A Never Ending Love Story: Kunstgeschichte & Popkultur – Teil 2

A Never Ending Love Story: Kunstgeschichte & Popkultur – Teil 2

Von Red Hot Chili Peppers bis Lady Gaga – 10 weitere Kunstwerke in Musikvideos

Von Red Hot Chili Peppers bis Lady Gaga – 10 weitere Kunstwerke in Musikvideos

Erinnert ihr euch noch an den ersten Teil dieser Serie? Damals haben wir über Beyoncé und Coldplay, Deichkind und Madonna gesprochen. In ihren Musikvideos stellen die Musiker*innen die verschiedensten Kunstwerke nach, performen eifrig vor berühmten Bildern und mieten für eine Produktion sogar den kompletten Louvre an. Aber warum führen Kunstgeschichte und Popkultur eigentlich eine so enge Beziehung? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe:

Oft sind es weniger die Künstler*innen als vielmehr die Regisseur*innen, die ihre Finger bei der Entstehung von Musikvideos im Spiel haben und ihnen ihre ganz persönliche Ästhetik verleihen. Sie wissen, wie man gestalterische Mittel zielführend einsetzt und kennen den hohen Wiedererkennungswert von Bildender Kunst. Wenn wir bekannte Werke wie die Mona Lisa dann im fertigen Video entdecken, erzielt das direkt einen positiven Aha-Effekt.

Außerdem ist der Übergang zwischen den Genres oft fließend. Früher gab es den reinen Beruf des Malers und den des Komponisten, heute verschwimmen viele dieser Grenzen. Ein Musikvideo soll im besten Falle ein Gesamtkunstwerk sein: Ein bunt gemischter Eisbecher, der möglichst jeden Geschmack erfüllt. Mode, Visual Arts und Design sollen Statements setzen und die Musik tatkräftig unterstützen.

Die Kunstwelt wirkt auf viele wie eine unzugängliche, coole Gang, zu der man nie gehören wird. Künstler*innen genießen in manchen Augen ein unantastbares Prestige. Kein Wunder also, dass auch Künstler wie Kanye West oder die Red Hot Chili Peppers zu Fanboys werden und ihr großes Künstler*innen-Idol in ihren Videos auftreten lassen. Man kennt sich, man arbeitet zusammen, man unterstützt sich gegenseitig. Durch eine Kollaboration mit einer bekannten Künstlerin bekommt das Video natürlich einen kosmopolitischen Touch und vor zeitgenössischer Kunst zu twerken wirkt beinahe tiefsinnig.

In diesem Sinne wünschen wir euch viel Spaß mit Teil 2 der Liebesbeziehung zwischen Kunstgeschichte und Popkultur:

Red Hot Chilli Peppers – „Cant Stop“

Die kalifornische Band Red Hot Chili Peppers setzte 2003 in ihrem Video zu „Can’t Stop“ eine ganze Reihe von „One Minute Sculptures“ des österreichischen Künstlers Erwin Wurm (* 1954) um. Wurms Konzept ist es, dem Publikum Anweisungen zu geben, die diese dann für jeweils eine Minute befolgen sollen. Aus Mensch, ungewöhnlicher Pose und allerlei zufälligen Alltagsgegenständen entstehen auf diese Weise die komischsten Skulpturen. Im Gegensatz zu anderen Künstler*innen würdigt die Band sogar ganz brav die Arbeit des Künstlers: Erwin Wurm wird im Abspann des Clips erwähnt.

Courtesy of Erwin Wurm and KÖNIG GALERIE, Berlin

Jay-Z – „Picasso Baby“

Das Originalvideo findet ihr hier. Bereits die Lyrics zu Picasso Baby sind ein einziges kunsthistorisches Namedropping:  Von Mark Rothko und Jeff Koons bis hin zu Da Vincis Mona Lisa – hier kommen alle Größen der Kunstgeschichte vor. Aber auch für das dazugehörige Musikvideo, dem so genannten „Performance Art Film“, hat sich Jay-Z etwas einfallen lassen: Über sechs Stunden performte er in der New Yorker Pace Gallery und adaptierte die bekannte Arbeit „The Artist is Present“ von Marina Abramović (*1946). Das gesamte Setting des Clips ist an die Performance aus dem Jahr 2010 angelehnt, in der die Künstlerin mehrere Monate lang auf ihrem Stuhl im New Yorker MoMa saß und die Besucher*innen dazu einlud, sich ihr gegenüberzusetzen und ihr in die Augen zu blicken. Auch bei Jay-Z spielt die Begegnung eine wichtige Rolle: Keiner Geringeren als Abramović selbst steht der Rapper gegenüber. Aber auch andere namhafte Gäste sind Teil der Performance, darunter Künstler*innen wie Andres Serrano und Lorna Simpson. 

Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, Shelby Lessig 

Nicki Minaj & Cassie – „The Boys“ 

Im Video zu „The Boys“ wimmelt es nur so von Polkadots und schrillen Farben. Ganz offensichtlich wurden Nicki Minaj und Cassie von den Werken der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama inspiriert. Die Outfits, Wände und raumfüllenden Kugeln ähneln den bekannten Arbeiten von Kusama (*1929), die als eine der bedeutendsten Avantgardekünstlerinnen inner- und außerhalb Japans gilt. Mit ihren Happenings, buntgemusterten Skulpturen und surreal gestalteten Räumen hat sie schon lange ihren Platz in der Popkultur gefunden. 

Thirty Seconds to Mars – „Up in the Air“

Der Song „Up in the Air“ der US-amerikanischen Rockband Thirty Seconds to Mars befindet sich auf dem Album „Love, Lust, Faith and Dreams“ von 2013, auf dessen Cover Damien Hirsts (*1965) berühmtes Spot Painting  „Isonicotinic Acid Ethyl Ester” abgebildet ist. Doch damit nicht genug: Auch auf der eigentlichen CD und im Musikvideo zur Single werden die farbenfrohen Spot Paintings des Künstlers präsentiert. Aber Achtung, es gibt noch weitere Anspielungen auf die Werke von Damien Hirst: Sowohl der Löwe als auch die Schmetterlinge und Fliegen spielten schon eine Rolle in seinen Arbeiten, in denen er häufig Tod und Vergänglichkeit thematisiert.  

Rihanna – „Rude Boy“

Das Video zu Rude Boy ist ein echtes 80er-Jahre Revival und ein kunsthistorischer Ausflug in die amerikanische Dancehall- und Graffitiszene. Regisseurin des 2009 veröffentlichte Video ist Melina Matsoukas, die übrigens auch mit Beyoncé und Lady Gaga arbeitete. Auf einem Zebra reitend und mit hautengem Einteiler bekleidet, setzt Rihanna die typischen Werke von Keith Haring (1958-1990) in Szene, die oftmals nur in schwarz-weiß gehalten waren. Auch die Graffitikunst von Jean-Michel Basquiat (1960-1988) spielt im Video eine wiederkehrende Rolle, sein berühmte Krone kommt gleich mehrfach darin vor.

Bild via www.wikiart.org 

Kendrick Lamar – „Humble“ 

In seinem Song „Humble“ thematisiert Kendrick Lamar wichtige Themen wie die Rolle der schwarzen Bevölkerung in den USA und den Einfluss von Schönheitsidealen und Photoshop. Kinematografisch gesehen ist jede einzelne Kameraeinstellungen ein kleines Kunstwerk. Kein Wunder also, dass „Humble“ in acht Kategorien für die MTV Video Music Awards nominiert war und sechs Auszeichnungen gewonnen hat. Ganz nebenbei inszeniert sich Lamar aber auch als Jesus Christus in einer der bekanntesten Darstellung der Kunstgeschichte, nämlich dem Werk „Das Abendmahl“  von Leonardo da Vinci. Er selbst sitzt in der Mitte des Geschehens, während sich die sechs „Jünger“ um ihn herum alles andere als „humble“ über Wein und Speisen hermachen. 

Bild via www.wikiart.org 

Lady Gaga – „Applause“

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass es sich bei Lady Gaga wohl um eine der beispielhaftesten Vertreterinnen für die Symbiose zwischen Kunst und Popkultur handelt. Das gesamte Album „ArtPop“ ist, wie der Name schon verrät, eine einzige Liebeserklärung an die Kunst(geschichte). Besonders deutlich zeigt sich Gagas Affinität im Musikvideo zu Applause. Gleich zu Beginn räkelt sie sich mit bemuschelten Brüsten zwischen riesigen comichaften Händen und erinnert an das Gemälde „Geburt der Venus“, das um 1458 von Sandro Botticelli gemalt wurde. Mit blonder Perücke und auffälligem Make-up erinnert Gaga an die bunten Pop Art Drucke von Marilyn Monroe, die Andy Warhol (1928-1987) in den 1960er Jahren anfertigte und die Augenmaske, die sie am Ende des Videos trägt, ähnelt den verträumten Seerosenbildern  des französischen Malers Claude Monet (1840-1926). 

Bild via www.wikiart.org 

Katy Perry – „This Is How We Do“

In diesem Musikvideo hat der niederländische Maler Piet Mondrian (1872-1944) seinen großen Auftritt. Es enthält mehrere Sequenzen, in denen Katy Perry und einige Tänzerinnen vor der berühmten Komposition des DeStijl-Künstlers tanzen. Die Kleider und Frisuren sind perfekt auf die geometrischen Muster und charakteristische Farbkontraste abgestimmt. Schon das Mondrian Cocktail Dress, das Yves Saint Laurent in den 1960er Jahren entwarf, war die ultimative popkulturelle Hommage an den konstruktivistischen Künstler. 

Bild via www.wikiart.org 

Peter Gabriel – „Sledgehammer“

Dieses Musikvideo stammt aus Peter Gabriels Solo-Karriere in den 1980er Jahren und besitzt durch die Stop Motion Technik noch richtiges Oldschool-Flair. Gabriel, ehemaliges Mitglied der Rockgruppe Genesis, zeigt im Videoclip eine Vorliebe zum Surrealem, inklusive tanzender Suppenhühner und singender Autos in der Popcornmaschine. Dazwischen findet sich auch eine Anspielung auf das Werk des italienischen Renaissancemalers Giuseppe Arcimboldo (1526-1593), dessen Porträts aus Früchten und Pflanzen große Bekanntheit erlangten. Der Obstkopf bei Peter Gabriel singt passenderweise leidenschaftlich „Open up your fruitcage“ - übrigens eine fragwürdige Umschreibung für Vagina. 

Bild via www.wikiart.org 

Miley Cyrus – „We Can’t Stop“

Auf den ersten Blick wirkt dieses Musikvideo absolut verwirrend. Hier sehen wir ein umfassendes Mash-up kunsthistorischer Referenzen und zeitgenössischer Kunstwerke: Vorbild für die Poolszenen im lilafarbenen Wasser waren die Fotografien des Amerikaners Ryan McGinley (*1977), mit dem Miley Cyrus eine enge Freundschaft verbindet. Die abgetrennten Finger, aus denen rosa Farbe quillt, oder die Würstchenparty sind eine Hommage an die oft als provokant bezeichneten Bilder des französischen Modefotografen Guy Bourdin (1928-1991). Der Totenkopf aus Pommes Frites ist nach dem Vorbild von Damien Hirsts diamantenbesetztem Schädel „For the Love of God“ (2007) entstanden. 

Jetzt ist eure Meinung gefragt: Haben wir wichtige Musikvideos vergessen? Welche Clips sind eure Favoriten? Und welche Künstler*innen sollten eurer Meinung nach mal zusammenarbeiten?

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    „Humble“ von Kendrick Lamar

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