USA-Reisetagebuch Teil VI: Las Vegas

USA-Reisetagebuch Teil VI: Las Vegas

Genug Natur! Es geht in die Stadt der Kasinos

Wir verlassen die Nationalparks und unterbrechen mit dem absoluten Gegenteil. Las Vegas ruft, Baby!

Nachdem wir zwei Wochen lang das Auto kaum verlassen hatten, Nationalparks erkundeten, in billigen Motels schliefen, uns nur noch von Fastfood ernährten und tagelang keine große Stadt zu Gesicht bekamen, war eines Abends Schluss mit der beschaulichen Ruhe. Im Dämmerlicht verließen wir den Zion Nationalpark, einen unserer absoluten Favoriten – alles darüber lest ihr hier. Nach drei Stunden Fahrt in absoluter Dunkelheit konnten wir es dann nicht übersehen: Las Vegas leuchtet schon von mehreren Kilometern Entfernung in der Wüste Nevadas hell auf.

Gefangen im Irrgarten der Spielautomaten

Tatsächlich ist die Stadt aber viel kleiner, als man denkt. Zumindest das touristische Zentrum, in dem sich gefühlt das ganze Leben in Las Vegas abspielt, der Strip, besteht aus einer einzigen Straße. Verlässt man diese und geht nur eine Querstraße weiter, dann steht man irgendwo im Nirgendwo. Keine leuchtenden Schilder mehr, keine Kasinos, keine angetrunkenen Touristen. Nun könnte man es unserem Nomaden-Leben der letzten Wochen zuschreiben, dass wir von Minute Eins an von der Stadt absolut überfordert waren, aber alleine die Suche nach dem Parkhaus vom Caesars Palace, unserem Hotel, hätte mich nicht mehr stressen können. Tausende Wege, überall Autos, alles blinkt, ist eng und verschachtelt und irgendwie doch extrem weitläufig.

Kein Wunder, denn die großen Kasino Hotels wie das Mirage, Caesars Palace, Hardrock Hotel, Treasure Island, Wynn und wie sie noch so alle heißen, sind im Grunde gar keine Hotels, sondern Städte. Von unserem Hotelzimmer bis zu unserem Auto im Parkhaus mussten wir locker 20 Minuten laufen – und das ist nicht die weiteste Strecke, die man innerhalb des gleichen Hotels zurücklegen kann. Das Ziel dieser riesigen Räume: Gäste sollen das Kasino auf keinen Fall verlassen. Und man hält sie mit eigenen Shoppingmalls, Food Courts, mehreren Kasinos und Automatenbereichen, Pools und Sportbars quasi gefangen. Es gibt tatsächlich nur sehr wenige Ausgänge und die sind auch noch schlecht ausgeschildert, die Gänge so verwirrend gestaltet, dass man sich gut und gerne mal verläuft und mit aufgemaltem Himmel an der Decke wird einem auch noch das Draußen-Gefühl künstlich vorgespielt.

Chaos der Gefühle

„ „Und nicht vergessen: Was in Vegas passiert, das bleibt auch in Vegas. Abgesehen von Herpes, den Scheiß hast du ewig!“ “

Filmzitat aus Hangover

Dabei überkommt mich leider nicht nur das Gefühl des Staunens und der Verwunderung, nein, Vegas macht mich vor allem eines: wütend! Es gibt keine Stadt, in denen Menschen mehr Würde aberkannt wird – besonders Frauen sind hier nur eines: Spielzeug. Während die männlichen Croupiers an den Spieltischen Hemd und Fliege tragen, müssen weibliche Croupiers in tief ausgeschnittenen Dessous und Miniröcken, die nicht einmal den Hintern bedecken, die Spieler bedienen. Es scheint die Regel zu gelten: je tiefer das Dekolleté und je kürzer der Rock, desto mehr Trinkgeld. Hohe Schuhe sind natürlich auch Voraussetzung, egal wie lange die Schichten im Kasino gehen. Überall in der Stadt, auf der Straße, posieren zudem Frauen in Samba Kostümen, meist nur mit Nippel Pasties bedeckt und in Tangas, um Fotos mit Touristen zu machen. Männer, die oben ohne wie die Chippendales posieren, gibt es zwar auch, sie sind aber definitiv in der Anzahl unterlegen. Im Hotelzimmer lese ich noch diesen Artikel von Amazed über politisch korrekte Halloween-Kostüme, schon laufen mir fünf Minuten später eine Horde Mädels im sexy Indianerkostüm vor die Nase. Dass Frauen das mit sich machen (lassen), macht mich sauer, wütend und traurig. Und lässt mich verstehen, dass wir nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit den USA noch sehr viel Nachhilfe geben müssen, sondern auch in Rollenbildern, Feminismus und Arbeitsrecht.

Sex, Drugs, Rock'n'Roll

Generell fühle ich mich in Las Vegas meiner Freiheit beraubt. Auf einmal beschränkt sich das ganze Leben auf eine Straße, die voll von Kasinos, Fastfood-Restaurants, Malls und Nachtclubs ist. Man wird in verschachtelten Bauten, die vollgestopft mit Spielautomaten sind, festgehalten und quasi an jeder Ecke zum Geld ausgeben gezwungen – in Las Vegas kann man wirklich nichts anderes machen als Party, Drogen, Spielen, Wetten, Sex haben – das vermitteln die ständig über die Straße fahrenden Bordellwerbungen und die zwei Kondome für 32 Dollar in der Minibar des Hotelzimmers – Einkaufen, Fastfood essen und Alkohol trinken gehört auch noch dazu.

Irgendwie hatte ich mir etwas mehr Elvis Presley, Frank Sinatra und Céline Dion Flair vorgestellt. Mehr Romantik bei den ganzen Wedding Chapels, die die Stadt zieren. Mehr Stil in Sachen Glücksspiel und mehr Charme in den Straßen – stattdessen sind wir am Ballermann von Amerika angekommen. Ich bin sauer und das 24 Stunden am Tag. Bis mein Freund und ich eines Abends beschließen, uns einen schönen Abend zu machen und nach einem stilvollen Restaurant suchen. Trotz all der Dinge, die uns wütend machen, nerven und überfordern.

Die Kehrtwende

Auf den ersten Blick scheint es schier eine unmögliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen, aber nach nur ein paar Minuten haben wir beide, unabhängig voneinander, das gleiche Restaurant ausgesucht – und so ist es beschlossene Sache: Wir gehen zu Mon Ami Gabi unter dem (Nachbau des) Pariser Eiffelturms. Und auf einmal ist Las Vegas gar nicht mehr so schlimm. Umgeben von Paaren sitzen wir auf einer kleinen Terrasse in der angenehm warmen Nacht, schauen auf das gegenüberliegende Bellagio und genießen die berühmten Fontänen mit dem Soundtrack „Singing in the Rain“. Dazu essen wir Artischocke, Entenbrust und Steak mit den köstlichsten Pommes, die wir in ganz Amerika verspeist haben – und das waren viele, glaubt mir – und trinken Erdbeer-Daiquiris. Das Leben könnte definitiv schlimmer sein.

Fun Fact: Für 250.000 Dollar kann man die Fontänen des Bellagios kontrollieren. Für einen Song. Gratis dazu gibt es die XL-Champagnerflasche von Jay Z im Wert von 130.000 Dollar. Echt jetzt? Ja! Denn so ticken die Leute in Las Vegas nun mal.

Nach dem Abend überlegen wir kurz, ob wir Las Vegas doch verlängern sollten und der Stadt noch einmal eine Chance geben sollen, entscheiden uns dann aber doch dagegen. Zu viele andere Sachen wollen noch erkundet werden und die Wut über das „Las Veganische“ Frauenbild will bei mir einfach nicht abklingen. Also schließen wir mit der Stadt bei einem erneuten Frühstück im Mon Ami Gabi Frieden. Las Vegas gesehen zu haben, gehört definitiv auf die Bucket List. Aber Wiederkommen muss man nicht  – zumindest bis Feministinnen die Stadt erobert und gehörig umgekrempelt haben.

Chaos der Gefühle? Gibt's auch in der Nevada Playlist:

  • Fotos :
    Beige

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