Mutiger, bedeutungsvoller Content
Den wünscht sich Tim Sonntag von büro bungalow
Egal ob Unternehmen, Person oder Kulturinstitution: Alle machen Content. Doch was bedeutet das Wort überhaupt und wie sieht guter Content aus?
Zwei Jahre lang hat mich das büro bungalow intensiv begleitet: in Form unseres Relaunches und mit sechs tollen Interviews der Gründer*innen. Heute ist es nun so weit und zum Jahresende 2023 geht der (vorerst) „letzte“ Artikel online. Vorerst, weil aus der Zusammenarbeit von BEIGE und büro bungalow eine Freundschaft entstanden ist, die sicherlich auch in der Zukunft viele tolle Projekte und Themen bereithalten wird. Ich jedenfalls platze vor Ideen – und möchte den Austausch mit Laura, Yvonne, Tim, Markus, Alex und Niklas nicht mehr missen.
Das Interview mit Tim ist schon eine Weile her, hochschwanger saß ich mit ihm bei gefühlt 40 Grad auf einer Bank in einem Park in Berlin-Mitte – und wir redeten stundenlang über das Thema Influencer, Content Creation und die Berlin Fashion Week.
Tim, seines Zeichens Art Director und Fotograf im Team, hat nämlich viel spannenden Input zum Thema Content – tagtäglich beschäftigt er sich sowohl beruflich als auch privat mit Grafiken, Videos, Bildern und Texten, die Personen, Unternehmen und Kulturinstitutionen in die Welt hinausposaunen – mal mehr, mal weniger durchdacht. Tim hat auf jeden Fall viele tolle Vorschläge, wie Content in der Zukunft aussehen sollte ...
Tim, warum hast du Kommunikationsdesign studiert?
To be honest: Ich habe mich schon immer für Mode, Modefotografie, Inszenierung und Set-Design interessiert. Ich habe als Siebenjähriger Modenschauen in Omas Wohnzimmer mit meinen Cousinen organisiert. Unsere Mode damals waren Omas Wolldecken, das waren also obviously super heiße Looks. Aber ja, all das hat mich zum Kommunikationsdesign-Studium gebracht. Mode zu studieren hatte ich auch eine Zeitlang überlegt, aber meine Faszination war und bleibt die Fotografie. Menschen, Dinge und Mode zu inszenieren.
Was ist deine Rolle bei büro bungalow? / Wofür bist du der Experte?
Da ich büro bungalow vor über sieben Jahren mit gegründet habe, zum einen ganz bürokratisch Co-Founder, auf der anderen, gestalterischen Seite aber Fotograf und Art Director. Ich denke intern bin ich eher dafür bekannt, dass ich einen Ästhetik- und Haptik-Fetisch habe. Ich liebe Dinge zu gestaltend, die visuell spannend sind und sich gut anfühlen.
Was hat bungalow dich gelehrt?
Vor allem zwei Dinge: Die Welt hält immer das bereit, was du nicht erwartest, was es unglaublich spannend macht selbstständig zu sein, ich liebe diese Varianz. Außerdem hat büro bungalow mich gelehrt, mich auf das Wesentliche zu besinnen. Wir haben intern eigene spannende Arbeitsmodelle mit als auch ohne Mitarbeiter*innen ausprobiert und ich weiß nun für mich, wie ich in Zukunft arbeiten möchte.
Du hast gerade gesagt, dass du bei büro bungalow als Creative Director arbeitest. Was bedeutet das genau?
Kreativdirektion umschließt alle Bereiche und bedeutet, dass man sich um das Gesamtkonzept kümmert und eben nicht nur um Bild oder z.B. Ton.
Ihr betreut nicht nur kurzfristige Projekte wie Rebrandings, sondern auch langfristige Kunden wie Melitta oder bis vor kurzem auch Kneipp. Was macht dir mehr Spaß?
Ich finde beides cool, denn die Mischung macht es. Kurzfristige Projekte mag ich, weil man schneller agieren kann, die Deadlines überschaubar sind und die Kampagnen ganz gezielt nur einen gewissen Zeitraum laufen. Bei langfristigen Projekten kann man sein Wissen ausbauen und mit Learnings seine Arbeit noch besser machen. Dabei helfen einem Analysen von Performance und Co..
Wie helft ihr Kund*innen denn in Sachen Content?
Wir machen z.B. Content-Kampagnen, d.h. Produktionsshootings mit Filmen oder Reels, aber wir haben auch Jahrespakete, in denen wir monatlich für Kund*innen Content erstellen. Wichtig ist, dass man sich klar ist, was das Ziel des Contents sein soll. Oft kommen Brands auf uns zu und sagen: „Wir müssen neuen Content erstellen“, aber sie wollen damit keine konkrete Marketingstrategie verfolgen, sondern einfach nur ihre Social-Media-Accounts bespielen. Ich nenne das jetzt mal drastisch Lückenfüller-Content und ich würde mir da durchdachtere Inhalte wünschen.
Was wäre die bessere Lösung?
Content wird oft missverstanden als schöne Bilder und nette Videos. Das sind dann höchstens Produktplatzierungen, aber meistens ist das auch das Ende der Geschichte. Mir fehlt eine strategische Grundlage. Was wollt ihr in dieser Welt überhaupt sagen? Welche Werte wollt ihr vermitteln? Das geht leider ganz oft verloren.
Wenn du Kund*innen das sagst, wie reagieren sie dann darauf?
Wir kommen öfter gemeinsam zu dem Ergebnis, dass die Kund*innen gar keinen Content brauchen, sondern eher eine Awareness-Kampagne oder eine Sales-Kampagne, um mehr Produkte zu verkaufen. Content ist keine Allerlei-Lösung.
Ihr beratet also auch strategisch und erstellt nicht nur Content?
Eine Strategie ist enorm wichtig und mein Appell ist: Sagt euch von platten Content-Ideen los und werdet mutig, lasst euch auf neue Dinge ein. Zwischen Langeweile und Überfluss – denn auf jeden von uns werden tonnenweise Bilder und Videos geworfen – verschwindet Content oft im Grundrauschen. Wir können mehr bedeutungsvolle Inhalte schaffen, disruptiver sein, wenn wir uns auf das fokussieren, was unsere Werte sind und was wir wirklich sagen wollen.
Ich werfe jetzt mal das Wort UGC ein, also User Generated Content. Ich werde oft angefragt von Brands, um nicht Content für meine Accounts zu kreieren, sondern für deren Social Media Channels. Was hältst du von dieser Idee?
An sich finde ich es gut, dass man die User*innen miteinbezieht, die Umsetzung finde ich meistens aber schwierig.
Da treffen der Anspruch der Nahbarkeit mit professionellem Auftreten und Branding oft aufeinander. Meistens wird das nicht vereint.
Eine richtige Lösung habe ich da noch nicht. Wir wollen ja alle authentischen Content, aber eine Kuration ist eben auch enorm wichtig. Man muss sich sehr sicher sein, an wen man die Content Creation ab- und herausgibt.
Die Briefings sind da ja auch oft strikt, deswegen sieht man den gleichen Content immer und immer wieder. „Bitte trage Creme XY so und so auf.“
Ja, deswegen der Aufruf an die Marketing-Abteilungen: Überlegt euch doch mal etwas Neues. Seid mutig. Jeder rennt dem anderen hinterher und ich würde mir wünschen, dass andere Konzepte auf den Markt gebracht werden. Genau dafür sind wir ja auch mit büro bungalow da, damit Brands nicht das Schema AB zum 80. Mal spielen, sondern innovativer Content kreiert wird.
Fällt dir denn ein Vorreiter in Sachen Content ein?
Ich fand Balenciaga bisher sehr gut. Ja, sie standen jetzt auch lange in Kritik, weil sie sich zu weit aus dem Fenster gelehnt haben – und die Kritik ist auch gerechtfertigt. Trotzdem finde ich es spannend, was sie davor an Content erschaffen haben – und wie sie sich immer wieder neu erfinden, indem sie den Content immer wieder komplett löschen. Oder auch, was Bottega Veneta immer wieder gemacht hat: den Instagram-Account einmal komplett platt zu machen.
Was findest du daran so interessant?
Ich finde das Konzept spannend: Wir leben in dieser komplett übersättigten Welt an Content und Visuals und dann nehmen sich diese Brands da bewusst raus und machen ihr Produkt ungesehen. Das ist ja genau das, wofür High Fashion Brands stehen: Nicht jeder kann es haben, sondern es ist exklusiv. Und ich finde es smart, dass Bottega Veneta da sagt: Okay, wir sind exklusiv dadurch, dass ihr unsere Ästhetik nicht bei Instagram findet, sondern ihr müsst euch bewusst bemühen und auf unsere Website gehen, unsere Shops besuchen oder unsere Lookbooks ansehen.
Quasi die künstliche Verknappung der Hermès-Bag, nur digital.
Ja, genau. Nicht-Content, aber dadurch wieder super powerful. Klar, nicht jeder kann das machen, aber die Idee dahinter ist doch genial.
Fällt dir auch ein Content Creator ein, den du als Vorbild siehst?
Anne Imhof. Ich bin ein großer Fan ihrer Arbeit und die Ausstellung im Palais de Tokyo in Paris war die krasseste Performance, die ich je erleben durfte. Ihren Content zu sehen, lässt mich diesen Moment immer wieder erleben. Auch, wenn sie die Welt nicht neu erfindet, ich habe das Gefühl, sie ist real und das finde ich gut. Sie liefert auch mit ihrem Merch ein Gesamtkonzept – und rennt keinen Trends hinterher.
Welchen Content habt ihr denn in letzter Zeit betreut, der dir selbst besonders gut gefallen hat?
Gemeinsam mit Sometimes Always haben wir für Adidas Originals das Lookbook gestaltet. Wir haben dabei die Art Direction übernommen, hauptsächlich habe ich mich um Hair, Make-up, Models, Posing, Licht und Komposition gekümmert. Dabei herausgekommen ist ein Faltblatt-Lookbook, was im letzten September erschienen ist. Es war besonders toll mitzuerleben, wie ein großes Label wie Adidas darauf achtet, dass explizit diverse Models eingesetzt werden. Viele Labels denken ja, dass Diversität verschiedene Hautfarben bedeutet. Aber es steckt ja noch so viel mehr darin ...
Ein gutes Beispiel, wie büro bungalow und Fashion zusammenpassen. Hast du einen Traumbrand, mit dem du in der Zukunft gerne zusammenarbeiten würdest?
In Berlin? William Fan. Außer Frage! Und generell finden wir Armed Angels auch super spannend, das Gesamtkonzept mag ich und die Kommunikation ist direkt. Und Ottolinger!
Toll, dass du sofort deutsche Brands nennst! Das ist ja alles andere als selbstverständlich ...
Ja, ich finde auch, dass sich die Berlin Fashion Week immer noch macht. Vor ein paar Jahren fand ich viele Shows nicht gut inszeniert. Dieses Jahr war alles, was ich gesehen habe, viel besser , z.B. Avenir! Ich würde mit büro bungalow auch gerne noch mehr Shows begleiten oder die Fashion Week als Gesamtkonzept mitgestalten: neue Events ins Leben rufen zum Beispiel!
Das klingt spannend, da bin ich gespannt, wie ihr deine Ideen alle umsetzen werdet! Danke für deine Zeit, lieber Tim!
Dieser Artikel ist Werbung, da er Markennennungen enthält.
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Porträt Tim:Stephie Braun