Print is not dead
Print is not dead
Print is not dead

Print is not dead

„Wir machen heute keine Bücher mehr, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.“

Im Interview mit Laura Markert von büro bungalow sprechen wir unter anderem darüber, warum für Gestalter*innen das Medium Buch in einer digitalen Welt immer noch besonders ist – und immer bleiben wird

Wenn man mich fragt, ob „Print dead is“, dann würde ich vermutlich mit „Ja“ antworten. Denn, da bin ich ganz ehrlich, ich bin Onlinerin durch und durch – schon immer gewesen. Ich lese Bücher auf einem Kindle, ich habe ein Onlinemagazin, ich konsumiere News nur noch digital und habe seit Jahren keine Zeitung mehr in der Hand gehalten. Doch gerade, weil ich bei dieser Frage so eine starke Meinung habe, bin ich immer gespannt, warum andere Menschen diese Frage mit „Nein“ beantworten. Und Laura Markert, Gründungsmitglied von büro bungalow, sagt laut und deutlich „Print is not dead!“

Vor zwei Monaten haben wir uns mit Lauras Kollegin Yvonne Moser erst über das Phänomen „Vintage“ unterhalten, heute widmen wir uns mit Laura dem Thema „Buch“. Warum glaubt man als Designerin noch an das Medium Print? Sind Coffee Table Books cool oder eher doch nicht? Und stimmt der Satz „Don't judge a book by its cover?“ Laura verrät es uns!

Laura, wie und wann hast du herausgefunden, dass du etwas mit Design machen möchtest?

In meiner Familie war ich „die Kreative“. Ich habe gemalt, fotografiert, mir Dinge ausgedacht. Meine erste eigene Analogkamera habe ich mir mit neun Jahren von meinem Taschengeld gekauft, meistens schwarz-weiß-Filme eingelegt und bin so auf Entdeckungstour gegangen. Von da an habe ich jahrelang alles Mögliche fotografiert und mich mit 17 Jahren als Fotografin selbstständig gemacht. Alle dachten, das ist jetzt mein Weg. Aber als es dann ums Studium ging, war ich mir aber sehr unsicher, ob mir die Fotografie als Kommunikationsmedium ausreicht.

Was ist deine Rolle bei büro bungalow? / Wofür bist du die Expertin im Team?

Am wohlsten fühle ich mich im klassischen Grafikdesign, Editorial Design, Plakatgestaltung und der Fotografie sowie Postproduktion derer. Konkrete Anwendung findet das mittlerweile oft im Bereich Social Media, für den ich mich mittlerweile auch als Expertin bezeichnen kann. 

Es gibt außerdem Rollen, in die wir alle durch das Unternehmer*innentum hineingewachsen sind, da war jahrelang Buchhaltung und Backoffice ganz groß. Einfach, um das auch mal zu nennen, und nicht so zu tun, als würden wir den ganzen Tag nur gestalten – was auch okay ist!

Welche Aufgaben an deinem Job machen dir besonders viel Spaß? Welche gar nicht?

Ich liebe die Abwechslung. Man kann nicht immer kreativ sein – ich jedenfalls nicht – deswegen tun ein halber Tag Abarbeiten oder Projektmanagement auch mal gut, was auch daran liegt, dass ich gerne organisiere.
Richtig Spaß macht es mir, wenn ich mir von vorne bis hinten was Neues ausdenken darf, idealerweise ein Corporate Design, Plakat oder Buch. Ich liebe es, zu optimieren und dafür ist die Selbstständigkeit natürlich Gold wert, weil niemand sagt: Nö, so haben wir das schon immer gemacht. Ich schreibe nicht soo gerne Kostenvoranschläge und was mir wirklich gar keinen Spaß macht, sind so ultra administrative Sachen aka technische Problemlösung.

Was ist das größte Vorurteil, dass du als Designerin immer wieder zu hören bekommst?

Dass wir Dinge nur schöner machen, Sachen „überästhetisieren“ – was auch immer das heißen mag. Als wir 2016 auf einer Lesereise mit unserem Buch „Fluchtatlas“ waren, hat uns eine Frage aus dem Publikum erreicht, die mich seitdem beschäftigt:  „Warum stellt ihr ein so schlimmes Thema so ästhetisch dar?“ Abgesehen davon, dass unser Konzept durch die Atlas-Metapher eine gewisse Ästhetik vorgegeben hat, haben wir damals bewusst auf schlimme Bilder (die wir alle kennen) verzichtet, um erstens einen Zugang zu geben, zuallererst zum Buch selbst, und dann auch zu den Informationen und Texten, die so schlimm waren, dass die Bilder im Kopf ganz von alleine kommen. Ja, vielleicht machen wir Dinge schöner, aber ist das schlecht?

Was hat dich büro bungalow gelehrt? 

Wie man richtig kommuniziert, diskutiert und Kompromisse eingeht. Außerdem wie viel Spaß es macht, sein eigenes Ding zu machen und „Nein“ sagen zu können, zu Projekten, hinter denen man nicht steht.

Was machst du lieber, Print oder online?

Print. Ich liebe Print. Digital und Online sind wichtig und machen so viele tolle Dinge möglich, aber mein Herz schlägt für Print, weil da meine Liebe zum Detail auf ihre Kosten kommt. 

Was ist das Besondere an einem Buch?

Das Digitale lässt sich immer wieder editieren. Bücher hingegen haben einen Anfang und ein Ende und beschreiben somit einen Status Quo. Wer sich heute ein (Kunst-)Buch kauft, kauft sich eine Art Manifest der aktuellen Zeit, ein Stück Lebensrealität der*des Autor*in/Künstler*in. Somit ist ein Buch ist ja immer eine Art Zeitzeuge. Man hat sie jahrelang im Schrank, vererbt sie, verschenkt sie und denkt sich vielleicht eines Tages: „Ach, so hat man damals gedacht.“ Das ist das Schöne daran. Sie helfen uns, uns zu erinnern, Menschen oder vielleicht ganze Generationen (besser) zu verstehen.

Bücher kann man anfassen, man kann mit ihnen alleine sein, und sie finden einen immer zur richtigen Zeit. Ich kaufe mir oft Bücher und schaue jahrelang nicht rein, aber irgendwann kommt der Moment, an dem man es an einem Sonntagnachmittag aus dem Regal zieht. Bücher sind mehr zu Objekten geworden, Objekten der Begierde. Kurz: Wir machen heute keine Bücher mehr, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.

Dein letztes Projekt war das Buch „Opaque“. Erzähl mal mehr darüber. 

Opaque“ ist das Debüt einer jungen, sehr talentierten Fotografin namens Stephie Braun. Ich habe sie vor gut zwei Jahren auf einem – Funfact – großen Metalkonzert kennengelernt. Nicht als Fans, sondern Backstage-Fotografinnen. Es war eine kurze Begegnung, aber wir haben so gut gevibed, dass mich ein halbes Jahr später eine Sprachnachricht von Stephie erreicht hat, ob ich mir nicht vorstellen könnte, ihr erstes Buch zu gestalten, das beim Kerber-Verlag erscheinen soll. Ich war total gerührt von diesem Vertrauensvorschuss und da ich so lange kein Buch mehr machen durfte, sofort Feuer und Flamme und seitdem Dauerflamme für das Projekt.

Das Buch war ihre Abschlussarbeit von der FH Bielefeld und setzt sich mit der Existenzkrise der Fotografie auseinander. Man startet und endet mit einer Kurzgeschichte, die dann von 137 Fotos aus ihrem zehnjährigen Bildarchiv unterbrochen wird, zwischen denen wiederum sehr schön formulierte Gedanken stecken. Die Texte befinden sich mal über den Fotos, aber auch mal zwischen den Seiten – wie das geht? Das hat sich unser Buchbinder auch gefragt. Am Ende schließt man die Bilderreihe mit dem zweiten Teil der Kurzgeschichte ab und betrachtet Bilder von nun an wahrscheinlich anders.

Was war bei der Gestaltung vom Buch die größte Herausforderung?

Wahrscheinlich die Buchbindung, die wirklich keine gängige ist. Auch die Kommunikation von Berlin-Neukölln, nach Berlin-Mitte und Bielefeld und zu Stephie, die sich meistens in Fotostudios, ICEs oder Flugzeugen befindet. Sprich mal über Papier, Farbfolien, Proofs oder eine experimentelle Bindung, ohne, dass du am gleichen Tisch sitzt, da hilft kein Zoom-Call, sondern eigentlich nur DHL in Zeiten von Corona.

Worauf bist du besonders stolz bei Opaque?

Auf die Female Power in dem Projekt! Bis zur Produktion des Buches lief das gesamte Projekt tatsächlich auf „Female Energy“. Angefangen bei Birte Kreft vom Kerber-Verlag, die Stephie und ihr Talent wahrgenommen hat, über mich als Gestalterin, die von Stephie ganz bewusst als diese ausgewählt wurde, bis hin zu Anna Dorothea Ker, die Stephies Gedanken sehr sorgfältig ins Englische übersetzt hat. Weiter ging’s mit dem Book-Release, an dem die Schauspielerin Zeynep Bozbay diese Texte dem Publikum vorgetragen hat und die Kunst- und Bildhistorikerin Maja Klimt, die bei unserer Panel-Diskussion allen nochmal klargemacht hat, welche Rolle der Female Gaze in der Fotografie, aber auch in dieser Arbeit spielt, was nochmal unterstreicht, wie richtig und wichtig dieses Female Team für dieses Projekt war.

Julia hat bei uns darüber ja auch schon einen Artikel geschrieben: Wie stehst du zu dem Begriff Coffee Table Book?

Den Begriff finde ich witzig, weil er einerseits so tut, als ob diese Bücher in Cafés herumliegen und täglich angeschaut werden, gleichzeitig hat man diesen Trend im Kopf, dass Leute Bücher stapeln und eine Vase mit Blumen oder Kerzen daraufstellen. Würde jemand eines meiner Bücher Coffee Table Book nennen, wäre ich glaube ich etwas traurig darüber. Oder anders gesagt: Wenn ich ein Buch wäre, würde ich kein Coffee Table Book sein wollen.

Mit dem neuen Trend Coffee Table Book haben sich gestalterisch bestimmt auch viele Dinge verändert: ist das Cover und Der Buchrücken jetzt noch wichtiger als vorher? 

Es gibt diesen Satz „Don’t judge a book by its cover.“ Ich bin mir natürlich bewusst, dass es sich dabei um eine Metapher handelt, aber wenn man den Satz beim Wort nimmt, denke ich mir: warum nicht? Es ist doch unsere Aufgabe als Gestalter*innen einen Eindruck zu geben, was einen erwartet. Dich anzusprechen, auch wenn es noch verschlossen ist. Sonst nimmst du es vielleicht nie in die Hand, es wird nie gesehen.

Wie sieht dein Bücherregal zu Hause aus? Sortierst du es nach Farbe etc.?

Das habe ich tatsächlich im Lockdown mal gemacht. Und dann waren zwei Stunden weg und ich fand’s schrecklich. Früher habe ich sogar die Bücher mit unschönem Rücken umgedreht. Mittlerweile verteilen sich die Bücher quer durch die Wohnung, grob sortiert nach „schön“, „gelesen/ungelesen“, etc. Was ich tatsächlich nicht mache, ist Dinge auf Bücher stellen, die sie zerstören könnten. Aua.

Anne Waak hat im Magazin Monopol darüber geschrieben, dass es Leute gibt, die einem solche rein optischen Bücherregale zusammenstellen/designen. Irgendwie finde ich das traurig. Was soll das?! (lacht)

Wie viel liest du denn wirklich?

Weniger als ich möchte. Wie wir alle, wahrscheinlich. Als Kind war ich eine richtige Leseratte. Im Urlaub ging mir regelmäßig der Lesestoff aus, weshalb ich dann gleichaltrige Kinder im Hotel oder dem Campingplatz gefragt habe, ob sie noch Lesestoff haben. Aber zu Zeiten wie Social Media – wir kennen es alle – ist es echt eine Herausforderung, sich in einem Buch zu verlieren. Funktioniert bei mir mit Sachbüchern übrigens selten, bei Belletristik schon. Ich lese übrigens auch immer mehrere Bücher gleichzeitig, Bücher, die mir nicht taugen, beende ich. An dieser Stelle: Cool, dass ihr das Interview zu Ende gelesen habt!

Ja, danke dafür! Und danke für deine Zeit, Laura!

Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.

  • Fotos:
    Finn Waldner
    Stephie Braun
    Tim Sonntag
    Laura Markert

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