Print's not dead! Warum Kunst kein Vermögen kosten muss

Print's not dead! Warum Kunst kein Vermögen kosten muss

Wir sprechen mit zwei Expertinnen über Editionen, Prints und preiswerte Kunst

Wir sprechen mit zwei Expertinnen über Editionen, Prints und preiswerte Kunst

Sitzt ihr auch gerade vor einer kahlen Wand, die ein bisschen Kunst vertragen könnte? Interessiert ihr euch für Kunst, könntet euch aber niemals auf ein Werk festlegen? Say no more - die Antwort heißt Print! Heute zeigen wir euch, warum Drucke und Editionen der ideale Einstieg in die Welt des Kunstkaufs sind.

Über die Frage, wie Kunst-Neulinge mit dem Sammeln anfangen können, haben wir gemeinsam mit euch auf unserem Panel Talk diskutiert. Heute möchten wir über Kunst sprechen, die kein Vermögen kosten muss. Das Zauberwort heißt „Editionen“: Sie ermöglichen nicht nur einen vergleichsweise günstigen Kunstkauf, ihr könnt euch auch Werke etablierter und aufstrebender Künstler*innen nachhause holen und müsst kein schlechtes Gewissen haben, wenn euch das Werk nach zwei Jahren nicht mehr gefällt. Aber der Reihe nach:

Bei Gemälden ist es ganz einfach: Es gibt meistens ein Unikat – und manchmal Kunstdrucke, die ihr zum Beispiel im Museumsshop kaufen könnt. Bei anderen Kunstrichtungen ist die Reproduktion, also die Vervielfältigung, hingegen Teil des Entstehungsprozesses. Dazu zählen zum Beispiel Drucktechniken wie Lithografie, Fotografie oder Fine Art Prints. Die Vervielfältigungen werden unter einer bestimmten Auflage verkauft - als sogenannte Edition. Das heißt, dass es eine bestimmte Anzahl von Einzelexemplaren gibt. Künstler*innen stellen ihre Arbeit also in begrenzter Anzahl zur Verfügung und machen sie so mehreren Menschen gleichzeitig zugänglich. Und weil es sich nicht um Unikate handelt, sind Editionen meistens relativ preiswert. Wie hoch die Auflage jeweils ist, bestimmt der Künstler oder die Künstlerin. Die Gesamtauflage wird dann durchnummeriert und jedes einzelne Werk signiert. Daher ist natürlich auch jeder einzelne Druck oder Abzug, der im Laufe des Produktionsprozesses entsteht, ein eigenständiges Kunstwerk.

Um alle weiteren Fragen zu klären, stehen uns heute zwei Expertinnen zur Seite: Mit Katharina Bauckhage von Artflash und Grafikdesignerin und Illustratorin Nadia Linek haben wir über Editionen, Prints und preiswerte Kunst gesprochen.

Katharina Bauckhage

Wenn sich jemand mit Prints auskennt, dann sie: Katharina Bauckhage ist die Gründerin der Online-Plattform Artflash. Alle zwei Wochen findet dort ein Flash-Sale statt, in dem jeweils zwei limitierte Editionen verkauft werden. Von Lithografien über Siebdrucke bis hin zu Fotografie ist hier alles dabei. Und neben Nachwuchskünstler*innen findet ihr auch Arbeiten etablierter Künstler*innen. Viele der Editionen bezieht Katharina Bauckhage aus Kunstvereinen. Daher können die hochwertigen Werke zu vergleichsweise günstigen Preisen angeboten werden. Ein richtiger Flash-Sale eben! Übrigens verschickt Artflash die Editionen auf Wunsch auch fertig gerahmt. Die Devise lautet: Kunst soll Spaß machen und nicht unnötig verkompliziert werden. Das bedeutet eben auch, sie bequem nachhause geliefert zu bekommen und nicht noch der Überforderung im Rahmenladen ausgeliefert zu sein.

Fast zehn Jahre ist es nun her, dass Katharina Bauckhage Artflash gegründet hat. Seitdem hat sie unzählige namhafte Künstler*innen im Programm gehabt. Wir sprechen mit ihr über kahle Wände in Zoom-Calls und die Dinge, auf die man beim Kauf von Editionen achten sollte.

Ist der Kauf von Editionen ein guter Einstieg in den Kunstmarkt?

Auf jeden Fall! Viele berühmte Künstler*innen haben Druckgrafik als Ausdrucksmedium neben ihrer sonstigen Arbeit genutzt – von Picasso über Bourgeois bis Dalì. Editionen sind also eine gute Möglichkeit, erschwingliche Arbeiten von Künstler*innen zu kaufen, die man verehrt. Abgesehen davon sind sie eine gute Geldanlage: Künstler wie Alex Katz haben in den letzten Jahren eine solche Preissteigerung erfahren, dass Editionen auch ein interessantes Investment sein können. Auch etablierte Sammler*innen kaufen immer mal wieder Editionen.

Mir ist aufgefallen, dass ihr viele Künstlerinnen im Programm habt, was leider eher selten ist. Ist das programmatisch?

Die meisten Editionen, die wir in Kunstvereinen aufspüren, sind schon fertig produziert und veröffentlicht. Etwa 80 Prozent davon sind von männlichen Künstlern. Irgendwann haben wir deshalb angefangen, mit Künstlerinnen zusammenzuarbeiten und selbst Editionen herauszugeben. Zum Beispiel mit Antje Engelmann, Bianca Kennedy oder Paula Doepfner. Wir haben natürlich auch Männer im Programm, bemühen uns aber, ein Gleichgewicht herzustellen.

Inwiefern hat die Pandemie das Online-Kaufverhalten von Kunst verändert?

Schon zu Beginn hatten die Leute viel mehr Zeit, sich mit Kunst zu beschäftigen - wegen abgesagter Skiferien oder Konferenzen. In der zweiten Welle waren es viele Menschen dann einfach Leid, bei Zoom-Konferenzen ständig blanke Wände im Hintergrund zu sehen (lacht). Wenn man sich so lange zu Hause aufhält, dann kann man sich ja auch mal was Schönes gönnen. Dieses Verlangen nach Kunst hat sich auch im Kaufverhalten widergespiegelt.

Träum mal ein wenig: Welche*n Künstler*in hättest du gerne mal im Programm?

Ich finde die Werke von Barbara Kruger total toll. Eine weitere Favoritin von mir ist Tracey Emin - und die Arbeiten von Marcel Dzama bewundere ich auch sehr.

Worauf sollte man beim Kauf von Editionen unbedingt achten?

Die Arbeit sollte nummeriert, signiert, vielleicht auch datiert sein. Wenn das Werk fertig gerahmt ist, befindet sich die Signatur auf der Rückseite - die Angaben sollten aber auf jeden Fall auf der Rechnung ausgewiesen sein. Nach einem Foto der Signatur kann man allenthalben fragen. Bei Fotografien ist es sinnvoll, sich vorher mit dem Konzept und der Staffelung der Auflage zu beschäftigen. Generell gilt: Viel vergleichen und die Augen offen halten. Wer sich regelmäßig mit Kunst beschäftigt, kriegt auch schnell ein Gefühl dafür.

Merci, Katharina, für deine tollen Tipps!

Nadia Linek

Vor fünf Jahren hat Nadia Linek damit begonnen, Porträts zu zeichnen. Die Illustratorin und Grafikerin zeichnet, scannt, bearbeitet – und verkauft ihre Werke anschließend als Fine Art Prints. Ihre Arbeiten zeigen Frauen, die sie und uns inspirieren: von Yayoi Kusama, über Rosa Parks bis Hilma af Klint. Dabei lässt sich die Künstlerin von Büchern, Serien oder aktuellen Nachrichten inspirieren. Was alle Frauen gemeinsam haben? Sie sind oder waren laut und meinungsstark!

Wer bei Nadia Linek kauft, erhält Arbeiten im A3-Format, wahlweise mit Passepartout und Rahmung. Jedes Jahr erstellt sie außerdem einen inspirierenden Kalender, den sie zuletzt in ihrem Online-Shop, bei She Said und Ocelot in Berlin verkauft hat. Abseits von Corona bietet sie außerdem Kunstworkshops für Frauen an - ziemlich unglaublich, was die Frau alles macht, oder?

Ihr seht: Papierarbeiten sind absolut ihr Ding. Aus diesem Grund sprechen wir mit ihr über ihre Editionen, die Sehnsucht nach Gesichtern und das beruhigende Gefühl einer Limitierung.

Wieso zeichnest du ausgerechnet Porträts?

Als Kunsthistorikerin weißt du ja, dass Porträts heutzutage keine besonders gute PR haben. Viele verbinden sie mit etwas Kitschigem, dabei waren sie bis zur Renaissance ein unheimlich beliebtes Thema. Aktuell fotografieren wir uns und andere ständig, Selfies sind überall. Wer braucht da noch Porträts? Und dann auch noch von einer fremden Frau?

Dabei entsprechen deine Arbeiten nicht dem klassischen Porträt, wie wir es aus dem Museum gewohnt sind.

Ich glaube, uns fehlen aktuell einfach Gesichter und die Beziehung zu anderen Menschen. Wir vermissen uns – besonders in dieser Zeit. Das schönste Kompliment, das ich von einer Kundin bekommen habe, war: „Ich mag diese Frauen - die sind so kaputt“ Es geht mir darum, die Realität zu zeigen. Was die Frauen erlebt haben, Falten, vermeintliche Makel. Nachdem ich den Film „What Happened, Miss Simone“ gesehen habe, musste ich Nina Simones Porträt zeichnen. Ich war so tief berührt und so traurig. So wollte ich sie auch zeigen, eben nach meinem Gefühl - und das sieht man auch.

Warum arbeitest du mit Fine Art Prints?

Als ich damit angefangen habe, habe ich gar nicht viel darüber nachgedacht. Ich liebe die Technik, weil es diese optische Täuschung gibt und man denken könnte, es handle sich um eine Lithografie. Dabei ist Fine Art Print ein Pigmentdruck, oder auch Giclée.

Das Wort kommt aus dem Französischen und beschreibt die Technik des Tintenstrahldrucks...

Genau! Das Tolle daran ist, dass es gar nicht peinlich ist, Sachen auszudrucken. Klar, ich arbeite zusammen mit einer Maschine - aber es ist kein Laserdruck, sondern man hat eine unglaubliche Auswahl an Pigmenten, Papiersorten und –qualitäten. Winzige, feine Tinten- oder Pigment-Tröpfchen werden dabei auf das Papier gesprüht. So ergeben sich unterschiedlichen Strukturen, die dem Druck ein variables Aussehen verleihen können. Die Farbe des Papiers hat einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Obwohl ich natürlich mein Lieblingspapier habe, wähle ich für jede Frau neu aus.

Welchen Vorteil hat es für dich, Editionen zu verkaufen?

Es beruhigt mich, zu wissen, dass die Edition limitiert ist. Was mir bei meinen Illustrationen wichtig ist, sind erreichbare Preise. Für 300 Euro kannst du schon ein Triptychon, also ein dreiteiliges Werk, kaufen. Das ist mit Print möglich. Es ist toll, mehr als eine Person damit zu erreichen. Da ich aber auch davon leben will, sind die Werke limitiert.

Wie entscheidest du, welche Auflage du wählst?

Man muss sich einfach festlegen. Natürlich könnte ich auch 200 Exemplare herstellen, aber es geht nicht um Massenproduktion, sondern soll auf eine konkrete Auflage beschränkt sein. Bei mir sind es zwischen 50 und 70 Exemplare pro Porträt. Manche Frauen sind natürlich bekannter und werden schneller erkannt, Fran Lebowitz zum Beispiel. Oder Ruth Bader Ginsburg – als sie starb, war das Interesse an ihren Porträts riesig. Ellen Johnson Sirleaf, die ehemalige Präsidentin von Liberia, ist wiederum weniger populär. Dann mache ich die Auflage kleiner.

Gibt es denn auch kleine Unterschiede im Druck?

Die gibt es natürlich, beispielsweise, wenn der Druck verspringt oder schief ist. Aber die Prints kann ich dann nicht verkaufen. Mein Ziel ist es ja gerade, genau das Ergebnis zu erreichen, das ich mir vorgenommen habe – von der Farbe, über die Struktur bis ins winzig kleinste Detail.

Danke, Nadia, für deine Expertise!

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Kleine Begriffskunde Editionen:

Vielleicht habt ihr ja auch schon mal merkwürdige Kürzel auf euren Editionen entdeckt. Wir verraten euch, was die wichtigsten Abkürzungen zu bedeuten haben.

EH/PA/AP = Artist Proof

Sogenannte „Artist Proofs“ sind Abzüge der Künstler*innen, die meistens schon der gewünschten Qualität entsprechen. Sie geben den Macher*innen ein Bild davon, wie die Auflage am Ende aussehen könnte. Manchmal werden auch diese Exemplare nummeriert, sie gehören allerdings nicht zur regulären Auflage. Da es sich bei einem „Artist Proof“ um eine der ersten Druckversionen handelt, ist diese oft heiß begehrt bei Sammler*innen.

PP = Printer’s Proof

Der „Printer's Proof“ bezeichnet die Zahl der Exemplare, die die Druckerei als Beleg erhält. Sie sind nicht für den Verkauf bestimmt und bleiben meistens als Archivmaterial in der Werkstatt.

EA/HC = Außerhalb des Handels

HC steht für „Hors de Commerce“, also Exemplare, die sich außerhalb des Handels befinden. Das kann sich auf Arbeiten beziehen, die die Künstler*innen für sich behalten möchten, aber auch auf Geschenke für Freunde der Künstler*innen, für Museen oder andere Institutionen.

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