DienstArt – Die Kunstkolumne: Kunst und Kniebeuge? Über die Vereinbarkeit von Fitness und Kunst
Die Fitness-App „FitArt“ schlägt die Brücke zwischen Sport und Kunstbetrachtung. Und auch Yoga im Museum ist keine Seltenheit mehr. Sind Kunst und Fitness am Ende ein Traumpaar?
Die Fitness-App „FitArt“ schlägt die Brücke zwischen Sport und Kunstbetrachtung. Und auch Yoga im Museum ist keine Seltenheit mehr. Sind Kunst und Fitness am Ende ein Traumpaar?
Ich erzähle euch sicher nichts Neues, wenn ich davon berichte, dass die letzten Monate für Kunstliebende eine echte Herausforderung waren. Und auch die sportliche Betätigung erfuhr einige Einschnitte. Nach Feierabend noch kurz ins Fitnessstudio radeln oder durch die umliegenden Galerien schlendern? Fehlanzeige!
Beide Tätigkeiten musste ich während des Lockdowns zwangsläufig zu Hause ausüben: Ich praktizierte also Yoga mit dem liebsten YouTube-Channel und beschränkte mich auf die digitalen Angebote der Museen und Galerien. Während ich mindestens die dreifache meiner üblichen Zeit vor dem Bildschirm verbrachte, fragte ich mich unweigerlich, ob es nicht eine effiziente Kombination von Kunst und Sport geben könne.
Kunst und Workout in einer App?
Als hätten sie meine Gedanken gelesen, hat die Galerie Roehrs & Boetsch kurzerhand eine App erschaffen, die beides miteinander verbindet: „FitArt“ zeigt kurze Kunstperformances im Look meines eigenen Trainingsplans. Die Ausstellung „Connected in Isolation“ vereint 14 Performances verschiedener Künstler*innen. Die Übungen dauern jeweils 30 Sekunden, man kann sie also unproblematisch in den Alltag integrieren. Selbstverständlich bin ich sofort als Testerin zur Stelle und möchte „FitArt“ ausprobieren. Hochmotiviert habe ich sogar mein Sportzeug angezogen.
Ich beginne mein Workout mit der Arbeit „Human Saver (DVD guy)” von Constant Dullaart. Das über den Bildschirm pendelnde DVD-Symbol, das wir alle noch von früher kennen, hat es mittlerweile sogar zum Meme geschafft. Dullaart wird zum lebenden Bildschirmschoner und verbindet mit seiner Performance analoge und digitale Elemente auf meinem Smartphone-Screen. Meine Nachahmungen sehen wenig sportlich, dafür umso lustiger aus.
JODI: ZYX, 2012/2020 © Roehrs & Boetsch
Deutlich strapaziöser für meinen Puls ist die Arbeit „ZYX” von JODI alias jodi.org. Für 30 Sekunden macht mir ein GIF-Männchen Fitnessübungen vor, die ich mit dem Smartphone in der Hand nachmachen soll. Ich hüpfe, ich drehe mich, ich zappele munter über das Parkett. Meine Nachbar*innen sind vermutlich weniger begeistert, ich komme aber ziemlich ins Schwitzen.
Jillian Mayer: Basic Calisthenics for Surveillance Training, 2020 © Roehrs & Boetsch
Besonders gut gefällt mir auch Jillian Mayers „Surveillance Training”. Die Künstlerin vollführt körperlich anstrengende Spionage-Übungen aus verschiedenen Positionen. Mit dem Fernglas in der Hand steigt sie auf eine Leiter oder balanciert, ohne dabei das Objekt der Begierde aus den Augen zu verlieren. Ein bisschen erinnert mich diese Übung an mein eigenes Multitasking. Sport machen, dabei meinen Feed im Auge behalten und Kunst betrachten? Warum nicht – Jillian Mayer zeigt, wie es geht.
Nach ein paar Minuten „FitArt“ habe ich zwar wenig Sport gemacht, dafür aber einige spannende Performances gesehen. Warum, denke ich mir, ist auf diese Verbindung vorher noch niemand gekommen?
Genau genommen stimmt das gar nicht: In der analogen Welt bieten einige Museen schon seit geraumer Zeit sportliche Aktivitäten vor Kunstwerken an. Im Haus am Waldsee in Berlin könnt ihr zum Beispiel Yoga machen, im Naturhistorischen Museum in Bern meditieren und ein komplettes Workout inklusive Tanz und Jogging bot vor einiger Zeit das Metropolitan Museum in New York an.
Solche Aktionen werden von vielen Menschen kritisch betrachtet. Sport im Museum lenke von der intensiven Kunstbetrachtung ab, so die Kritik. Aber was spricht gegen ein paar Stretches vor Sturtevant oder Push-ups vor Picasso?
Was wolltet ihr schon immer mal im Museum machen?
Alteingesessene Museumsgänger*innen müssen beim Gedanken an sportliche Interventionen in den „heiligen Hallen“ erst mal schlucken – schließlich erscheinen die so gar nicht traditionskonform. Die Kunst werde auf diese Weise „zur Kulisse degradiert“ schrieb zum Beispiel Annekathrin Kohout in der ZEIT. Ein Leser*innen-Kommentar kritisierte die „Erweiterungsorgie des Kunstbegriffs“. Kunst müsse man mit Konzentration und Ruhe begegnen, nicht beim Purzelbaumschlagen. Schwitzen vor Schwitters und Keuchen vor Kusama – muss das denn wirklich sein?
Kein Zweifel, Sport und Kunst sind wichtige Bestandteile unserer Kultur. Ein ungewöhnlicher Event kann den Zugang zu elitär wirkenden Galerien erleichtern. Wer die Yogamatte mit ins Museum bringen darf, macht den herabschauenden Hund an Orten, die er oder sie sonst nicht betreten hätte. Das hoffen zumindest die Outreach-Abteilungen großer Institutionen, die genau das im Sinn haben: breite und neue Gruppen erreichen.
Bei solchen Veranstaltungen geht es nicht um dauerhafte Umnutzung der Museumssäle und es werden auch keine Laufbänder in die Dauerausstellungen integriert. Stattdessen findet ein Umdenken statt: Wenn Museen kulturelle Treffpunkte werden sollen, müssen wir uns in ihnen wohlfühlen. Wer sich hier gerne aufhält, sollte auch Platz zum Lesen, für den Smalltalk und meinetwegen auch zum Sport haben. Was wolltet ihr schon immer mal im Museum machen? Ein Picknick? Ein Nickerchen?
Ginge es nach mir, dürftet ihr alle aus den simpelsten Gründen ins Museum gehen: Weil der Kuchen im dortigen Café so gut schmeckt, der Shop so schöne Postkarten verkauft oder eben wegen der entspannenden Yogastunde. Allen Kritiker*innen rate ich, etwas zu entspannen und sich vielleicht sogar ebenfalls auf die Yogamatte zu stellen. Möglicherweise tut die erhöhte Konzentrationsfähigkeit nach einem leichten Workout ja auch dem anschließenden Ausstellungsrundgang gut.
5 Mini-Workouts mit Kunstbezug
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Ideen schießen mir in den Kopf. Plötzlich kommt es mir so vor, als stecke hinter der Verbindung zwischen Kunst und Sport noch eine ganze Menge Potenzial. Mit einem klitzekleinen Augenzwinkern stelle ich euch hiermit meine fünf Ideen für Mini-Workouts mit Kunstbezug vor:
- Galerie-Sprint
Ihr habt gerade erst den Feierabend eingeläutet aber in einer Stunde schließen bereits die Galerien? Kein Problem: Legt euch eine Route fest und los geht’s! Im Dauerlauf von Galerie zu Galerie gehastet, bleibt keine Zeit für Trödeleien, dafür seid ihr in kürzester Zeit up to date. - Lese-Squads
Wer kennt es nicht: Im Museum sind die Schilder und Beschriftungen auf unmöglichen Höhen montiert, die die wildesten Verrenkungen erfordern. Warum also diesen Umstand nicht sportlich nutzen? Schön tief in die Hocke gehen um besser lesen zu können! Und wieder hoch! Und wieder runter! Brennt's schon? - Smartphone-Hindernislauf
Auf der Suche nach dem Museums-WLAN kann man schon mal einige Zeit vertrödeln. Eben war die Verbindung noch super, plötzlich ist die Verbindung zur Außenwelt gekappt. Vielleicht klappt es ja in dieser Ecke? Und wie war noch gleich das WLAN-Passwort? Aufpassen, dass ihr in eurer Orientierungslosigkeit keine Hindernisse kreuzt. - Stairway to (Art) Heaven
So ein Museumsbesuch kann ganz schön in die Beine gehen, vor allem dann, wenn Treppen im Spiel sind. Alle 10 Minuten die Etage zu wechseln, bringt nicht nur euren Kreislauf, sondern auch die Kunstbetrachtung in Schwung. Besonders geschult werden eure Waden in treppenreichen Museen wie dem Pariser Centre Pompidou oder dem Kunsthistorischen Museum in Wien. - ArtAbs statt ArtApp
Hiermit melde ich das Patent auf die Instagram-Challenge #ArtAbs an, bei der sich die Teilnehmer*innen Kunstwerke auf die Muskeln malen müssen. Latte Art und #KunstgeschichtealsBrotbelag sind Schnee von gestern. Ja, es ist so oberflächlich, wie es klingt: Von nun an wird mit Muckis UND Zeichenkünsten geprotzt.
Habt ihr weitere Ideen für die Vereinbarkeit von Kunst und Fitness oder seid ihr eher skeptisch? Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen.
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.