Back to Beige
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Im Gespräch mit der wohl mächtigsten Trendforscherin der Welt, Lidewij Edelkoort

Das Revival der Farbe Beige ist inzwischen überall angekommen und somit längst keine Innovation – Aber warum fühlen wir uns von dem neutralen Ton so angezogen?

Als mir die Idee für diesen Artikel kam, nämlich etwsa zum Comeback der Farbe Beige zu schreiben, dachte ich, nichts leichter als das! Ich schreibe einfach darüber, dass die Farbe früher einmal Renter*innen vorbehalten waren, dass sie anschließend zum Symbolträger für Spießigkeit und Langeweile wurden (und muss direkt an die Szene aus „Sex and the City“ denken, in der Mr. Big der Ehe mit seiner zweiten Frau, Natasha, überdrüssig ist und sich vor Carrie über die vorherrschende Langeweile beschwert.

„Everything […] is now beige. Beige is bullshit“, beschreibt er sinnbildlich das Eheleben in seiner Wohnung). Beige bedeutete Langeweile. Anschließend würde ich – so stellte ich es mir vor – mit humorvoller Sprache darlegen, wie Beige zur Trendfarbe lancierte und dafür würde ein Blick auf den Runway oder in die aktuellen Modemagazine schon reichen. 

In der Theorie war alles gesetzt, mein Bild zur Farbe Beige schien bereits in Stein gemeißelt. Doch dann sah ich plötzlich, wie sich meine Finger verselbstständigten und eine E-Mail an die wohl mächtigste Trendforscherin der Welt tippten, nämlich an Lidewij Edelkoort. Es könnte ja nicht schaden, auch sie einmal nach ihrer Meinung über den Namensgeber unseres Onlinemagazins zu fragen und ich staunte nicht schlecht, als ich wenig später eine Antwort erhielt, die allen meinen simplen Plänen einen Tritt in den Hintern verpassten. Seitdem sind mindestens sechs Artikelentwürfe in die Papiertonne gewandert. Beige ist nämlich alles andere als einseitig, wie Lidewij Edelkoort mir zweifelsohne klarmachte. Ich habe ihr fünf Fragen gestellt:

Foto: Thirza Schaap

„ Befreit von 0815-Grundlagen, reflektieren die neuen Beigetöne das wachsende Bewusstsein für geschlechtsneutrale Prinzipien in der Gesellschaft. “

Lidewij Edelkoort

Liebe Lidewij, wie findest du die Farbe Beige?

Arme Beigetöne! Immer sollen sie schlicht und vertrauenswürdig sein, immer bereit, die Grundlagenarbeit zu machen, eher trüb und verstaubt und in einfachen Stoffen gehalten. Sie sind ihrer Kreativität beraubt, konzeptionslos zu Gebrauchsgegenständen arrangiert und dienen der casual Modeindustrie. 

Wie denken Menschen aktuell über Beige?

Diese Wahrnehmung ändert sich, wenn Beigetöne für Couture-affine Stoffe verwendet werden. In schwerer Seide und Organza oder Satin für Abendkleider und Cocktailanzüge, Sommer-Smokings und schicke Frühlingsmäntel, beginnen diese Farbtöne diskret zu schimmern, zu glänzen und beginnen, von einer Karriere bei den Oscars zu träumen.

Und was muss sich ändern, damit wir in Zukunft mehr Beige auf dem roten Teppich sehen?

Mit der Aura von Perlen verbunden, wird Beige in der Zukunft leicht glamourös sein, mit sanftem Schimmer statt zu viel Glanz. Ihre reflektierende, an eine Auster erinnernde Qualität sowie ihre anregende und zugleich warme Opulenz heben das Beste aus den Beiges hervor und erheben sie zu legendären Farben, die eine neue Ebene des Designs ansprechen.

Die Devise lautet also „Back to Beige“?

Befreit von 0815-Grundlagen, reflektieren die neuen Beigetöne das wachsende Bewusstsein für geschlechtsneutrale Prinzipien in der Gesellschaft. Gerade die Universalität von Beige, das dadurch so inspirierend wird, kontrastiert mit makellosen, klaren weißen Akzenten, macht Beige zur Trendfarbe.

Du hast gerade von geschlechtsneutralen Prinzipien gesprochen. Ist Beige also nicht nur Trendfarbe, sondern ein Politikum? 

Kombiniert verkörpern Beige und Weiß die Idee, dass Gender-Fluidität solide, bodenständige Kleidung erfordert, um Menschen zusammenzubringen. Beige: ein stiller und minimalistischer Ort, um man selbst zu sein. 

Nach dem Gespräch mit Lid scheint es, als könnte dem Revival der Beigetöne nichts mehr im Wege stehen! „Beige: ein stiller und minimalistischer Ort, um man selbst zu sein“, der letzte Satz meines Gesprächs mit Lidewij Edelkoort hallte in mir nach. Wenn das mal nicht den aktuellen Zeitgeist trifft. 

Ich suche nach weiteren Stimmen zur Farbe Beige und wer wäre dafür passender als unsere Chefredakteurin Marie? In den Untiefen des Internets, arbeitete ich mich also bis zum allerersten Artikel von BEIGE durch, zur Geburtsstunde dieses Magazins quasi. Da stoße ich auch schon auf einen Satz, der anschauliche Worte für das findet, was auch Lidewij Edelkoort mir erklärte.

Beige ist genderfluid. „Beige ist weder pink noch blau. Und schwarz-weiß denken wir hier auch nicht“, schreiben Marie und ihre Mitgründerin Lisa in ihrem ersten Manifesto (hier geht’s übrigens zu besagtem Artikel!) und ich kann mir bei der Vorstellung kein Schmunzeln verkneifen, all die Senior*innen, die ihre spießig-beigen Anoraks spazieren trugen, hätten gewusst, zu welcher Symbolkraft dieser Ton einmal gelangen würde. 

Bereits seit einigen Jahren klopfen Ästhetikfans, Labels und Co. den Beigetönen ihren Staub ab. „Ich lebe manchmal in meiner beigen schwarz-weiß-Welt mit Kaffeecups und Buchbildern“, verriet uns das Ausnahmetalent Yasmine C. M’Barek im Interview (das ich übrigens nur wärmstens empfehlen kann und zu dem ihr hier gelangt!).

Ein neuer Trend lässt sich beim Blick in verschiedene Modemagazine dann aber doch noch feststellen und der lautet, Synonyme für Beige zu finden. Okay, okay – vielleicht bin ich einfach zu schlicht und ja, natürlich ist mir bewusst, dass zwischen Coconut Cream, Sandfarben und Camel einige Farbnuancen liegen. Aber Fakt ist, dass Beige (wie auch immer man den expliziten Ton gerade nennen mag) ganz hervorragend zu kombinieren ist. Als schlichter Begleiter genauso wie in der Hauptrolle des Outfits. In der Garderobe ebenso wie im Interior und Design. Mit Beigetönen lässt sich spielen, sie versprühen Leichtigkeit und verleihen gleichzeitig eine gewisse Tiefe. Und genau darum wird es in diesem Jahr gehen.

Weshalb, darüber habe ich mit der Designerin und Trend-Expertin Anne Bernecker gesprochen, die sagt: „Die zwei letzten Jahre waren nicht nur eine große Herausforderung für uns alle, noch dazu hat die Pandemie auch extrem polarisiert. Was uns eint, ist die Sehnsucht nach besseren Zeiten, in denen wir unsere Sorgen vergessen, uns wieder unbeschwert, fröhlich und auch verbunden fühlen. Und diese Sehnsucht nach Leichtigkeit wird sich dieses Jahr vor allem auch der Mode widerspiegeln. Wir werden spielerisch mit Farbe und Silhouetten umgehen, mehr experimentieren und die Mode als unser Ausdrucksmittel zelebrieren.” Und welche Grundlage eignet sich dafür besser als Beige? 

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