Beyoncé, Bling-Bling und Basquiat

Beyoncé, Bling-Bling und Basquiat

Beyoncé und Jay-Z werben vor einem Gemälde von Jean-Michel Basquiat für Tiffany & Co. Wie passt das zusammen?

Beyoncé und Jay-Z werben vor einem Gemälde von Jean-Michel Basquiat für Tiffany & Co. Wie passt das zusammen?

Die Nachricht schlug ein wie ein - Achtung, Juwelenwitz - Granat: Am Montag präsentierte das Schmuck-Label Tiffany & Co. seine neue Kampagne mit dem Titel „About Love“. Prominente Unterstützung bekommen sie dabei von Jay-Z und Beyoncé: Das Ehepaar hat sich zusammen in einem modernistischen Haus in Bel Air ablichten lassen und trägt ganz casual die hochkarätigen Schmuckstücke des Imperiums. Beyoncé hängt ein Diamant mit stolzen 128,54 Karat um den Hals und Jay-Z führt eine Brosche von Jean Schlumberger mit dem Namen „Bird on a Rock“ spazieren. Es ist die erste gemeinsame Marketing-Aktion der Sängerin und ihres Mannes.

Neben dem berühmten Paar ist auf den Fotos des Luxusjuwelierhauses aber noch etwas anderes Spannendes zu sehen: ein bisher unveröffentlichtes Kunstwerk von Jean-Michel Basquiat. Das Gemälde mit dem Titel „Equals Pi“ ist im Jahr 1982 entstanden und wurde erst kürzlich von Tiffany & Co. angekauft.

In einem Video, das das Luxus-Label außerdem veröffentlicht hat, sitzt Beyoncé am Klavier und performt den Song „Moon River“ aus dem Film „Breaktfast at Tiffany's“. Auch hier hängt im Hintergrund das markante Gemälde an der Wand. Die Atmosphäre der Kooperation wirkt distanziert: Nicht nur, weil Jay-Z irgendwie nicht ganz bei der Sache zu sein scheint, sondern auch deswegen, weil der dritte Star, Basquiats Kunstwerk, eher wie ein modisches Accessoire präsentiert wird. Die eigentliche Hauptrolle spielen, das wird schnell klar, die dicken Klunker. Marie hat hier tagesaktuell über die Kooperation berichtet und nannte sie ein „Match made in heaven“. Aber ist die Zusammenarbeit wirklich so himmlisch, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint? Das gucken wir uns heute mal genauer an.

Ein Kunstwerk in Tiffany Blue

Wo wir schon von Kühle sprechen: Schnell springt die markante Farbe des quadratischen Gemäldes ins Auge. Der Grundton von „Equals Pi“ ähnelt dem berühmten "Tiffany Blue", das gemeinhin auch als „Rotkehlchen-Ei-Blau“ bezeichnet wird. Ebenso wie Milka-Lila oder Facebook-Blau ist auch diese Farbe stark mit der dazugehörigen Marke verknüpft und ein eindeutiges Erkennungsmerkmal des Schmuck-Giganten Tiffany. Falls „Equals Pi“ also eine konkrete Anspielung auf das Imperium sein sollte, ist es eine gute: Spätestens seit den 1960er-Jahren, als der Film „Breakfast At Tiffany's“ mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle erschien, ist die Marke Millionen Menschen ein Begriff.

Gucken wir mal genauer hin: Auf der Leinwand sind einige Buchstaben und Satzfragmente verstreut, darunter „Knowledge of the cone“, „Amorite“, „Ten Yen“ und „dunce“. Dazwischen Kronen (das Markenzeichen des Künstlers), Kegel, angedeutete Gesichter und einige Zahlen. Hier zeigt sich Basquiats Faszination für Symbole und die Verwendung von Text-Bruchstücken.

„Knowledge of the cone“ könnte eine Anspielung auf mathematische Gleichungen sein, die ebenfalls auf dem Gemälde angedeutet sind. Dazu passt auch der Titel des Werkes, der sich auf die Kreiszahl Pi bezieht. Mit der Bezeichnung „Ten Yen“ ist eventuell die japanische Währung Yen gemeint – ebenfalls ein Zahlenspiel. Bei Amoriter*innen handelt es sich um Mitglieder semitischer Gruppen, die im dritten und zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung im heutigen Syrien, Mesopotamien und Palästina gelebt haben. Hier wird die ganze Sache schon undurchsichtiger. Und „dunce“ ist die US-amerikanische Bezeichnung für einen Dummkopf.

Was lernen wir daraus? Sind nun alle Käufer*innen von Diamanten große Dummköpfe? Oder hat Basquiat auf der Leinwand schon mal vorgerechnet, wie teuer einen so ein Klunker zu stehen kommt? Nun, wirklich schlauer sind wir nach eingehender Betrachtung nicht. Außer des markanten Grundtons des Gemäldes gibt es jedenfalls kein Indiz, das für einen klaren Bezug zu Tiffany & Co. spricht.

Wie kommt das Gemälde nun in die Hände des Schmuck-Unternehmens? Seine Spur verliert sich in den 80er-Jahren immer wieder, vermutlich ist es durch mehrere private Sammlungen gewandert. 1996 wurde „Equals Pi“ dann beim Auktionshaus Sotheby's angeboten und für rund 253.000 US-Dollar verkauft. Das Gemälde gelangte in den Besitz des italienischen Schmuckimperiums der Familie Sabbadini. Im Zuge einer groß angelegten Homestory im Jahr 2018 luden diese ein Foto-Team in ihre luxuriösen Gemächer in Mailand ein. Neben Werken von George Condo, Damien Hirst und Anselm Kiefer war auch Basquiats „Equals Pi“ zu sehen und schmückte die Wand über dem Sofa.

Auch der französische Milliardär Bernard Arnault ist bekennender Fan von Basquiat und besitzt laut eigener Aussage mehr als ein Dutzend Gemälde des Künstlers. Ganz nebenbei ist Arnault Vorstandsvorsitzender und CEO des Luxusgüter-Konzern LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton). Erst Anfang des Jahres kaufte LVMH die Firma Tiffany & Co. vollständig auf. Und augenscheinlich nicht nur die: Mittlerweile zählt auch „Equals Pi“ zu den Spitzenstücken der Familie Arnault.

Liebe und Diamanten

Wenn eine Kampagne „About Love“ heißt, dann muss man natürlich auch die Sache mit der Liebe unter die Lupe nehmen. Wie schon erwähnt, wirkt die Stimmung zwischen Beyoncé und Jay-Z auf den Fotos eher unterkühlt. Aber man muss sich ja auch nicht immer in den Armen liegen, wenn es um große Gefühle geht. Vonseiten des Unternehmens heißt es: „Beyoncé und Jay-Z sind der Inbegriff der modernen Liebesgeschichte. Wir können uns kein ikonischeres Paar vorstellen, das die Werte von Tiffany besser repräsentiert.“

Hier habe ich dann doch noch ein paar Fragen. Erstens: Woher kommt eigentlich die unumstößliche Theorie, Liebe ließe sich durch Schmuck besonders gut zeigen? Ich bin sicher, dass es irgendetwas mit Kapitalismus zu tun hat. Aber lassen wir den Aspekt mal außen vor. Eine Sache, die ziemlich sauer aufstößt, ist das Bild der „modernen Liebesgeschichte“. Was genau macht das Unternehmerpaar zum Idealbild der Liebe?

Ob Romeo und Julia, Siegfried und Roy oder Beyoncé und Jay-Z – jede Zeit hat ihre Paare, die als Prototypen der Einigkeit gelten. Die Ehe der beiden Musik-Stars hat jedenfalls schon einige Höhen und Tiefen durchgestanden. Die Wut der Sängerin über die Seitensprünge ihres Ehemannes werden besonders in ihrem Song „Hold Up“ deutlich: „I smell your secrets, and I'm not too perfect. To ever feel this worthless. How did it come down to this? Scrolling through your call list. I don't wanna lose my pride, but I'ma fuck me up a bitch.“ Klingt nach Stress, ist aber nichts, was man nicht mit einer Handvoll Diamanten retten könnte...

Zweite Frage: Warum zur Hölle machen Beyoncé und Jay-Z da überhaupt mit? In der Vergangenheit stand die Firma Tiffany & Co. eher für einen Lifestyle reicher weißer Upper-Class-People in New York, die sich gerne mit ausladendem Schmuck behängen.

Immerhin ihre gemeinsame Liebe zur Kunst hat das Musiker-Paar in den vergangenen Jahren schon mehrfach deutlich gemacht: Jay-Z kollaborierte unter anderem mit Marina Abramović, Beyoncé mit Arthur Jafa. Mit dem Videodreh von „Apeshit“ im Louvre schossen die beiden den kunsthistorischen Vogel ab. Die Message war eine überzeugende: Ein ursprünglich weiß konnotierter Ort, das Museum, wurde von Bey und Jay eingenommen und zu ihrem Ort gemacht. Eine großartige Produktion.

Was die Kollaboration mit Tiffany & Co. angeht, ist diese Sinnebene weniger deutlich. Obwohl es natürlich ein Schritt in die richtige Richtung ist, dass das Label mit zwei, eigentlich ja sogar drei Schwarzen Künstler*innen wirbt, schreit die Kampagne einfach nur „Schaut her, wir sind jetzt auch sehr reich!“ Zumal der Schmuck, mit dem sich die Sängerin zeigt, seine ganz eigene Geschichte hat:

Die Kolonialgeschichte des Riesen-Klunkers

Via Twitter

Der Tiffany-Diamant gilt als ikonisch: Der 128,54 Karat schwere Klunker wurde 1877 in den Kimberley-Diamantminen in Südafrika entdeckt und im Jahr darauf von Charles Lewis Tiffany, dem Gründer des Unternehmens, für 18.000 US-Dollar erworben. Seitdem wurde er, so munkelt man zumindest, nur von drei Frauen getragen: Mary Whitehouse war 1957 die erste Frau, die sich mit dem Diamanten schmücken durfte. Als Ehefrau des Diplomaten Edwin Sheldon Whitehouse, der Botschafter in Guatemala und Kolumbien war, schien sie das ideale Aushängeschild des Schmuckstücks zu sein. 1961 wurde der Diamant von Audrey Hepburn für die Fotoaufnahmen des Films „Frühstück bei Tiffany“ getragen. Und schließlich führte ihn Lady Gaga zur 91. Oscar-Verleihung spazieren.

via Twitter

Beyoncé ist nun die erste Schwarze Frau, die sich den berühmten Tiffany-Diamanten umhängen darf – und wird dafür zu Recht kritisiert: Viele sehen den Stein als Symbol für den Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent. 1877 stand Südafrika unter britischer Kolonialherrschaft, afrikanische Bergleute arbeiteten unter miserablen Bedingungen für die „Entdeckung“ des Diamanten, der anschließend teuer verkauft und zum Luxusgut erkoren wurde.

Gegen diese Form der Kritik wollte sich das Unternehmen wohl absichern: Die neue Führung rühmt sich mit sozialer Verantwortung und hat sich im Zuge der Zusammenarbeit mit Beyoncé und Jay-Z dazu verpflichtet, PoC-Bildungseinrichtungen der HBCU (Historically Black Colleges and Universities) mit zwei Millionen US-Dollar zu unterstützen. Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack: Sind wir aus dem Zeitalter des Diamantenfiebers nicht mittlerweile raus?

Basquiat dreht sich im Grabe um – oder doch nicht?

Und dann ist da noch die Sache mit Basquiat: Der US-amerikanische Künstler wurde 1960 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren und war einer der ersten Schwarzen Maler, der sich in der weißen Kunst-Bubble Nordamerikas einen Namen machte. Seine Arbeiten sind dynamisch, radikal und stark inspiriert von der Musikszene der 1970er- und 80er-Jahre. Basquiat liebte Street Art, gleichzeitig aber auch Marken und Logos sowie die immer stärker werdende Konsum- und Werbewelt der USA.

Als das Bild 1982 entstand, war Basquiat auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Er war auf der documenta in Kassel zu sehen, hatte Einzelausstellungen in New York, Los Angeles und in Teilen Europas. Nur wenige Jahre später, 1988, starb er an einer Überdosis Heroin. Man könnte sagen, Basquiat hat eine Brücke zwischen zwei Welten geschlagen, in denen er gleichsam zu Hause war. Ihn zu kategorisieren fällt schwer – ihn posthum einzuschätzen, ist nahezu unmöglich.

Uniqlo, Comme des Garçons, Supreme – all diese Marken haben schon mit Basquiat „kollaboriert“. Verantwortlich dafür ist „The Estate of Jean-Michel Basquiat“, der den Künstler nach seinem Tod vertritt, seinen Nachlass verwaltet – und eben mit großen Labels zusammenarbeitet. Mittlerweile gab es dutzende T-Shirt- und Skateboard-Kollaborationen sowie Stiefel, Rucksäcke und Uhren mit den Zeichnungen und Malereien Basquiats. Es verwundert also wenig, dass nun auch Tiffany & Co. auf diesen Zug aufgesprungen sind. Mehr als dreißig Jahre nach seinem Tod ist es allerdings unmöglich, festzustellen, ob Basquiat die Kooperation gutgeheißen hätte oder ob eine derartige Kommerzialisierung gegen all das spricht, wofür er stand.

Eins steht fest: „Equals Pi“ als eine Hommage des Künstlers an das Schmuck-Imperium zu betiteln, ist sehr gewagt. Obwohl das Gemälde farblich perfekt in Tiffanys Corporate Identity passt, gibt es keinen Beleg dafür, dass Basquiat beim Malen an das Label gedacht hat. Um es mit den Worten des Künstlers zu sagen: „If you wanna talk about influence, [...] then you’ve got to realise that influence is not influence. It’s simply someone’s idea going through my new mind.“ Es könnte also genauso gut sein, dass sich Basquiat von Schlumpfeis oder einem Rotkehlchen-Ei hat inspirieren lassen.

Tiffany & Co. kann das aber egal sein - der Marketing-Stunt ist in jedem Fall geglückt. Auf Twitter kommentiert man sich die Finger wund und das Video von Beyoncés Gesangseinlage wurde tausendfach geklickt. „Equals Pi“ wird von nun an übrigens dauerhaft in Tiffanys Flagship-Store in New York zu sehen sein und sicherlich zahlreiche Besucher*innen anlocken, die das bisher kaum gezeigte Gemälde begutachten möchten. Etwas Gutes hat die ganze Aktion nämlich in jedem Fall: Die Öffentlichkeit kann sich über ein neu aufgetauchtes Basquiat-Gemälde freuen.

Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.

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