DienstArt – Die Kunstkolumne: Take your broken heart, make it into art
Über verflossene Liebe und die Kunst, daraus Kunst zu machen
Über verflossene Liebe und die Kunst, daraus Kunst zu machen
Breakups are hard! Es gibt diesen Liebeskummer, der uns an der eigenen Vernunft, allen tröstenden Worten und jeglichen bisher gefassten Prinzipien zweifeln lässt. Diejenigen, die von dieser Art Gefühlschaos bisher verschont geblieben sind, haben den berüchtigten Herzschmerz vermutlich im nahen Umfeld miterleben können und sind daran ebenfalls ein bisschen zerbrochen. Mit verflossener Liebe ist es nicht immer einfach: Wir wollen sie vergessen, verfluchen sie oder hängen noch mehr an ihr, als wir uns eingestehen wollen. Natürlich ist auch der Berufszweig der Künstlerinnen und Künstler nicht vor gebrochenen Herzen gefeit. Die heutige Kunstkolumne beschäftigt sich mit Kunst, die aus Liebeskummer entstanden ist. Frei nach Carrie Fisher: „Take your broken heart, make it into art“.
Erst vor wenigen Tagen wurde im britischen Auktionshaus Sworders ein Gemälde von Pete Doherty, seines Zeichens Sänger der britischen Bands Babyshambles und The Libertines, zum Verkauf angeboten. Das Werk, das den Titel „Self-Portrait with Kate Moss“ trägt, wurde mit Dohertys Blut gemalt und zeigt eine abstrakte Darstellung von ihm und seiner ehemaligen Partnerin. Moss und Doherty führten zwischen 2005 und 2007 eine durchaus turbulente und öffentliche Beziehung, im Jahr der Trennung entstand das besagte Selbstporträt. Auf dem deutschen Markt wurden in den letzten Jahren ebenfalls mehrere Werke des Sängers verkauft, in denen Blut eine zentrale Rolle spielte. Und auch mit Amy Winehouses Blut soll der Sänger ein Gemälde fabriziert haben. Wer sich noch an die zahlreichen Eskapaden Dohertys erinnert, bei denen er unter anderem im Drogenrausch Journalist*innen mit seiner Körperflüssigkeit bespritzte, merkt schnell: Blut und Pete Doherty gehören zusammen wie Pommes und Ketchup.
Worin liegt nun der Reiz an so einem Blutgemälde? Offen gestanden: Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es die schräge Sehnsucht nach der Vergangenheit, als Pete und Kate noch ein Paar, Großbritannien in der EU und Amy Winehouse noch am Leben war. Besonders innovativ ist die Malerei mit Blut nicht, man erinnere sich an die Fluxusbewegung und Happenings der 1960er Jahre, in dessen Rahmen Körperflüssigkeiten und Exkremente künstlerische Hochkonjunktur hatten. Besonders innovativ sind Dohertys Gemälde also nicht. Die Thematisierung seiner Exfreundin ist hingegen zeitlos, denn mit der Kommerzialisierung verflossener Liebe steht er in der Kunstwelt nicht alleine da.
via wikiart.org
Man denke zum Beispiel an das wohl bekannteste Paar der Performance-Art, Marina Abramović und Ulay. Die Künstlerin und der Künstler waren in den 70er und 80er Jahren zusammen und arbeiteten in dieser Zeit an mehreren gemeinsamen Projekten. Drei Monate lang wanderten sie auf der Chinesischen Mauer aufeinander zu, am Ende der Performance sollte die Hochzeit stehen. Stattdessen trennten sie sich bei ihrem Wiedersehen. Trotz alledem war die verflossene Liebe immer wieder öffentlichkeitswirksamer Mittelpunkt ihrer Arbeit. Als Abramović 2010 ihre Performance „The Artist is Present“ im New Yorker MoMa durchführte, bei der sie wochenlang fremden Leuten gegenüber saß und ihnen in die Augen blickte, nahm plötzlich Ulay ihr gegenüber Platz. Und das, nachdem die beiden über 20 Jahre nicht miteinander gesprochen hatten. Nicht nur die Künstlerin war zu Tränen gerührt, auch die Presse war verzaubert und das Marketingspektakel perfekt. Doch ganz so rosig sah es nicht immer aus: Die öffentliche Schlammschlacht war aufsehenerregend, unter anderem verklagte Ulay Abramović aufgrund verletzter Urheberrechte. Mittlerweile ist auch ein Film über die Beziehung erschienen, der den Mythos der Seelenverwandtschaft weiter anheizt.
Mit Frida Kahlo und Diego Rivera fanden sich zwei Sterne der mexikanischen Moderne. 1929 heiratete Kahlo den 21 Jahre älteren Künstler, die Ehe war geprägt von zahlreichen außerehelichen Liebschaften auf beiden Seiten. Rivera hatte sogar eine Affäre mit der Schwester seiner Gattin. Nach zehn bewegten Jahren ließen sich die beiden 1939 scheiden, kamen aber schon ein Jahr später wieder zusammen und heirateten erneut. Viele Werke Frida Kahlos sind geprägt vom physischen und psychischen Schmerz, den sie in ihrem Leben erfahren hat. Mit 18 erlitt sie bei einem Unfall schwerste Verletzungen, die sie bis zu ihrem Tod beeinträchtigten. Ein Zitat der Künstlerin lautet: „There have been two great accidents in my life. One was the trolley, and the other was Diego. Diego was by far the worst.“ Das Werk „Diego On My Mind (Self-portrait as Tehuana)“, das sie 1940 begann aber erst 1943 beendete, verdeutlicht ihr Selbstbild in der turbulenten Zeit ihrer Trennung. Kahlo trägt hier die traditionellen Gewänder der mexikanischen Stadt Tehuantepec, die für ihre matriarchalische Gesellschaft bekannt ist. Obwohl Frauen dort eine tragende Rolle spielen und in gewissen Räumen große Macht haben, sind die politischen Machthaber zu großen Teilen männlich. Die Darstellung als Tehuana zeigt, dass sich Kahlo zwar als emanzipiert wahrnahm, Diego jedoch ein wichtiger Teil ihres Lebens, im wahrsten Sinne auch ihres Körpers, war.
Wer von euch hat schon mal einen Freund oder eine Freundin zurate gezogen, um eine zweifelhafte SMS zu analysieren? Nun, ihr seid nicht die einzigen: Auch Sophie Calle hat diese Taktik für ihr Werk „Take Care of Yourself“ angewandt. Alles begann mit einer Mail, in der mit der Künstlerin Schluss gemacht wurde. Die letzten Worte lauteten: „Take care of yourself.“ Doch Calle wusste sich zu helfen: Sie fragte 107 Frauen (und einen Papagei) nach ihrer Deutung des Briefs und nach möglichen Reaktionen. Analysen, Interpretationen, Kritik – alles war erlaubt. Die gesammelten Ergebnisse wurden ausgestellt und die fiese Mail - mal mehr und mal weniger konstruktiv - zum Kunstwerk. Calle fand so einen kreativen Weg, die letzten Worte der Mail zu beherzigen und den Trennungsschmerz angemessen zu verarbeiten.
© Sophie Calle, Courtesy of Galerie Perrotin
Jenny Rovas Arbeit „I would also like to be - A work on jealousy“ ist kritisch zu betrachten. Die Künstlerin beschäftigt sich mit dem Thema Eifersucht. Viele werden sich vielleicht ertappt fühlen, denn Rovas Vorgehensweise ist ziemlich verbreitet. Den Ex stalken? Durch Social Media leider ziemlich einfach. Das dachte sich auch die Künstlerin nach ihrer Trennung und nahm einfach weiterhin am Leben ihres Exfreundes teil. Auch dann, als dieser es bereits mit einer anderen Person teilte. Für ihre Arbeit nutzt Rova seine öffentlich geteilten Fotos und montiert sich selbst in die Bilder hinein. Die Ergebnisse zeugen von blinder Eifersucht und Grenzüberschreitung. Too much?
Apropos too much: Sebastian Errazuriz‘s Werkserie „12 Shoes for 12 Lovers“ lässt sich nur schwer aushalten. Der Designer hat zwölf Schuhe entworfen, die jeweils metaphorisch für eine seiner verflossenen Liebschaften stehen. Benannt wurden die Heels nach typischen Charaktereigenschaften seiner Ehemaligen, so zum Beispiel „Golddigger“ oder „The Rock“. Die dazu veröffentlichten Short-Stories reichen von misogyn bis unfreiwillig komisch, die Schuhe sind auf ihre Art einzigartig. Vielleicht kann man den Frauen nur dazu gratulieren, nicht mehr mit diesem Mann zusammen zu sein?
Mit „My Bed“ von Tracey Emin habe ich mich ja schon im Rahmen der Bettkolumne beschäftigt. Die Künstlerin stellte 1999 das Bett aus, in dem sie ihren schlimmsten Liebeskummer durchlebt hatte. Alte Zigarettenstummel, leere Wodkaflaschen und zerwühlte Kissen zeugen von diesem tagelangen „Bed-In“. Emins erste Soloausstellung in der White Cube Gallery in London nannte sich „Those Who Suffer Love“ und beschäftigte sich mit weiteren Werken rund um das Thema Liebe(skummer). Gezeigt wurde unter anderem auch eine Neonschrift mit dem Titel: „Oh Christ I just wanted you / to Fuck me / and Then / I Became Greedy, I wanted / You to Love me“. Kommt das irgendwem bekannt vor?
Welches Werk hat euch am meisten berührt oder missfallen? Habt ihr noch weitere Beispiele für den kreativen Umgang mit Liebeskummer? Heartbreak hat viele Gesichter, auch in der Kunst. Allen gemein sind unser heimlicher Voyeurismus und das Interesse an pikanten Details, intimen Einblicken und ein bisschen Herzblut. Egal wie, wo und wie lange – gelitten wird immer. Und das können wir alle ein bisschen nachvollziehen. Wenn es stimmt, dass bei Liebeskummer unsere hässlichsten Seiten zum Vorschein kommen, warum dann nicht das Beste daraus machen?