Zwei, die sich verstehen: Kunstgeschichte & Popkultur

Zwei, die sich verstehen: Kunstgeschichte & Popkultur

Von Viva La Vida bis Hotline Bling – Kunstwerke in Musikvideos

Von Viva La Vida bis Hotline Bling – Kunstwerke in Musikvideos

Es war wohl das medienwirksamste Musikvideo, das letztes Jahr veröffentlicht wurde: Beyoncé, die Grande Dame des R’n’B, und ihr Ehemann Jay-Z brachten als The Carters ihre Single „Apeshit“ raus und mieteten für den Videodreh kurzerhand den Louvre an. Gekonnt positionierte sich das Künstlerpaar samt Background-Tänzer*innen vor berühmten Werken wie der Mona Lisa, der Venus von Milo oder den Sabinerinnen von Jacques Louis-David. Sowohl die Kunstwerke als auch der Ort dienen als Statussymbol: Den Carters gelingt eine Demonstration von Macht und Einfluss in einem Gebäude, das lange Zeit nur für Weiße zugänglich war und auch heute noch symbolisch für weiße Vorherrschaft steht.

Beyoncé & Jay-Z – „Apeshit“

Das Musikvideo ist ein spektakuläres Beispiel für eine popkulturelle Win-win-Situation. Hier geht es um Prestige: Der Louvre, das meistbesuchte Museum der Welt, beherbergt für kurze Zeit eines der berühmtesten Künstlerpaare der Musikszene und das daraus resultierende Musikvideo bricht Rekorde. Die Carters drehen ihr Video an einem Ort, der sinnbildlich für von Weißen beherrschte Machtstrukturen steht, und vereinnahmen ihn durch diese Aktion. Während Normalos stundenlang in der Ticketschlange stehen und sich anschließend vor den Kunstwerken drängeln, haben die Carters die Location ganz für sich alleine. Beyoncé trifft es mit ihren Lyrics in „Apeshit“ auf den Punkt: „I can't believe we made it“. Für beide Parteien bedeutet der Videodreh Aufmerksamkeit über die gewohnte Zielgruppe hinaus. Sie schmücken sich quasi gegenseitig mit der jeweils anderen Instanz.

Dass Popmusik von der Ästhetik der Kunst(geschichte) inspiriert wird, ist kein neues Phänomen. Wir haben derartig viele Musikvideos gefunden, in denen Kunstwerke zu Protagonisten werden, dass wir daraus eine zweiteilige Serie machen konnten. Los geht’s heute mit Teil eins und den ersten zehn von der Bildenden Kunst inspirierten Musikvideos:

Coldplay – „Viva la Vida“

Nicht nur, dass das gesamte Video mit einem Filter unterlegt ist, der die Zuschauer*innen an eine brüchige Leinwand erinnert. Die Herren von Coldplay stellen hier auch das berühmte Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix (1798 – 1863) nach. Das Bild steht als Sinnbild für die französische Julirevolution von 1830 und ziert außerdem auch das Album-Cover von „Viva la Vida“. Zu finden ist das Gemälde übrigens auch im Louvre, im Video zu „Apeshit“ kommt es jedoch nicht vor.

Madonna – „Vogue“

Madonna ist bekennender Fan der polnischen Künstlerin Tamara de Lempicka (1898 – 1980). Zu Beginn des Musikvideos zum Song „Vogue“ werden gleich mehrere Kunstwerke der berühmten Vertreterin des Art Déco gezeigt: „The Musician“, „La Belle Rafaela“, „Nana de Herrera“ und „Andromeda“. Es ist übrigens nicht das einzige Video, in dem Madonna die Künstlerin featured. Auch in den Videos zu „Drowned World/Substitute for Love“ und „Open Your Heart“ finden sich ihre Werke.

Hold your Horses – „70 Million“

Das Musikvideo zum Song „70 Million“ ist eine wahre Fundgrube für Kunstbegeisterte. Vermeer, Magritte, Frida Kahlo und Andy Warhol – sie alle sind dabei. Die Bandmitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, einige der berühmtesten Kunstwerke der europäischen Kunstgeschichte nachzustellen und haben dabei sichtlich Spaß. Auf diese Weise ist ein buntes und fröhliches Musikvideo entstanden, das man praktischerweise auch mal in den Kunstunterricht integrieren könnte.

Deichkind – „So ‘ne Musik“

Die Jungs von Deichkind haben das Video zu „So ‘ne Musik“ in der Hamburger Kunsthalle aufgenommen – direkt vor den Alten Meistern und der Kunst des 19. Jahrhunderts. Im Hintergrund zu erkennen sind zum Beispiel „Die Netzflickerinnen“ von Max Liebermann. Weitere Teile des Videos wurden in der ehemaligen Galerie OZM im Schanzenviertel gedreht, in der Werke des bekannten Hamburger Sprayers Oz die Wände schmückten. Eine Liebeserklärung an die Heimatstadt der Band und ein krasser Gegensatz unterschiedlicher Stile, der dem Video zusätzlich zur Fisheye-Optik einen unverwechselbaren Charme verleiht.

Ariana Grande – „God is a Woman“

Ariana Grandes Video zu „God is a Woman“ endet mit dem Blick auf Michelangelos Deckengemälde „Die Erschaffung Adams“. Passend zum Songtitel handelt es sich bei den abgebildeten Figuren jedoch ausschließlich um Frauen, Ariana Grande inszeniert sich selbst als Gottesfigur. Abgesehen davon gibt es im gesamten Video einige weitere Referenzen zu Künstlerinnen und ihren Werke, wie zum Beispiel auf die Arbeiten von Georgia O’Keeffe und Judy Chicago.

R.E.M – „Losing my Religion“

Das Video zu „Losing my Religion“ entstand vor über 25 Jahren und untermalt wohl einen der bedeutendsten Hits der Neunzigerjahre. Regisseur Tarsem Singh ließ sich eigenen Aussagen nach von den hell-dunkel-Kontrasten in der Malerei des Barockmalers Caravaggio (1571 – 1610) inspirieren. Viele der Aufnahmen erinnern an die Gemälde des italienischen Künstlers, zum Beispiel an die bekannte Figurenkonstellation in „Ecce Homo“ oder die Darstellungen geflügelter junger Männer.

St. Vincent – „Cheerleader“

St. Vincent ist der Künstlername der US-amerikanischen Sängerin Annie Clarke, die sich im Musikvideo zu „Cheerleader“ als riesenhafte Puppenskulptur in einem Museum inszeniert. Im Laufe des Videos erwacht sie zum Leben und – Achtung – zerstört sich selbst. Wer die Werke von Ron Mueck (*1958) kennt, dem fallen sofort die Parallelen ins Auge. Der australische Künstler ist für seine hyperrealistische Darstellung ebensolcher Skulpturen bekannt. Wie im Musikvideo ist die Atmosphäre zwischen Betrachtenden und Kunstwerk oft sehr interessant zu beobachten: Die Figuren sehen so täuschend echt aus, dass man zweimal hinsehen muss.

© Ron Mueck, via QAGOMA

Kanye West- „Famous“

In Kanye Wests Musikvideo zu „Famous“ sehen wir vor allem eines: schlafende, nackte, prominente Menschen. Das Bett teilt sich Kanye unter anderem mit Donald Trump, Kim Kardashian und Taylor Swift. Inspiriert ist diese Sleepover-Konstellation vom 2008 entstandenen Kunstwerk „Sleep“ von Vincent Desiderio (*1955). Der US-amerikanische Künstler ist für seine realistische Malerei bekannt, schlafende Personen sind ein häufiges Motiv seiner Arbeit. Eigenen Aussagen nach war Desiderio begeistert von Kanyes Adaption seines Werks.

© Vincent Desiderio, via Marlborough Gallery

Drake – „Hotline Bling“

Drake, der King of Memes, zeigt uns im Video zu „Hotline Bling“ seine berüchtigten Dancemoves vor bunten Lightboxen. Inspiriert sind diese vom Künstler James Turrell (*1943), von dem Drake ein bekennender Fan ist. Einige Monate vor Erscheinen des Videos postete der Rapper auf Instagram ein Bild von sich vor einer der Installationen des US-amerikanischen Künstlers. Turrell wird für seine Licht- und Rauminstallationen gefeiert. Drakes Video verleiht das diffuse Licht eine ganz besondere Ästhetik. Im Jüdischen Museum in Berlin kann noch bis September 2019 die Installation „Ganzfeld – Aural“ vom Bildhauer des Lichts Turell besucht werden.

Jane Zhang – „Dust my Shoulders Off“

Die chinesische Sängerin Jane Zhang nimmt uns in ihrem Musikvideo mit in ihre eigene museale Gedankenwelt und schlüpft dabei in Gemälde von Edward Hopper, Andrew Wyeth und René Magritte. Erst staksen Dalì-eske Wesen durchs Bild, dann beginnen die Punkte aus George Seurats Gemälde zu schweben und im nächsten Moment verformen sich M.C.Eschers Architekturen im Minecraft-Style. Zhangs Video wirkt wie eine Liebeserklärung an die Kunstgeschichte.

Falls ihr noch heiße Tipps für Kunst in Musikvideos habt, dann lasst es uns wissen. Im zweiten Teil dieser Reihe erwarten euch unter anderem Lady Gaga, Kendrick Lamar und 30 Seconds to Mars. Ihr dürft gespannt sein!

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