Abgekämpft und dauermüde – Geschichten einer Working Mum

Abgekämpft und dauermüde – Geschichten einer Working Mum

Familienpolitiker*innen predigen es seit Jahren, Ragnhild sucht während ihres 40-Stunden-Praktikums vergeblich danach: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Familienpolitiker*innen predigen es seit Jahren, Ragnhild sucht während ihres 40-Stunden-Praktikums vergeblich danach: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Auf meiner persönlichen Karriereleiter bin ich bisher noch nicht so richtig vorangekommen. Allerdings war ich auch nie eine Frau, die von der Superkarriere und beruflichem Erfolg träumt. Ich träumte von Kindern und Familie, von einem gemütlichen Zuhause, von einem Job, dem ich nebenbei nachgehen kann. Am liebsten selbständig, aber bitte nicht in Vollzeit!

Nun ja, das mit den Kindern hat, wie ihr inzwischen alle wisst, wunderbar geklappt. Noch während meiner Abschlussphase der Modejournalismus-Ausbildung bin ich schwanger geworden und zur Zeugnisübergabe kam ich mit einem sichtbar gewachsenen Bauch, während alle anderen spannende Praktika und Jobangebote im Gepäck hatten. Ein Praktikum bei der Welt-Gruppe habe ich nach meinem Abschluss auch noch dran gehängt. Vierzig Stunden, nicht vergütet. Und dann habe ich meine Tochter bekommen. Ich war zwar nicht die Mutter, die 24/7 an ihrem Kind kleben wollte, aber da ich voll stillte, stand die Jobsuche in den ersten Monaten für mich nicht zur Debatte. Ich war völlig ausgelastet mit einem kleinen Baby, musste mich und alles um mich herum erst mal neu sortieren. Mein Interesse schwenkte von Mode und Interior zu Kinderkleidung, Erziehungskonzepten und Beikost. Und das war völlig in Ordnung!

Verzweiflung bei der Teilzeitjobsuche

Nach einem guten Jahr machte ich mich dann auf die Suche nach einem Teilzeitjob. Lasst mich euch sagen, weder die Journalismus- noch die Modebranche finden Teilzeit auch nur in irgendeiner Weise schick. Ich wollte 30 Stunden arbeiten (mit kleinem Kind ist das schon ganz schön viel), mit der Option, nach Möglichkeit Homeoffice zu machen. Doch das Wort, das 2020 in aller Munde ist, wollte 2018 noch niemand hören. Immerhin konnte ich mich bekanntlich als Freelancerin für Beige behaupten und für einige Eltern-Kind-Magazine schreibe ich ebenfalls regelmäßig. Einen 450-Euro-Job habe ich auch schnell gefunden. So hangelte ich mich also durch meinen ziemlich zusammengewürfelten Arbeitsalltag. Doch ich ging total gerne zu meiner Arbeit, bedeutete es doch, mal rauszukommen. Genauer gesagt: Dem Haushalt und dem ewig gleichen Buch, das meine Tochter 20 Mal am Tag vorgelesen bekommen wollte, zu entkommen. Ich war für mich, ich war unter Erwachsenen, ich unterhielt mich nicht in Babysprache – das alles war Gold wert. Meine Tochter ging in der Zeit bereits zu unseren großartigen Tagesmüttern und ich wusste sie sehr gut aufgehoben. Das war wichtig, denn wäre ich mir beim Betreuungsplatz unsicher gewesen, hätte ich nicht angefangen zu arbeiten. Und es ist absoluter Luxus, sich mit der Betreuung seines Kindes so wohl zu fühlen und überhaupt diese Möglichkeit zu haben.

Langer Rede kurzer Sinn: Es lief alles soweit gut und im September 2018 wurde ich wieder schwanger. Da die Jobsuche nicht so richtig gefruchtet hatte und ich mich nicht zwei Jahre voll und ganz auf eine Arbeitsstelle konzentrieren musste, bei der ich mich beweisen wollte, war es schlicht die nächstbeste Überlegung, noch ein Kind zu bekommen. Mein Sohn kam im Mai 2019 auf die Welt. Es war schön und anstrengend, zwei Kinder zu haben. Vor allem, wenn das eine gerade in die Autonomiephase kam. So geschah es auch, dass meine Milch, die ich meinem Zweitgeborenen mindestens für zwei Jahre zur Verfügung stellen wollte, nach drei Monaten versiegte. Also fing ich früher als gedacht wieder bei meinem Minijob an und nahm mir die Zeit, wieder öfter für besagte Magazine zu schreiben. 

Der große Umzug und Corona

Dann kam Corona, aber kurz davor zogen wir zurück in meine Heimatstadt Bonn. Meinen Minijob hatte ich natürlich zuvor aufgegeben, aber auch das Homeoffice, um weitere Artikel zu schreiben, gestaltete sich mit zwei Kindern eher schwierig, wenn ich das mal vorsichtig ausdrücken darf. Seit August geht die Große in den Kindergarten und seit September mache ich ein Praktikum im Kreißsaal. Vierzig Stunden in Schichtarbeit. Natürlich unbezahlt. Während ich weg bin, passt meine Cousine auf den Kleinen auf. Sie wohnt bei uns im Haus, was ziemlich praktisch ist. Wenn ich ihn noch irgendwo hinfahren müsste, würde unser ganzes – doch eher wackeliges – Konstrukt der Vereinbarkeit ziemlich schnell in sich zusammenfallen. Es braucht ein Dorf um ein Kind großzuziehen, diesen Satz habe ich immer wieder im Kopf. Er ist so wahr! Es braucht so viel gut durchdachte Planung, Logistik beinahe, um allen Bedürfnissen in einer Familie gerecht zu werden. Der Mann im Haus ist übrigens Vertreter und kann sich seine Arbeitszeiten Gott sei Dank recht frei einteilen, sodass auch er mal die Große vom Kindergarten abholen kann, oder mal für meine Cousine übernimmt, wenn sie einen Termin hat. 

Schlechtes Gewissen und keine Zeit für gar nichts

„ „Ich bin abgekämpft und es ist alles einfach viel. Ich bin im Verzug mit allem; und sei es nur eine kurze Nachricht an eine Freundin zu schreiben oder eine Rechnung zu bezahlen.“ “

Und ja, ich finde, dass ich meine Kinder im Moment zu selten sehe. Wenn meine Woche aus Spätschichten besteht, sehe ich die Große nur morgens bevor sie zum Kindergarten fährt. Unsere Abendrituale müssen aufgeschoben werden. Oft wünscht sie sich, dass ich sie wenigstens zum Kindergarten bringe. Und der Kleine hatte am Anfang ganz schön Schwierigkeiten, mich gehen zu lassen und bei meiner Cousine zu bleiben. Aber die wenige Zeit, die ich mit meinen Kindern verbringe, versuche ich aufzuwerten, indem ich nicht so schnell genervt bin, obwohl ich vielleicht gerade am liebsten nur schlafen würde. Das klappt natürlich nicht immer. Ich bin abgekämpft und es ist alles einfach viel. Ich bin im Verzug mit allem; und sei es nur eine kurze Nachricht an eine Freundin zu schreiben oder eine Rechnung zu bezahlen. An manchen Tagen laufe ich auf Sparflamme und mache nur das absolut Nötigste. Kochen, Putzen oder Aufräumen fallen da einfach oft flach. Nach Feierabend oder vor Schichtbeginn habe ich immer mindestens ein Kind um mich, ich habe wenig Zeit für mich, die ich eigentlich brauche und abends versacke ich viel zu oft vor Netflix. 

Aber zurück zu meinem Praktikum. Schichtdienst. Zum Glück keine Nachtschichten! Denn ohne die kann ich der Arbeit im Schichtbetrieb durchaus etwas abgewinnen. Man hat den Vor- oder Nachmittag Zeit, um Erledigungen zu machen und sitzt nicht von 9 bis 17 Uhr im Büro. Das mag ich eigentlich ganz gerne. Natürlich ist es nicht optimal abends erst um elf nach Hause zu kommen und auch um fünf Uhr morgens aufzustehen hat mich noch nicht zu Freudengesängen unter der Dusche verleitet. Aber trotzdem: Ich kann nachmittags oder am frühen Abend Freunde treffen, schaffe es auch mal zu kochen (wie gesagt, zwar sehr selten, aber prinzipiell wäre es möglich). Wenn ich Spätdienst habe, kann ich Sachen für die Kinder vorbereiten, mal ein bisschen Haushalt machen – der sich übrigens nie von allein macht, lasst euch das gesagt sein – oder eben auch mal schreiben. Aber es ist schon so, dass mich eine 40-Stunden-Woche sehr schlaucht.

Würde ich in meinem Praktikum Geld verdienen, würde ich übrigens eine Putzhilfe anstellen. Denn so oft ich auch aufräume, sauge, Wäsche mache, Chaos und Schmutz kriege ich nie dauerhaft unter Kontrolle. Die Wäscheberge türmen sich spätestens am nächsten Tag wieder hüfthoch. Natürlich liegt das an meinen zwei Kindern, die mit Vorliebe kleckern und alles, was ich hübsch ins Regal geräumt habe wieder ausräumen. Ich glaube, wenn man Kinder hat und so viel arbeitet (und es sich leisten kann), ist eine Putzhilfe wirklich eine gute Idee, um den Überblick nicht zu verlieren und ein kleines Zeitfenster für sich zu schaffen. Sei es zum Lesen, zum Sportmachen oder einfach dem In-Ruhe-Kinderklamotten-sortieren (was für mich dem Meditieren gleich kommt).

Wenn ich jetzt nach Hause komme, sehe ich Chaos und kann mich nicht von dem Gedanken befreien, dass ich ja noch Staubsaugen, das Bad putzen und das Bett frisch beziehen müsste. Das mache ich meistens aber sowieso nicht mehr, weil ich zu müde für alles bin. Immerhin ist das Aufräum-Putzverhältnis bei uns zu Hause sehr gerecht aufgeteilt und ich kann mich durchaus schon mal aufs Sofa legen, während mein Freund die Küche sauber macht. 

Fazit nach einem Monat? Müde ist gerade Dauerzustand und eine Putzhilfe plus ein kleines Praktikumsgehalt würden mein Leben um Längen erleichtern. Wenn der Tag fünf Stunden mehr hätte, auch. Wer schaukelt noch neben seinen Kindern einen 40-Stunden-Job? Erzählt doch mal!

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