
Lisas Bali-Kolumne Teil 3 – Lost in Routine
Lisa ist eingespannt in straffe Zeitpläne, lost in time and translation und musste bereits die erste Enttäuschung erleben
Stramme Routine, verlorenes Zeitgefühl, herbe Enttäuschungen – Lisa lernt auf Bali ihre Grenzen (und sich) neu kennen
Puh, Leute. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ist es wirklich schon wieder fast eine Woche her, dass ich mich von hier gemeldet habe? Die Zeitverschiebung fängt an, mir böse Streiche zu spielen und ich komme permanent mit Wochentagen und Uhrzeiten durcheinander. Das ist bemerkenswert, da ich zu Beginn absolut keine Probleme damit hatte (na gut, mein Biorhythmus sieht das etwas anders ... aber um den geht es hier ja nicht). Ich glaube, all das Wissen, das wir hier eingetrichtert bekommen, schiebt meinen gesunden Menschenverstand beiseite. Denn das mit der Uhrzeit und dem Datum ist das eine. Das Körperliche, die Emotionen, die Hitze, der immer gleiche Tagesablauf, das sind alles noch mal ganz andere Baustellen. Aber ich fange mal von vorne an aka beim Freitag ... oder war es der Donnerstag? Naja, nicht so wichtig.
Gestatten, mein Name ist Routine!

Unser Tagesablauf sieht an sechs von sieben Wochentagen immer exakt gleich aus. Aufgestanden wird spätestens um 5:45 Uhr, ich stehe meistens um fünf Uhr auf, um den Sonnenaufgang mitzunehmen. Der ist hier nämlich nicht nur unglaublich schön, sondern geht auch relativ fix über die Bühne und wird dank unserer Lage von mystischem Dschungelrattern begleitet. Um sechs widmen wir uns eine Stunde lang Pranayama, praktizieren also Atemübungen. Von denen sind einige sehr lustig, viele sehr schwer, alle super effektiv und einige absolut fantastisch. Im Anschluss heißt es Hatha Yoga und Teaching Methology. Intensive Yogapraxis und Erklärungen, wie eine Position, eine Asana, ausgeführt und wie sie korrigiert wird. Tja und erst dann heißt es um neun Uhr endlich: Frühstück!
Anschließend folgt eine meiner liebsten Stunden: Yogaphilosophie. Da die Schule, bei der ich meine Ausbildung mache, aus Indien stammt, ist dieses Fach für mich nicht nur sehr aufschlussreich, sondern die Lehren gehen über die reine Yogapraxis hinaus und geben einen Einblick in eine Lebens- und Sichtweise, die wir in unserer westlichen Perfomance-Gesellschaft nicht nur verloren haben, sondern größtenteils nie leben durften. Da kullert auch mal eine Träne und wir hängen jeden Tag wie hypnotisiert an den Lippen von Premji, unserem Lehrer (der, der nur fünf Stunden Schlaf braucht). Um zwei geht es nach dem Mittagessen schließlich weiter mit Anatomie, gefolgt von Teaching Methology und der krönende Abschluss sind eineinhalb Stunden Ashtanga Yoga bei Sanjeev, dem Gründer der Yogaschule. Wir nennen es liebevoll Bootcamp und ich möchte mich danach immer gern einfach vergraben. Meistens schaffe ich es aber natürlich zum Abendessen und die letzten Tage war ich nicht später als zehn im Bett. So geht Routine und ich muss gestehen: ich mags!
Denkt euch in die freien Zeiten bitte auch immer Beige hinein, lernen und mehrfach duschen oder in den Pool springen, denn: Es ist schweineheiß hier.
School of Life, die Bali-Edition



Anders als bei manchen Reality-TV-Shows ist hier von Lagerkoller bisher keine Spur, obwohl wir nur einmal in der Woche aus unserem Resort herauskommen. Jede*r hier ist aus gutem Grund und mit einer Art privater Mission hier, da ist keine Zeit für Stressmess untereinander. Der Koller findet zwischen den Ohren und unter dem Brustkorb statt und die einzige Person, mit der ich bisher hart ins Gericht gehen und einige ernste (und viele liebe) Worte reden musste, bin ich selbst. Körperlich und geistig an die eigenen Grenzen zu gehen, befreit nämlich auch andere Geister als die, denen man den Ausgang gerne gewährt. Mir wurden bisher mehr Antworten als neue Fragen geliefert, ich bin mir aber sicher, dass sich das noch ändern wird. Ob ich diese dann mit euch teile, entscheide ich je nach Midlife-Crisis-Grad.
Der Spiritualitätsfaktor hält sich hier übrigens in Grenzen, das war mir wichtig. Ich möchte Yoga lernen und natürlich alles, was dazugehört, aber nicht meine Chakren lösen oder Kristalle um mich scharen. Ich möchte nun niemandem auf die Füße treten, aber das ist nichts für mich. Ein wenig Omm Shanti und Mantra-Singen darf aber sein und ist auch unheimlich schön. No Regretti!
Was man mit strammer Routine und der Konzentration auf eine Sache allerdings verlernt, ist Gesellschaft. Alkohol oder Zigaretten sind hier absolut tabu. Das höchste der Gefühle ist für mich der Instant-Kaffee am Morgen. Außerdem sind außer uns fast nie andere Gäste im Resort, was gewollt ist. Dementsprechend stressig war für mich unser zweiter Ausflug vergangenen Sonntag. Denn es ging nach Ubud.
Ubud – Der Ort, der allen gefallen möchte





Ich war wirklich unheimlich gespannt auf Ubud, weil alle Welt so schwärmt von diesem magischen Ort. Für mich ist Ubud ehrlich gesagt so magisch wie mein linker Daumen. Die Straßen sind verstopft von Autos und Motorrollern und der Ort besteht aus gefühlt zwei Straßen, gesäumt von Geschäften, die alle das Gleiche verkaufen (Yogakleidung, Leinengewänder, Metallstrohhälme, Bambuszahnbürsten, „Handwerk“ und Korbtaschen). Und natürlich gibt es überall vegane und vegetarische Bowls und Avo-Brot. Die Menschen hier haben sich entweder mega gefunden oder halten sich an ihren gigantischen Bierflaschen fest und pflegen den Sonnenbrand auf ihren Schultern. Das klingt jetzt etwas harsch und das soll es auch.
Ich möchte nicht alles, was ich hier sehe, tot loben, damit die Welt und Instagram denken, dass ich gerade im Paradies bin. Auch im Paradies gibt es Schmuddelecken und Ubud ist zwar keine Schmuddelecke, aber es ist ein perfekt auf die Erwartungen und Wünsche der Pilgernden zurechtgestutzter Ort. Wer alles will, verliert sein wahres Ich und im Fall von Ubud ist das auf den ersten Blick mein Eindruck. Aber gut, ich habe noch etwas Zeit, die echte Seele von Ubud zu suchen, wenn ich hier fertig bin. Bis dahin: proof me wrong und teilt gerne eure Tipps und Lieblingsecken der Stadt mit mir, die kein Superfood beinhalten.
Wie es weitergeht? Keine Ahnung ...
Das Tempo zieht auf jeden Fall noch mehr an und ich fühle mich in meine Schulzeit zurückversetzt. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich damals nicht noch permanent sportliche Höchstleistungen zwischen jedem zweiten Fach vollbringen musste. Oh, und das alles natürlich auf noch auf Englisch. It‘s a lot! Ich bin also gespannt, ob ich kommende Woche mit dem Kopf auf die Tastatur knalle oder doch genug Kraft habe, euch zu berichten. Ich gehe von Letzterem aus und verspreche in meiner letzten Woche umso intensivere Eindrücke von Land und Leuten.
Hari Om Tat Sat!