Die Beige Notes im Juni
Heute als Sudan-Ausgabe – weil eine kleine Randnotiz in den News dem Thema nicht gerecht wird
Weil ein kleiner News-Beitrag oder eine Randnotiz dem Thema manchmal nicht gerecht werden
Nein, ich habe nicht vergessen ein Titelbild hochzuladen. Was ihr oben seht, ist #BlueForSudan und ich möchte heute erklären, was es damit auf sich hat.
Krisen wie aktuell die im Sudan lassen mich immer etwas hilflos zurück. Ich tue mich schwer, mich zu äußern, weil ich immer denke, dass ich politisch nicht versiert genug bin, um einer Konversation, Diskussion oder Kritik standzuhalten. Gleichzeitig fühle ich mich schlecht, wenn ich auf Instagram meine Profilfarbe auf blau wechsle, nach Gerechtigkeit und Aufmerksamkeit der Weltbevölkerung rufe – nur um regelmäßig wieder zum Tagesgeschäft überzugehen. Was bei mir heißt: Gedanken, auch mal Looks und meinen Alltag zu teilen.
Was das Thema Sudan angeht weiß ich, dass jede Form von Aufmerksamkeit und jedes Teilen wichtig, richtig und notwendig ist. Daher habe ich mich dazu entschlossen, die Beige Notes in diesem Monat dem Sudan zu widmen.
Wir sind auf Beige nicht offensiv politisch, machen jedoch keinen Hehl aus unserer Einstellung bzw. unseren Ansichten. Da es beim Thema Sudan auch nicht um Politik, sondern Menschlichkeit geht, möchte ich alle unter euch, denen es ähnlich wie mir geht, versuchen aufzuklären und abzuholen. Der Sudan ist so unfassbar weit weg von unserer Realität und unserem Standort – für Beige Notes hole ich den zerrütteten Staat im Nord-Osten Afrikas auf unsere Bildschirme und freue mich natürlich über jede Ergänzung zum Thema in den Kommentaren.
Die bisherigen Geschehnisse im Sudan zusammengefasst:
Nach zahlreichen Protesten im Land, die Ende 2018 begannen, wurde der bisherige Diktator Umar Hasan Ahmad al-Baschir am 11. April 2019 abgesetzt und ein militärischer Übergangsrat übernahm die Kontrolle. Die über Wochen anhaltenden friedlichen Demonstrationen vor dem Verteidigungsministerium in Sudans Hauptstadt Khartum wurden dennoch fortgesetzt. Die Forderung: Ein Übergangsrat, in dem auch Zivilisten über die Zukunft des Sudans mitentscheiden könnten. Am 3. Juni 2019 wurde dieser Protest gewaltsam von der Armee geräumt, Demonstrant*innen wurden ermordet und vergewaltigt. Über 130 Menschen starben.
Angeführt wurde das Massaker vom General Mohammed Hamdan Daglu, genannt „Hemeti“. Viele fürchten nun, dass er die Macht im Sudan übernehmen wird.
Was ist eigentlich los und wie fing alles an? Deutsche Welle (deutsch)
Der deutsche Auslandssender Deutsche Welle hat die Ereignisse im Sudan bzw. in Khartum in Form einer Bilderreihe sehr übersichtlich und informativ zusammen gefasst und gibt einen guten, ersten Einblick in die Entwicklung der Krise. Hier könnt ihr die Chronologie lesen.
Selektive Empathie: Saint Hoax via Instagram (englisch)
Ja, auch wir haben auf unserem Instagram-Kanal und in den Beige News auf das Feuer in Notre Dame hingewiesen. Ich finde es auch nach wie vor nicht verwerflich, über die Zerstörung eines der großen kulturellen Erben der menschlichen Kultur traurig zu sein. Und ja, es ist natürlich immer leichter, ein offensichtliches Drama redaktionell zu verarbeiten als so eine vielschichtige Materie, wie die Krise im Sudan.
Gerade Social Media erlaubt es uns, schnell und per Knopfdruck eine Meinung zu teilen. Wer tiefer eintauchen möchte und kompliziertere Themen beleuchten und teilen will, muss in die Recherche gehen und Wege und Mittel finden, die Ergebnisse zu teilen. Ich mache es in Form dieser Beige Notes und möchte an dieser Stelle auch die viel geteilte Gegenüberstellung von Saint Hoax mit euch teilen.
Denn auch, wenn man immer schnell Whataboutism rufen kann: Es gibt Sachverhalte und Realitäten, denen man sich stellen muss. Und dazu gehört, dass unsere westliche Gesellschaft sich und seine „Schätze“ definitiv lieber beweint, als fremde Menschen im Sudan.
Die Rolle der VAE, Saudi-Arabiens, Ägyptens und Äthiopiens: Diverse Medien (englisch)
Die Nachbarländer betrachten die Lage und Entwicklungen im Sudan natürlich ganz genau. Während die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien die Angst vor einer „gelungenen Revolution“ umtreibt, wächst in Ägypten vor allem die Angst vor einem Erstarken der Muslimbruderschaft im Sudan. Die Proteste und der Tod (siehe Tagesschau) des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi, der der inzwischen wieder verbotenen Muslimbruderschaft angehörte, feuern die Angst des aktuellen (selbst hoch geputschten) Präsidenten Ägyptens Abdel Fattah al-Sisi, weiter an.
Der Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate Mohammed bin Zayad al-Nahyan und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman wurde nachgesagt, die Militärjunta von Hemeti zu unterstützen, um ein Übergreifen der Revolution auf ihre Länder zu vermeiden. Mehr hierzu könnt ihr bei The Guardian nachlesen.
Aktuell scheinen die Bemühungen der äthiopischen Gesandten erfolgreich gewesen zu sein. So vermeldete der Nachrichtensender Al Jazeera am Samstag, dass beide Seiten, Opposition und Regierung, einer Übergangsregierung zugestimmt haben, die aus acht Mitgliedern der Opposition und sieben Mitgliedern des Militärs bestehen soll.
Die allzu zurückhaltende Rolle Europas: Süddeutsche Zeitung (deutsch)
„Wir sind allein“ wird im Artikel der Süddeutschen Zeitung ein Aktivist aus dem Sudan zitiert. Und schaut man auf die Rolle der EU, kann man dem nur zustimmen. Die Demokratiefreundlichkeit und Menschlichkeit des Staatenbundes, den wir alle noch vor einem Monat gefeiert haben, scheint hinter den eigenen Grenzen nämlich aufzuhören.
Verurteilt wurde das Treiben des Militärs seitens der EU-Politiker*innen nämlich bisher nicht wirklich. Schlimmer noch: Brüssel unterstützt seit Jahren indirekt die paramilitärische Miliz „Rapid Support Forces“ (RSF) mit Millionen von Euro. Offiziell fließen die Gelder, um die Flüchtlingsströme Richtung Europa bereits an der Grenze zu Lybien zu stoppen. Tatsächlich machen die RSF, die unter dem Kommando von General Hemeti für die Morde und Vergewaltigungen am 3. Juni in Khartum verantwortlich waren, mit den Hilfsgeldern das, was ihnen gerade am meisten nützt. Den kompletten Sachverhalt könnt ihr online bei der Süddeutschen nachlesen.
Den Link zur genannten Studie „Grenzkontrollen aus der Hölle“ von Suliman Baldo habe ich euch hier heraus gesucht.
Aus traditionellen Rollen heraus brechen. Die protestierenden Frauen im Sudan: Deutsche Welle (deutsch)
Eine große Rolle spielen bei den noch immer anhaltenden Protesten im Sudan die Frauen. Sie gehen nicht nur gegen das Regime auf die Straße, sondern protestieren auch laut und sichtbar gegen Zwangsehen, für Vergewaltigung in der Ehe als Straftatsbestand, gegen Beschneidung und die generelle Stärkung der eigenen Rechte. Zu einer Art Gallionsfigur der Bewegung ist die Rechtsanwältin und Aktivistin Allaa Salah geworden, die vor allem auf Social Media zum Gesicht der Protestbewegung wurde. Mehr zur Rolle der Frauen im Sudan könnt ihr bei Deutsche Welle lesen, von deren Redaktion auch das obige Video stammt.
Die gute und schlechte Rolle von Social Media in der Sudan-Krise: Bento (deutsch)
Instagram und Twitter waren und sind noch immer wichtigste Informationsquelle zur Krise im Sudan. Zum einen, da die mediale Berichterstattung auch aufgrund des mangelnden öffentlichen Interesses zu wünschen übrig lässt. Unter den Hashtags #SudanUprising #WeAreAllSudan #PrayForSudan #StandWithSudann #SudanRevolution #SudanProtests #BlueForSudan und #WhiteMarch könnt ihr auf beiden Plattformen viele Informationen auch aus erster Hand erhalten. Wie diverse Artikel, unter anderem bei Bento, verdeutlichten: Es gibt immer ekelhafte Menschen, die eine Krise zu ihren Gunsten nutzen. So wurden zahlreiche Fake-Accounts hochgezogen, die mit vermeintlichen Essensspenden in Sudan Follower generiert haben.
Also schaut immer doppelt hin und achtet darauf, nicht blind zu liken, zu sharen und vor allem zu spenden.
Habt ihr weitere Artikel, Accounts, Hashtags, Aktionen, die die Berichterstattung zum Sudan betreffen, den Sachverhalt aufzeigen und die Informationen nicht versickern lassen? Dann teilt sie uns in den Kommentaren mit!