DienstArt – Die Kunstkolumne: Eine Bettgeschichte

DienstArt – Die Kunstkolumne: Eine Bettgeschichte

Von Heiliger Ruhestätte über Liebesnest zur Protestbewegung

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir durchschnittlich mit Schlafen. Doch Bett ist nicht gleich Bett. Macht euch bereit für einen kunstgeschichtlichen Schweif zum gemütlichsten Ort der Welt

Auch, wenn es gerade etwas freundlicher wird: lange war es zu dunkel, zu kalt, zu nass und pünktlich zum Jahresanfang packte viele von uns der Februarblues. Statt uns zur Arbeit zu quälen, wollten wir lieber den ganzen Tag im warmen Bett bleiben und abendliche Aktivitäten wurden gegen ausgiebige Faulheit zuhause eingetauscht. Unter dem Stichwort JOMO gönnten wir uns Zeit für uns, ließen unliebsame Termine sausen und vergruben die Nasen stattdessen tief in den Kissen.

Auf die Spitze getrieben haben dieses Konzept John Lennon und Yoko Ono mit ihrem sogenannten „Bed-In“ (1969). Zweimal blieb das Künstlerpaar für jeweils eine Woche zusammen im Hotelbett, zuerst in Amsterdam und wenig später in Montreal. Gedacht war das Ganze als friedlicher Protest gegen den Vietnam-Krieg: Schlafen für den Weltfrieden! Yoko Ono gilt als eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Fluxus-Bewegung, eine Kunstrichtung, bei der die kreative Idee im Vordergrund steht. Mit Pyjamas, einer Gitarre und Transparenten „bewaffnet“, zelebrierten die beiden ein Happening der besonderen Art. Begleitet von dutzenden Journalist*innen war der Protest zwar eine gut kalkulierte PR-Aktion, von Zweisamkeit und Gemütlichkeit kann aber vermutlich nicht die Rede gewesen sein. 

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Eine wortwörtlich tragende Rolle spielte beim „Bed-In“ natürlich das Bett. Aus unserem Alltag ist das Möbelstück nicht wegzudenken: Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir durchschnittlich mit Schlafen. Alle anderen Tätigkeiten, die wir im oder auf dem Bett verrichten, sind dabei natürlich noch nicht mit eingerechnet. Kein anderes Möbelstück steht so sehr für Rückzug, Geborgenheit und Ruhe. Es verwundert also nicht, dass das Bett auch in der Kunstgeschichte häufig thematisiert wurde. Die Herangehensweisen unterschieden sich jedoch deutlich und es wird klar: Bett ist nicht gleich Bett. Macht euch bereit für einen kunstgeschichtlichen Schweif zum gemütlichsten Ort der Welt.

Das Bett im Heiligenbild

Bereits im 15. Jahrhundert gab es Abbildungen, in denen die nächtliche Ruhestätte eine wichtige Rolle einnimmt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um religiöse Darstellungen. Obwohl es im Großteil der Kuhställe vermutlich eher einen Möbelmangel gegeben haben muss, wurde Maria kurz nach Jesus Geburt oft auf einem Bett liegend dargestellt. In der Kirche San Francesco im toskanischen Arezzo befindet sich das Fresko „Der Traum Konstantins“ von Piero della Francesca. Die Wandmalerei, die um 1457 entstand, zeigt den schlafenden Herrscher Konstantin, der von einigen Männern bewacht wird. Im Traum erscheint ihm ein Engel, der ihm den Sieg über seinen Rivalen Maxentius prophezeit, in dessen Folge Konstantin zum Alleinherrscher wurde. Kaiser Konstantin gilt als wichtige Person für das Christentum, da er der Religion zu gewaltigem Aufschwung im römischen Reich verhalf. Die Prophezeiung, die er im Schlaf empfängt, ist also eine sehr symbolträchtige Schlüsselszene des christlichen Glaubens und das Bett ein wichtiger Bestandteil.

Intimität und Vertrautheit

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Tizians Gemälde „Venus von Urbino“ besitzt hingegen keinerlei religiöse Bedeutung. Das um 1538 fertig gestellte Gemälde zeigt eine unbekleidete Frau, die uns auf ihrem Bett liegend direkt anblickt während sie sich mit ihrer linken Hand in den Schritt greift. Tizian greift hier auf ältere Venusdarstellungen zurück, verlagert die Nackte aber nicht in die freie Natur, sondern drapiert sie auf einem mit Laken bespannten Bett. Es wird vermutet, dass es sich bei dem Auftraggeber des Bildes um einen italienischen Herzog handelte, der seine zukünftige Ehefrau von Tizian malen ließ. Die Abgebildete war zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch minderjährig und die Darstellung als Venus, Sinnbild der Schönheit und des erotischen Verlangens, erscheint aus diesem Grund umso abwegiger. Das Bett symbolisiert in diesem Kontext Sexualität und kommende eheliche Erfüllungen.  

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Mary Cassatts Gemälde „Breakfast in Bed“(1897) ist eines von vielen Bildern, auf denen die US-amerikanische Künstlerin Mütter mit ihren Kindern darstellte. Ganz besonders fällt der Kontrast zwischen dem schläfrigen Gesichtsausdruck der Mutter und dem aufgeweckten Blick ihres Kindes ins Auge. Man kann die weißen Laken und den frischen Kaffee auf dem Nachttisch beinahe riechen. Die warmen Farben vermitteln genau die verschlafene Gemütlichkeit, die wir morgens im Bett empfinden. Es ist ein intimes Porträt von Vertrautheit und familiärer Verbundenheit.

Copyright: © Sophie Calle, Courtesy of Galerie Emmanuel Perrotin

Sophie Calles Schlafplatz wurde zum Ort des Geschehens als sie für ihr Projekt „The Sleepers“ (1979) 23 Menschen dazu einlud, ihr Bett zu benutzen. Bis zu acht Stunden durften die Freund*innen, Nachbar*innen und teilweise wildfremden Personen bleiben. Die Künstlerin fotografierte alle Bettgenoss*innen, teils schlafend, teils wach. Zusätzlich interviewte Sophie Calle ihre Gäste und notierte sich Gesprächsthemen und Schlafpositionen. Auf diese Weise teilten die Teilnehmer*innen ihre intimsten Momente mit der Künstlerin. Das Projekt spielt mit Grenzen und Vertrauen und verdeutlicht, welche Geheimnisse die gemeinsame Zeit im Bett offenbaren kann. 

Die Emanzipation des Bettes

Copyright: © Robert Rauschenberg, via MoMA.org 

Durch Robert Rauschenberg wurde zum ersten Mal ein tatsächliches Bett zum Kunstobjekt. 1955 montierte er sein Werk „Bed“ kurzerhand an der Wand. Die Kissen und Bezüge, die Rauschenberg zuerst aus Mangel an Alternativen als Leinwand für ein Gemälde nutzen wollte, sind mit Farbe beschmiert und mit Bleistift beschrieben. Aber das Bett blieb ein Bett. Dem Künstler gefiel diese Übergangsphase zwischen ursprünglichem Objekt und fertigem Kunstwerk. Auf diese Weise entstanden Rauschenbergs typische Combines - Collagen, die Malerei und Objektkunst vereinen. 

Das Bett und der Schmerz

Copyright: © Tracey Emin via christies.com

Als sie nach einer schmerzhaften Trennung mehrere Tage im Bett verbrachte, kam der britischen Künstlerin Tracey Emin die Idee für ihre Installation „My Bed“. Das 1998 entstandene Kunstwerk besteht aus einem zerwühlten Bett und einigen weiteren Objekten, unter anderem Zigarettenstummeln, gebrauchter Unterwäsche und benutzten Kondomen. Emin sieht das Werk als autobiografischen Ausschnitt ihres Lebens. 2014 wurde das Bett übrigens für über 3 Millionen Euro im Londoner Auktionshaus Christie’s verkauft. Wie schön wäre es, wenn sich jeder Liebeskummer so zu Geld machen ließe. 

Copyright: © Maria Lassnig, Courtesy Hauser & Wirth

Natürlich sind Betten auch Orte, die eng mit Krankheit und Tod verknüpft sind. Bei der Betrachtung von Maria Lassnigs Gemälde „Krankenhaus“, das sie 2005 im Alter von über 80 Jahren malte, fühlt man beinahe die Kraftlosigkeit und Ausgezehrtheit am eigenen Leib, die den Dargestellten in ihrem Krankenhausbett widerfährt. Die Künstlerin machte mit ihren „Körperbewusstseinsbildern“ ihren eigenen Körper zum zentralen Thema ihrer Arbeit. Dabei wollte sie nicht das, was sie im Spiegel sah, auf die Leinwand bringen, sondern das Gefühl, das sie im Arm, Bein oder Bauch hatte. Auf dem Bild „Krankenhaus“ stellt Lassnig ihren Körper dreimal in verschiedenen Positionen dar. Das Gemälde wirkt wie ein Fiebertraum einer verwundbaren, erschöpften Person. 

Das Bett hat in der Kunstgeschichte eine beachtliche Wandlung durchlebt. Von der Statistenrolle hat es sich zum eigenständigen Kunstwerk gemausert. Wie steht es um eure Schlafplätze? Sind es Träger großer Geheimnisse oder doch nur einfache Gebrauchsmöbelstücke? Falls ihr, während ihr diese Kolumne lest, auch noch in den Federn liegt, dreht euch ruhig nochmal um: Die besten Idee kommen einem ja bekanntlich im Bett.  

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