Über das Elternsein in Zeiten von Corona und Homeoffice

Über das Elternsein in Zeiten von Corona und Homeoffice

Kinderhüten und von zu Hause arbeiten? Kein leichtes Unterfangen, wenn nicht sogar unmöglich! Warum der Alltag mit Kindern so fordernd sein kann

Homeoffice und Elternsein? Kein leichtes Unterfangen, wenn nicht sogar unmöglich! Warum der Alltag mit Kindern so fordernd sein kann

Auf Instagram räkeln sich alle in ihrer Langeweile, lernen neue Sprachen und entdecken ihren Malergeist oder Töpfertalent. Viele bleiben bis spätnachts auf und haben schon mindestens dreißig Bücher verschlungen. Aber was ist eigentlich mit den zahlreichen Eltern, die im Homeoffice Kind und Arbeit unter einen Hut bringen müssen und nebenbei noch Bananenbrot backen?

Zuerst sei gesagt, ich bin mit meiner Familie in einer sehr luxuriösen Lage. Kurz vor Corona sind wir in ein Haus mit großem Garten gezogen, unsere Jobs und der Kindergarten für meine Tochter fangen erst im August an. Wir verpassen also gerade nichts. Wir haben uns auch vor der Pandemie auf viel Zeit miteinander und die ein oder andere Stresssituation vorbereitet. Keiner erlebt Einbußen bei seinem Gehalt und Homeoffice bedeutet bei mir, dass ich in die Wohnung meiner Mutter fahre, um ein paar Stunden in Ruhe schreiben zu können. So weit, so gut. Aber selbst ich spüre die völlige Überforderung als Mutter manchmal so gewaltig, dass ich mich ernsthaft frage, wie Eltern das machen, die mit Kindern auch noch von zu Hause arbeiten müssen. 

An alle Eltern da draußen: Ihr seid nicht allein!

Meine Kinder sind drei und ein Jahr alt. Meine Tochter ist die Ältere und so unkompliziert sie als Baby war, so anstrengend ist sie in ihrer Trotzphase. Ich will hier nicht zu viel von unserem Familienleben preisgeben, weil meine Kinder noch nicht selbst mitbestimmen können, was von ihnen im Internet stehen darf und was lieber nicht. Aber ein paar Eindrücke will ich trotzdem mit euch teilen. Damit ihr Mütter, die ja oft eher zu Hause bleiben und bleiben können (hallo Fünfzigerjahre) euch gehört und nicht allein fühlt. Selbstverständlich spreche ich hier auch die Papas an, ist doch klar! Und damit ihr Kinderlosen ein bisschen mehr versteht, warum Mutter oder Vater sein, selbst wenn man nur zu Hause ist, ein Vollzeitjob ist.

Meine Tochter ist sehr gerne nah bei uns und bei allem dabei. Und damit meine ich nicht, dass sie sich friedlich ein Buch anguckt, während ich Kekskrümel zusammenkehre oder sie am Küchentisch malt, während ich koche. Mittendrin bedeutet, dass sie am liebsten alles an meiner Stelle machen würde. Denn sie ist ja schon so groß und kann mindestens genauso gut Salz in die dampfende Suppe auf dem Herd streuen wie Mama und fast besser Löcher mit der Bohrmaschine bohren als Papa. Ich sag's euch, als wir eine Leiste an die Wand angebracht haben, gab es einen dreißigminütigen Schreikrampf unserer Großen, ganz einfach, weil sie gefälligst selbst bohren wollte. Ich will sagen, dass wir oft noch nicht mal den Haushalt machen können, während die Kinder zu Hause sind, weil sie dann entweder alles selbst machen wollen oder meine Tochter ständig den Staubsauger wieder ausschaltet, weil es ihr zu laut ist. Ich habe das Gefühl, manchmal kann sie sich nicht entscheiden, ob sie drei oder 85 ist ...

Kinder und das liebe Handy

Dazu kommt, dass meine Tochter sehr handy- und laptopaffin ist. Das Wort süchtig will ich hier nicht schreiben, aber es kommt nah dran. Wenn ich also mal kurz etwas auf dem Handy recherchieren will oder etwas in die Laptoptastatur tippe, steht sie spätestens nach drei Sekunden neben mir und fragt: „Darf ich einen Film gucken oder Fotos auf dem Handy?“  

Oder noch besser: Sie klettert auf meinen Schoß und sagt sehr bestimmt: „Ich muss auch arbeiten!“

Natürlich lasse ich meine Kinder bei so vielen Sachen helfen, wie es geht. Zum Beispiel beim Gärtnern und Pflanzen umtopfen. Der Kleine isst die Erde dann zwar nur, aber ist ja alles bio bei uns. Die Große darf auch oft beim Kochen helfen und überhaupt darf sie schon ziemlich viel mitmachen. Gezwungenermaßen. Aber beim Kloputzen oder eben Bohren setzen wir dann doch mal Grenzen. Das Nein-Wort ist unserer Tochter, wie allen anderen Kindern in der Trotzphase (und noch danach), verhasst. Und so oft sie es in den Mund nimmt, so oft ist sie fuchsteufelswild, wenn sie es von uns hört.

Es gibt wirklich fordernde Wochen, wo wir alles falsch machen und die schlechte Laune und die Nervenzusammenbrüche schon am Morgen anfangen. Die ziehen sich bis zur Schlafenszeit wie zäher Kaugummi durch den Tag. Wir hatten auch mal ganze vierzig Minuten einen Wutzwerg, weil es Hackfleisch mit Kartoffeln gab, unser Kind aber lieber Apfelmus oder Haferbrei essen wollte. Ich lehne Extrawürste beim Essen aber partout ab. Da war die Stimmung beim Mittagessen dahin. Bis ich sie doch überreden konnte, mal zu probieren. Und oh Wunder, ihr Urteil O-Ton: „Mhh, lecker, lecker, lecker. Ich muss doch gar nicht immer weinen beim Essen.“ Danke für diese Erkenntnis, mein Kind.

An manchen Tagen besteht mein Erziehungskonzept aus Bestechung (Filme gucken, Süßigkeiten), auf morgen Vertrösten (bei der ewigen Frage nach dem Spielplatz, der ja nun endlich wieder aufhat) und Notlügen („Oh Oh, ich habe es klopfen gehört, ich glaube, Karius und Baktus kommen, wenn du dir nicht ganz schnell die Zähne putzt!“). Natürlich bin ich nicht stolz darauf, aber warum sollte ich von besinnlichen Nachmittagen erzählen, die es so gerade einfach sehr selten gibt. Es gibt nicht die perfekten Eltern und jede Mutter und jeder Vater traumatisieren ihre Kinder auf die ein oder andere Weise mit ihrer Erziehung. Das klingt jetzt härter als es ist, damit will ich nur sagen: Es ist nicht schlimm, wenn man mal laut wird, sich im Badezimmer für fünf Minuten Ruhe verbarrikadiert oder sich auch einfach mal Urlaub von seinen Kindern wünscht.

Der ewige Perfektionismus – auch bei Eltern

Diese Erkenntnis musste aber auch ich erst mal auf die härtere Tour lernen. Ich flüchte mich in Stresssituationen mit den Kindern gerne auf Instagram und folge da vielen Müttern, die ein Händchen für Einrichtung, Kinderkleidung und am besten auch noch Basteln und Handwerk haben. Bei den ersten beiden würde ich mich dazu zählen. Das kann ich auch! Aber beim Letzteren? Ich wäre so gerne eine Waldorfmutti, die dauernd irgendetwas mit ihren Händen erschafft. Filzen, Häkeln, Stricken, Nähen. Alles in den schönsten Farben und tollsten Stoffen. Und auch mit meinen Kindern würde ich gerne mehr basteln. Leider bin ich nicht sehr kreativ und schrecklich ungeduldig. Die Bastelanleitungen auf Instagram oder Pinterest verlangen meiner Meinung nach mindestens nach einem Bachelor im Kinderbasteln.

Und so fragte ich mich wieder, warum kann ich das nicht, warum will mein Kind nicht so lange stillsitzen, warum habe ich keine eigenen Ideen? Gehört Basteln nicht zu einer vollkommenen Kindheit dazu? Zwei, dreimal habe ich etwas ausprobiert. Pferde aus Klopapierrollen zum Beispiel. Das hat sogar noch ganz gut geklappt, meine Tochter mag Pferde und hat die Klopapierrollen akribisch in Wassermalfarbe ertränkt. Als wir drei Pferdchen gebastelt hatten, widmete ich mich wieder dem Haushalt. Irgendwann kam sie ganz stolz um die Ecke und hielt das geköpfte Pferd in Händen, um mir zu präsentieren, wie toll sie Sachen schon zerreißen konnte. Ich war sehr sauer, völlig unverhältnismäßig.

Am Abend fragte ich mich warum. Weil sich andere Kinder in der schönen, heilen Instagramwelt mit ihren gebastelten Sachen ins freie Spiel verlieren und behutsam ihr Tagewerk bestaunen. Und meine Tochter eben nur wieder meinen Staubsauger ausgeschaltet hatte, nachdem sie unsere Bastelei zerrissen hatte. Und für diese Erkenntnis, dass zwischen Instagram und der Wirklichkeit Welten liegen und – noch viel wichtiger – einfach jedes Kind verschieden ist, brauche ich manchmal ganz schön lange. Also bin ich kurzerhand ein paar wunderschönen, aber mich belastenden Accounts entfolgt. Und war gleich viel entspannter. 

Also zusammengefasst, ich gebe meine Kinder gerne in die Betreuung. Ein paar Stunden nur für Erwachsenendinge sind Gold wert. Und meine Kinder haben Kontakt zu anderen Kindern, was besonders für meine Tochter schon immer wichtig war. Ich glaube, Eltern wissen, wie wichtig Erzieherinnen und Erzieher heutzutage sind. Nicht nur, damit auch alle Mütter schön brav arbeiten gehen können, sondern auch, damit wir alle mal kurz durchatmen und uns ein bisschen um uns kümmern können.

Denn ausgeruhte Erwachsene sind auch ausgeglichene Eltern. Die Politik hat das ja leider noch nicht so ganz verstanden. Die Bezahlung für die, die sich um die Kleinsten in unserer Gesellschaft kümmern, ist lachhaft. Aber seit Corona ist jede Tagesmutter total systemrelevant! Ist klar. Wir können ja demnächst, wenn in ferner Zukunft Kitas und Kindergärten wirklich wieder auf sind, unseren Nachwuchs klatschend abholen. Dann fühlen sich bestimmt alle gleich mehr wertgeschätzt.

Gerade wäre wirklich die Zeit, darüber nachzudenken, wer unsere Gesellschaft weiterbringt. Eine Handvoll Vorstandsvorsitzende von Automarken und Fußballclubs oder eben doch Erzieher und Lehrerinnen, die im besten Fall uns Eltern dabei helfen, Kinder in eine gute Richtung zu lenken, sodass sie sich später gut und gestärkt in die Gesellschaft einfinden? Aber das ist vielleicht noch einen ganz anderen Artikel wert. 

Übrigens überwiegt die Freude beim Kinderhaben natürlich. Zumindest bei mir. Es gibt nichts Schöneres, als deinem Kind beim Wachsen zuzusehen. Wie es Sprache langsam entdeckt und für sich nutzt. Meine Tochter erinnert mich seit Neuestem immer, wenn ich etwas versprochen habe: „Das hast du doch gesagt, Mama, oder?“ Und dabei guckt sie immer ein bisschen vorwurfsvoll, wie konnte ich das nur vergessen? Wie unser kleiner Speckjunge vor Wonne auf seinen Beinen sitzt und wie verrückt wackelt, wenn er Musik hört. Kindertanz ist sowieso etwas Wundervolles. Wie sie langsam neue Fähigkeiten entwickeln und man immer mehr einen Charakter im eigenen Kind erkennt, das doch noch gestern klein, lila und zerknautscht das erste Mal in unseren Armen lag. Da werde ich ja fast schon sentimental! Ach ja, jetzt habe ich so wenig von meinem einjährigen Sohn erzählt, dass man denken könnte, er wohnt bei uns in der Besenkammer und heißt Harry. Tut er nicht, er ist einfach nur glücklich, wenn er in der einen Hand etwas zu essen und in der anderen eine Toniefigur hat. Aber ich bin mir sicher, das ändert sich in naher Zukunft auch noch. 

Also ihr Mamas und Papas da draußen, macht euch nichts draus, wie die anderen das alle so toll hinkriegen, sondern verpasst euch jeden Tag mindestens einmal ein Schulterklopfen für eure Leistung, für eure tollen Kinder, die ihr vielleicht gerade zum Mond schießen wollt und für alles, was ihr heute geschafft habt. Auch, wenn es nur das Staubsaugen ohne Unterbrechung war.

Weitere Artikel werden geladen...