Der Kampf um den Staubsauger – Die Umzugskolumne Teil 2

Der Kampf um den Staubsauger – Die Umzugskolumne Teil 2

Zusammenziehen heißt zwei Haushalte unter ein Dach bringen

Zusammenziehen heißt zwei Haushalte unter ein Dach bringen. Warum das manchmal schwerer fällt als gedacht und was der Staubsauger damit zu tun hat, erfahrt ihr im zweiten Teil von Maries Umzugskolumne

Da hat man sie. Die Wohnung, an die man in seinen kühnsten Träumen nicht gedacht hätte. Die Wohnung, die irgendwie zu groß ist und zu schön und gut liegt. Und das innerhalb von zwei Wochen. Mietvertrag unterschrieben, zack, ab in den Immobilienhimmel. Doch wie das mit dem Himmel so ist, es ziehen manchmal schneller Wolken auf, als man seine Sonnenbrille absetzen kann und so zog das Unwetter auch über uns auf – wer Teil eins verpasst hat, liest hier nochmal alles!

Denn nachdem man den Mietvertrag unterschrieben hat – und denkt man hat das schlimmste hinter sich, nämlich die Suche selbst – kommt eine To-do-Liste, die sich ordentlich gewaschen hat. Umzugskartons kaufen und packen, Strom und Internet kündigen, neue Verträge heraussuchen, die alte Wohnung übergabebereit machen, Nachsendeantrag bei der Post stellen, ummelden, die neue Wohnung streichen, die alte Wohnung streichen und aussortieren.

Von wegen Magic Cleaning

Wenn ich Ragnhilds Artikel mit dem Aussortieren besser selbst befolgt hätte oder bei Marie Kondo dank viel zu hoher Synchronisationsstimme länger durchgehalten hätte, dann wäre der letzte Punkt vielleicht nicht ganz so ätzend geworden, wie er es dann war. Befreiend nennen es die einen. Aber die anderen, die wie ich im Winter keine Lust auf Outdoor Flohmarkt, nervige Gespräche bei Kleiderkreisel oder unverschämte Gebote bei Ebay Kleinanzeigen haben und die keinen Sinn darin sehen, super teure Designerklamotten (alles andere sofort und mit großem Ja!) zu spenden, werden wissen: der Kleiderschrank ist leer. Aber irgendwo anders in der Wohnung häuft sich jetzt ein nicht übersehbarer Packen an Ikeatüten mit aussortierten Klamotten. Schön ist was anderes.

Und noch schöner wird es dann, wenn man nicht nur selbst anfängt auszusortieren, sondern auch der Partner meint, da mitreden zu müssen. Klar, wer was mitbringen darf, ist beim Zusammenziehen zu Recht ein großes Thema. Da ich meinen Hausstand erst vor zirka zwei Jahren von null auf hundert aufgerüstet hatte – und mein Freund eher von der praktischen Art und Weise Ich-übernehme-alles-vom-Vormieter ist, stand schnell fest: Ich muss mich von wenig Möbeln trennen.

Meine Samtcouch darf mit, der PAX-Kleiderschrank wird wieder verbaut, Bett, String-Regale Schreibtisch und alle anderen kleinen Stehrumchen kommen mit. Mein Freund ist deutlich schlechter weggekommen und musste sich von seinem halben Hausstand trennen – und das tut mir wirklich und wahrhaftig von ganzem Herzen leid. Nicht, dass all meine Möbel unsere absoluten Traumstücke sind, aber sie sind einfach praktisch gewesen und in gutem Zustand. Wir werden sie langsam versuchen zu ersetzen, auch wenn ich bei unseren hochpreisigen Vorstellungen manche Teile sicher erst als Rentner mein Eigen nennen darf.

Doch dann gibt es da noch die Dinge, außerhalb von großen Möbelstücken, an denen meist nicht viel Geld hängt, dafür aber Erinnerungen und Herzblut. Oder pure Sturheit. Man will es einfach mitnehmen, komme was wolle. Auch hier behielt ich die Oberhand, bei meinen Dingen wurde oft gar nicht erst diskutiert, bei seinen dagegen sehr. Ups.

Und dann kam das Teil, was bei uns den ersten lauten, unschönen, gemeinen Streit auslöste. Und ja, in unserer gesamten Beziehung hatten wir uns davor noch nie gestritten. Die Rede ist vom ...

… Staubsauger!

Denn klar, so wie man vorher auch zwei Betten hatte, hatte man auch alles Praktische im Haushalt doppelt. Dazu gehören Küchengeräte, Wischmopp, Klobürste und ja, auch der Staubsauger. Der Kampf zwischen Miele und Dyson-Imitat wurde eröffnet, es flogen Argumente wie „Miele hält jahrzehntelang und ist der marktführende Hersteller in Deutschland“ oder „meiner braucht keine Staubsaugerbeutel“ oder auch „deiner ist lauter als ein Düsenjet“ durch den Raum. Danach beleidigtes Schmollen und das Entsetzen in den Augen, dass unser erster RICHTIGER Streit von so etwas absurdem wie einem Staubsauger ausgelöst wurde. Ein bisschen Angst kam auch noch dazu: Wird das Zusammenwohnen jetzt immer so werden? Werden wir uns ab jetzt dauernd solche unwichtigen Dinge streiten?

P.S. Aus Angst vor einem erneuten Streit wurde die Entscheidung bis zum heutigen Tage nicht gefällt. Stattdessen stehen jetzt zwei Staubsauger in der neuen Wohnung und jeder saugt mit seinem weiter. Tipps?

Auf den Staubsaugerstreit folgten in den folgenden Tagen noch mehr: Wir stritten uns über Wandfarbe, Möbel, Budgets, Gemeinschaftskonten, Bankkarten, Internetanschlüsse, Esstische, Sideboards, Schreibtische, Klamotten und über das Streiten selbst. Dass uns das Angst machte, gerade mit dem unterschriebenen Mietvertrag im Hinterkopf, war kein Wunder und auch verständlich. Dass wir diese Phase durchmachten, bevor wir in der gemeinsamen Wohnung „gefangen“ waren, lebensrettend. Was ich daraus gelernt habe?

Das Einzelkind-Syndrom schlägt zu

Ich musste erst einmal verstehen, dass wir nicht als EIN Paar dort leben, sondern auch als zwei UNTERSCHIEDLICHE Individuen. Mit unterschiedlichem Geschmack. Mit anderen Vorstellungen und anderen Erfahrungen, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Ich bin Einzelkind und auch wenn ich glaube, dass mir das nicht geschadet hat, ganz im Gegenteil, glaube ich doch, dass Zusammenziehen ein ganz großer Lernprozess für mich war. Davor hatte ich bei meinen Eltern und in meiner eigenen Wohnung gelebt, ich musste nie in einer WG lernen, was es heißt mit „fremden“ Menschen zusammenzuleben, Kompromisse in Sachen Einrichtung eingehen oder auf die alltäglichen Bedürfnisse eines anderen Rücksicht nehmen.

Ich bin schnell und voreilig in meinen Entscheidungen, stur und bestimmt. Ich lasse mir nie hineinreden und bleibe oft auch bei meiner Meinung, wenn ich nach Argumenten anderer selber daran zweifle. Einfach weil. Das ist natürlich keine ideale Bedingung, wenn man mit jemand anderem zusammenziehen will.

Dann kommt noch der Druck dazu, dass die eigene Wohnung möglichst schnell instagrammable sein muss. Heißt, perfekt hergerichtet und dekoriert. Dass das nun mal alles nicht geht mit einem beschränkten Budget, einem Vollzeitjob und einem 24/7-Beige-Job, dass musste ich auf die harte Art und Weise lernen, nämlich mit sehr vielen Streits.

Ruhig bleiben und Kaffee trinken

Irgendwann sprachen wir aber ruhig darüber, warum wir so viel streiten und neben Stress, Erschöpfung, dem üblichen Genecke kam ich schnell zum Schluss, dass ich die Hauptfehlerquelle war. Ich und meine vorschnelle Art zu antworten. Denn oft antworte ich so intuitiv und schnell, dass mir selbst erst fünf Minuten danach bewusst wird, was ich da gerade gesagt habe. „Wie findest du die und die Wandfarbe?“ „Auf keinen Fall, das geht gar nicht.“ Wie sehr man damit die Gefühle eines anderen verletzten kann, darüber habe ich oft nicht nachgedacht. Mein armer Freund.

Seitdem gebe ich mir viel Mühe, vorm Antworten erst nachzudenken und die Antwort vor allem diplomatischer zu formulieren. Ja, oft finde ich die Wandfarbe auch nach dem Nachdenken immer noch scheiße, aber ich sage es anders, mache Gegenvorschläge und bin auch gewillt, Kompromisse einzugehen. Mein Freund macht es noch diplomatischer: Wenn er etwas nicht mag, antwortet er mir einfach gar nicht mehr und wechselt das Thema.

Seitdem ich also lerne loszulassen (nur an meinem guten Miele-Staubsauger halte ich fest!) und mir bewusst werde, dass mir manche Dinge vielleicht nur auf den ersten Blick wichtig, im Alltag dann aber doch egal sind, wie zum Beispiel die Bank, bei der wir ein Konto einrichten wollen, läuft es viel besser. Kein Streit mehr, mal eine sarkastische Bemerkung, das war's. Ich glaube, wir können beide mit der momentanen Situation gut leben.

Das war auch die Voraussetzung, denn sonst hätten wir alles das, was vor dem Umzug auf uns zu kam, bestimmt nicht so gut weggesteckt. Mehr dazu im nächsten Teil!

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