigen Reibereien bei Gucci ja wieder unter Kerings Vorherrschaft steht (Kering hatte große Aktienanteile von Valentino erworben, außerdem haben sie das Vorkaufsrecht, was die restlichen Aktienanteile angeht).

Was er neben der Haute Couture jetzt schaffen muss? Einen Bestseller – denn der fehlt Valentino seit seinen Rockstuds im Jahr 2011 (!). Her mit einer neuen It-Bag, die die Millionen oder besser Milliarden in die Kassen des italienischen Hauses schwemmt. Und dass er das schafft, das halte ich alles andere als für unmöglich, denn schon bei Gucci hat Michele bewiesen, dass er ein wahres Trüffelschwein ist, wenn es um das Wühlen in den Archiven geht – und die Neuinterpretation von verloren geglaubten Klassikern.

„ For an industry that makes so much money from decorating women's bodies, where are all the women designers? Am I trippin? “

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Zum Schluss jetzt nochmal ein paar Hard Facts für euch. Alessandro Michele fängt heute bei Valentino an (sein Arbeitsweg: lässige zehn Minuten zu Fuß in Rom), seine erste Kollektion wird im September auf der Pariser Fashion Week präsentiert – das wird wohl die gefragteste Einladung für den Fashion Month sein.

Was haltet ihr von dem Hin- und Her bei den Luxuslabels und Alessandro Micheles neuem Job?

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